2. Antwort auf eine Abhandlung M. v. Laues
,,Ein Satz
der Wahrscheinlichlceitsrechnung und
seine Anwendung
auf die Strahlungstheorie“;
von A. Einstein.
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In der zitierten Arbeit bringt Laue die mathematische
Grundlage der Statistik der
Strahlung in eine Form, die an
Prägnanz und Schönheit nichts zu wünschen
übrigläßt. Was
aber die Anwendung jener Grundlage auf die Strahlungs-
theorie
anbelangt, so scheint er mir einem bedenklichen Irr-
tume zum Opfer gefallen
zu sein, der dringend Berichtigung
fordert. Wenn Laues Behauptung, daß
die Koeffizienten
der Fourierentwicklung der bei natürlicher Strahlung auf-
tretenden örtlichen Schwingung nicht voneinander statistisch
unabhängig zu sein
brauchten, berechtigt wäre, böte sich
wirklich ein höchst aussichtsreicher Weg
zur Überwindung
der Schwierigkeiten dar, welche in der theoretischen Un-
verdaulichkeit aller Gesetze besteht, in denen das Planck-
sche ,,h“ eine
Rolle spielt. Dies war eben der Grund, der
mich vor fünf Jahren veranlaßte,
in einer mit L. Hopf zu-
sammen publizierten Arbeit diese Frage näher zu
prüfen.
Das Resultat jener in ihrer Durchführung nicht ganz
einwandfreien Arbeit, wird
von Laue als richtige Konsequenz
der zugrunde gelegten Voraussetzungen anerkannt.
Aber
Laue bestreitet die Zulässigkeit der Grundvoraussetzung,
die sich so formulieren
läßt:
Wenn ich dadurch eine vollkommen ungeordnete Strah-
lung (statistisch
unabhängige Fourierkoeffizienten) erhalte
daß ich unendlich viele vollkommen
gegebene, ganz mitein-
ander übereinstimmende Strahlungen derart superponiere,
daß
bei dieser Superposition die Gesamtphasen dieser superponierten
Strahlungen
zufällig gewählt werden, so muß die natürliche
Strahlung erst recht statistisch
ungeordnet sein.
Diese Grundvoraussetzung schien mir damals evident.
Der Umstand aber, daß sie
von einem so erfahrenen Fachmann,
wie Laue, nicht geteilt wird, beweist das Gegenteil. Ich will
deshalb im folgenden
einen Beweis geben, der von einer der-
artigen Voraussetzung frei ist und -- wie ich
hoffe -- un-
widerleglich dartut, daß unsere Undulationstheorie die sta-
tistische
Unabhängigkeit der Fourierkoeffizienten unbedingt
fordert. Bevor ich diesen Beweis
beginne, will ich aber zeigen,
warum die in den Teilen II und III der Laueschen
Abhand-
lung gegebene Betrachtung nach meiner Ansicht nicht be-
weisend
ist.
Laue betrachtet eine Strahlung, die durch eine große
Anzahl unregelmäßig über
eine Schicht von der Dicke c ver-
teilter Resonatoren senkrecht zu dieser Schicht
emittiert wird.
Im Teile II seiner Abhandlung nimmt er an, daß alle diese
Resonatoren gleichzeitig und nach demselben Gesetze schwin-
gen; im Teile III, daß
die Schwingungen aller Resonatoren
durch dasselbe, als gegeben zu denkende
statistische Gesetz
beherrscht seien. In beiden Fällen ergibt sich nicht die sta-
tistische Unabhängigkeit der Fourierkoeffizienten der Ent-
wicklung für die
resultierende Strahlung. Hieraus darf aber
nach meiner Meinung keineswegs die
Zulässigkeit der Hypo-
these gefolgert werden, daß auch bei der natürlichen Strahlung
jene Unabhängigkeit nicht vorhanden sei. Denn es ist doch
gar nicht gesagt, daß der
Grad von Unordnung, welchen jene
ungeordnete Verteilung der Resonatoren über die
Schicht
von der Dicke c mit sich bringt, derselbe sei wie bei der
natürlichen
Strahlung.
Dieser Verdacht erhebt sich um so dringender, als nach
Laues rechnerischen
Ergebnissen der Grad der statistischen
Abhängigkeit zweier durch die Indizes p und
p' charakteri-
sierten Glieder der Entwicklung für die resultierende Strah-
lung
wesentlich durch den Wert
bedingt werde, d. h. durch eine von der Schichtdicke abhängige
Größe, während doch
eine derartige statistische Abhängigkeit
bei der natürlichen Strahlung -- falls eine
solche vorhanden
wäre -- nichts zu tun haben dürfte mit der besonderen Er-
zeugungsart der betrachteten Strahlung.
