ANNALEN DER PHYSIK.

VIERTE FOLGE. BAND 49.

PICT

1.Die Grundlage
der allgemeinen Relativitätstheorie;
von A. Einstein.

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Die im nachfolgenden dargelegte Theorie bildet die denk-
bar weitgehendste Verallgemeinerung der heute allgemein als
,,Relativitätstheorie“ bezeichneten Theorie; die letztere nenne
ich im folgenden zur Unterscheidung von der ersteren ,,spezielle
Relativitätstheorie“ und setze sie als bekannt voraus. Die
Verallgemeinerung der Relativitätstheorie wurde sehr er-
leichtert durch die Gestalt, welche der speziellen Relativitäts-
theorie durch Minkowski gegeben wurde, welcher Mathe-
matiker zuerst die formale Gleichwertigkeit der räumlichen
Koordinaten und der Zeitkoordinate klar erkannte und für
den Aufbau der Theorie nutzbar machte. Die für die all-
gemeine Relativitätstheorie nötigen mathematischen Hilfs-
mittel lagen fertig bereit in dem ,,absoluten Differentialkalkül“,
welcher auf den Forschungen von Gauss, Riemann und
Christoffel über nichteuklidische Mannigfaltigkeiten ruht und
von Ricci und Levi-Civita in ein System gebracht und
bereits auf Probleme der theoretischen Physik angewendet
wurde. Ich habe im Abschnitt B der vorliegenden Abhand-
lung alle für uns nötigen, bei dem Physiker nicht als bekannt
vorauszusetzenden mathematischen Hilfsmittel in möglichst
einfacher und durchsichtiger Weise entwickelt, so daß ein
Studium mathematischer Literatur für das Verständnis der
vorliegenden Abhandlung nicht erforderlich ist. Endlich sei
an dieser Stelle dankbar meines Freundes, des Mathematikers
Grossmann, gedacht, der mir durch seine Hilfe nicht nur
das Studium der einschlägigen mathematischen Literatur er-
sparte, sondern mich auch beim Suchen nach den Feldgleichun-
gen der Gravitation unterstützte.

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A. Prinzipielle Erwägungen zum Postulat der Relativität.

§ 1. Bemerkungen zu der speziellen Relativitätstheorie.

Der speziellen Relativitätstheorie liegt folgendes Postulat
zugrunde, welchem auch durch die Galilei-Newtonsche
Mechanik Genüge geleistet wird: Wird ein Koordinatensystem K
so gewählt, daß in bezug auf dasselbe die physikalischen Ge-
setze in ihrer einfachsten Form gelten, so gelten dieselben
Gesetze auch in bezug auf jedes andere Koordinatens ystem K',
das relativ zu K in gleichförmiger Translationsbewegung be-
griffen ist. Dieses Postulat nennen wir ,,spezielles Relativitäts-
prinzip“. Durch das Wort ,,speziell“ soll angedeutet werden,
daß das Prinzip auf den Fall beschränkt ist, daß K' eine gleich-
förmige Translationsbewegung gegen K ausführt, daß sich
aber die Gleichwertigkeit von K' und K nicht auf den Fall
ungleichförmiger Bewegung von K' gegen K erstreckt.

Die spezielle Relativitätstheorie weicht also von der klas-
sischen Mechanik nicht durch das Relativitätspostulat ab,
sondern allein durch das Postulat von der Konstanz der
Vakuum-Lichtgeschwindigkeit, aus welchem im Verein mit
dem speziellen Relativitätsprinzip die Relativität der Gleich-
zeitigkeit sowie die Lorentztransformation und die mit dieser
verknüpften Gesetze über das Verhalten bewegter starrer
Körper und Uhren in bekannter Weise folgen.

Die Modifikation, welche die Theorie von Raum und Zeit
durch die spezielle Relativitätstheorie erfahren hat, ist zwar
eine tiefgehende; aber ein wichtiger Punkt blieb unangetastet.
Auch gemäß der speziellen Relativitätstheorie sind nämlich
die Sätze der Geometrie unmittelbar als die Gesetze über
die möglichen relativen Lagen (ruhender) fester Körper zu
deuten, allgemeiner die Sätze der Kinematik als Sätze, welche
das Verhalten von Meßkörpern und Uhren beschreiben. Zwei
hervorgehobenen materiellen Punkten eines ruhenden (starren)
Körpers entspricht hierbei stets eine Strecke von ganz be-
stimmter Länge, unabhängig von Ort und Orientierung des
Körpers sowie von der Zeit; zwei hervorgehobenen Zeiger-
stellungen einer relativ zum (berechtigten) Bezugssystem ruhen-
den Uhr entspricht stets eine Zeitstrecke von bestimmter Länge,
unabhängig von Ort und Zeit. Es wird sich bald zeigen, daß
die allgemeine Relativitätstheorie an dieser einfachen physika-
lischen Deutung von Raum und Zeit nicht festhalten kann.

§ 2. Über die Gründe, welche eine Erweiterung des Relativitäts-
postulates nahelegen.