Nach meiner Ansicht ist daher keiner der von Laue
betrachteten Fälle der
natürlichen Strahlung bezüglichen
Unordnung äquivalent, so daß aus seinen Ergebnissen über
die natürliche Strahlung
nichts gefolgert werden kann. Ich
halte vielmehr meine frühere Behauptung
aufrecht und
suche dieselbe im folgenden durch einen neuen Beweis zu
stützen,
indem ich mich der von Laue in seiner Arbeit dar-
gelegten Sätze aus der
Wahrscheinlichkeitsrechnung bediene.
§1. Statistische Eigenschaften einer Strahlung, die durch
Superposition unendlich vieler, voneinander unabhängig erzeugter
Strahlungen entstanden ist.
Jede der betrachteten Teilstrahlungen sei durch eine
Fouriersche Entwicklung von
der Form
| (1) |
für das Zeitintervall 0 bis T dargestellt, wobei die Koeffizienten
dem
Wahrscheinlichkeitsgesetz
| (2) |
genügen sollen, welches Gesetz für jedes (), d. h. für jede der
betrachteten
Teilstrahlungen ein besonderes sein kann. Das
Gesetz sei ferner ein solches,
daß
| (3) |
Die resultierende Strahlung ist für das Zeitintervall 0 bis T
durch die
Entwicklung
| (4) |
gegeben, woraus die Gültigkeit der Beziehungen
| (5) |
hervorgeht. Welches statistische Gesetz folgt für die Fourier-
koeffizienten A1...Bz?
Aus einer Betrachtung, die der im Teile I der Laueschen
Arbeit durchgeführten
ganz analog ist, findet man, daß das
gesuchte statistische Gesetz das folgende
ist:
| (6) |
Hieraus ersieht man, daß durch Superposition unendlich vieler
Teilstrahlungen die
statistische Unabhängigkeit der Fourier-
Koeffizienten noch keineswegs garantiert
wird. Wohl aber
gestattet das Gesetz (6) die Frage nach der statistischen Un-
abhängigkeit der Fourierkoeffizienten auf eine einfachere Frage
zu reduzieren.
Jene statistische Unabhängigkeit wird nämlich
dann und nur dann erfüllt
sein, wenn im Exponenten der
Exponentialfunktion nur die Quadrate der
Am und Bm, aber
keine Produkte dieser Größen auftreten; d. h. es muß
sein:
| (7) |
Es ist ferner wegen (3) und (5) klar, daß im Falle sta-
tistischer Unabhängigkeit
die Beziehungen
| (7a) |
bestehen müssen. Da die Zahl der Bedingungen (7a) gleich
ist der Zahl der
Bedingungen (7), und alle Bedingungen (7a)
voneinander unabhängig sind, so folgt,
daß im Falle der Gültig-
keit von (6) die Bedingungen (7a) hinreichend sind für die
statistische Unabhängigkeit der Fourierkoeffizienten.
Wir gelangen daher zu folgendem vorläufigen Ergebnis:
Da wir von der
natürlichen Strahlung annehmen müssen, daß
ihre statistischen Eigenschaften durch
Superposition von in-
kohärenten Teilstrahlungen nicht geändert werden, so sind
die
Gleichungen (7a) bei der natürlichen Strahlung hinreichende
Bedingungen für die
statistische Unabhängigkeit der Fourier-
koeffizienten.
§2. Nachweis der statistischen Unabhängigkeit der Fourier-
koeffizienten bei der natürlichen Strahlung.
Es sei F(t) eine Komponente des Strahlungsvektors sta-
tionärer natürlicher
Strahlung, gegeben für unendlich lange
Zeit. T sei eine gegen die Schwingungsdauer
der langwelligsten
in der Strahlung auftretenden Lichtart große Zeitdauer. Zwischen
den Zeiten t0 und
t0 + T sei F(t) dargestellt durch die Fourier-
reihe
| (4a) |
Es ist klar, daß die zu F(t) gehörigen Fourierkoeffizienten
An, Bn von der Wahl
der Epoche t0 abhängen werden. Indem
wir die Entwicklung für sehr viele, zufällig
gewählte t0 aus-
geführt denken, erlangen wir ein statistisches Material zur
Ableitung
statistischer Eigenschaften der Koeffizienten An, Bn,
welche wir bei der natürlichen
Strahlung notwendig fordern
müssen.
Um diese Eigenschaften abzuleiten, entwickeln wir F(t)
in eine Fourierreihe
zwischen den Zeiten 0 und , wobei
eine gegenüber T sehr große Zeitdauer sei. Für
dies Zeit-
intervall sei
| (8) |
Wählen wir t0 zwischen t = 0 und t = -T, so können
die Koeffizienten An und
Bn durch t0 und die Koeffizienten
und der Entwicklung (8) ausgedrückt
werden; man er-
hält zunächst
| (9) |
Führt man die Integration aus, so erhält man, indem man
in bekannter Weise
Glieder mit dem Faktor gegen
solche mit dem Faktor
vernachlässigt:
| (10) |
wobei
gesetzt ist. Die Formeln (10) gelten nur für Werte von t0
zwischen t0 = 0 und
t0 = - T, weil die Entwicklung ge-
mäß (8) nur für das Zeitintervall 0 -
gilt. Wir erlauben
uns jedoch, die Formel (8) für das Intervall 0 - ( + T)
an-
zuwenden. Damit ersetzen wir zwischen den Zeitwerten
und + T
die Funktion F(t) durch die Werte von F(t) zwischen
den Zeiten 0 und T.
Durch dieses Vorgehen werden im fol-
genden unsere Mittelwertbetrachtungen
gefälscht, aber nur
relativ unendlich wenig, weil das Zeitintervall T gegen
un-
endlich klein ist. Von dieser Erwägung ausgehend, werden
wir die
Gleichungen (10) so anwenden, wie wenn sie im ganzen
Intervall 0 < t0 < gelten
würden.
Wir bilden nun mit Hilfe von (10) den Mittelwert Am An,
d. h. die Größe
Dabei tritt das Integral
auf. Dieses verschwindet wegen der Ganzzahligkeit von und ,
wenn , und hat
für = den Wert (-1)m-n.
Mit Rücksicht darauf ergibt die erste der Gleichungen
(10)
| (11) |
A priori ist klar, daß eine statistische Abhängigkeit nur
zwischen
Strahlungskomponenten von sehr nahe gleicher
Frequenz zu erwarten ist. m und n
gehören also demselben
engen Spektralbereich an, ebenso jene Werte von , welche
zu unserer Summe merklich beitragen.
In (11) ist der Bruch auf der rechten Seite eine wegen
der Kleinheit von T/ mit
langsam veränderliche Größe.
Deshalb kann bezüglich der Größe 2 über viele
aufe nander
folgende Glieder ohne merkbaren Fehler gemittelt werden,
und es wird
jener Mittelwert 2 als Konstante aus der Summe
herausgesetzt werden können, da
die Summation überhaupt
nur über einen engen Spektralbereich zu erstrecken ist. Die
über den Bruch erstreckte Summe kann dann noch in ein
Integral verwandelt werden,
so daß man erhält:
| (12) |
Das Integral kann ohne merklichen Fehler zwischen -
und + genommen
werden, statt zwischen der durch den
vorerwähnten Spektralbereich bestimmten
Grenzen.
Dieses Integral hat für m = n den Wert , verschwindet
aber stets1), wenn mn
(m und n sind ganze Zahlen). Damit
ist zunächst das Verschwinden von
Am An (für mn) bewiesen;
der Beweis für das Verschwinden von Bm Bn
(für mn) und
Am Bn ist analog zu führen. Aus dem Verschwinden dieser
Mittelwerte folgt nach §1 die behauptete statistische Un-
abhängigkeit der
Fourierkoeffizienten.
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1) Das Integral ist nämlich gleich
Jedes der letzteren Integrale ist gleich
Bemerkung zur Korrektur: Statt bei der Auswertung von (11) über
viele
aufeinanderfolgende Summenglieder zu mitteln, kann man auch un-
endlich viele,
voneinander unabhängige Entwicklungen (8) zugrunde legen
und über diese mitteln.
Nimmt man an (11) jene Mittelwertbildung vor,
so tritt der dementsprechend
verstandene Mittelwert 2 vor das Summen-
zeichen. Das Endresultat bleibt
natürlich dasselbe.
(Eingegangen 24. Juni 1915.)
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