Der klassischen Mechanik und nicht minder der speziellen
Relativitätstheorie haftet ein erkenntnistheoretischer Mangel
an, der vielleicht zum ersten Male von E. Mach klar hervor-
gehoben wurde. Wir erläutern ihn am folgenden Beispiel.
Zwei flüssige Körper von gleicher Größe und Art schweben
frei im Raume in so großer Entfernung voneinander (und von
allen übrigen Massen), daß nur diejenigen Gravitationskräfte
berücksichtigt werden müssen, welche die Teile eines dieser
Körper aufeinander ausüben. Die Entfernung der Körper
voneinander sei unveränderlich. Relative Bewegungen der
Teile eines der Körper gegeneinander sollen nicht auftreten.
Aber jede Masse soll -- von einem relativ zu der anderen Masse
ruhenden Beobachter aus beurteilt -- um die Verbindungslinie
der Massen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotieren (es
ist dies eine konstatierbare Relativbewegung beider Massen).
Nun denken wir uns die Oberflächen beider Körper (S1 und S2)
mit Hilfe (relativ ruhender) Maßstäbe ausgemessen; es ergebe
sich, daß die Oberfläche von S1 eine Kugel, die von S2 ein
Rotationsellipsoid sei.

Wir fragen nun: Aus welchem Grunde verhalten sich die
Körper S1 und S2 verschieden? Eine Antwort auf diese Frage
kann nur dann als erkenntnistheoretisch befriedigend1) an-
erkannt werden, wenn die als Grund angegebene Sache eine
beobachtbare Erfahrungstatsache ist; denn das Kausalitäts-
gesetz hat nur dann den Sinn einer Aussage über die Er-
fahrungswelt, wenn als Ursachen und Wirkungen letzten
Endes nur beobachtbare Tatsachen auftreten.

Die Newtonsche Mechanik gibt auf diese Frage keine
befriedigende Antwort. Sie sagt nämlich folgendes. Die Ge-
setze der Mechanik gelten wohl für einen Raum R1, gegen
welchen der Körper S1 in Ruhe ist, nicht aber gegenüber einem
Raume R2, gegen welchen S2 in Ruhe ist. Der berechtigte
Galileische Raum R1, der hierbei eingeführt wird, ist aber
eine blob fingierte Ursache, keine beobachtbare Sache. Es
ist also klar, daß die Newtonsche Mechanik der Forderung
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1) Eine derartige erkenntnistheoretisch befriedigende Antwort kann
natürlich immer noch physikalisch unzutreffend sein, falls sie mit anderen
Erfahrungen im Widerspruch ist.

der Kausalität in dem betrachteten Falle nicht wirklich, son-
dern nur scheinbar Genüge leistet, indem sie die bloß fin-
gierte Ursache R1 für das beobachtbare verschiedene Ver-
halten der Körper S1 und S2 verantwortlich macht.

Eine befriedigende Antwort auf die oben aufgeworfene
Frage kann nur so lauten: Das aus S1 und S2 bestehende
physikalische System zeigt für sich allein keine denkbare Ur-
sache, auf welche das verschiedene Verhalten von S1 und S2
zurückgeführt werden könnte. Die Ursache muß also auber-
halb dieses Systems liegen. Man gelangt zu der Auffassung,
daß die allgemeinen Bewegungsgesetze, welche im speziellen
die Gestalten von S1 und S2 bestimmen, derart sein müssen,
daß das mechanische Verhalten von S1 und S2 ganz wesentlich
durch ferne Massen mitbedingt werden muß, welche wir nicht zu
dem betrachteten System gerechnet hatten. Diese fernen Massen
(und ihre Relativbewegungen gegen die betrachteten Körper)
sind dann als Träger prinzipiell beobachtbarer Ursachen für
das verschiedene Verhalten unserer betrachteten Körper an-
zusehen; sie übernehmen die Rolle der fingierten Ursache R1.
Von allen denkbaren, relativ zueinander beliebig bewegten
Räumen R1, R2 usw. darf a priori keiner als bevorzugt an-
gesehen werden, wenn nicht der dargelegte erkenntnistheo-
retische Einwand wieder aufleben soll. Die Gesetze der Physik
müssen so beschaffen sein, dab sie in bezug auf beliebig bewegte
Bezugssysteme gelten. Wir gelangen also auf diesem Wege
zu einer Erweiterung des Relativitätspostulates.

Außer diesem schwerwiegenden erkenntnistheoretischen
Argument spricht aber auch eine wohlbekannte physikalische
Tatsache für eine Erweiterung der Relativitätstheorie. Es
sei K ein Galileisches Bezugssystem, d. h. ein solches,
relativ zu welchem (mindestens in dem betrachteten vier-
dimensionalen Gebiete) eine von anderen hinlänglich ent-
fernte Masse sich geradlinig und gleichförmig bewegt. Es
sei K' ein zweites Koordinatensystem, welches relativ zu K
in gleichförmig beschleunigter Translationsbewegung sei. Relativ
zu K' führte dann eine von anderen hinreichend getrennte Masse
eine beschleunigte Bewegung aus, derart, daß deren Beschleuni-
gung und Beschleunigungsrichtung von ihrer stofflichen Zusam-
mensetzung und ihrem physikalischen Zustande unabhängig ist.

Kann ein relativ zu K' ruhender Beobachter hieraus

den Schluß ziehen, daß er sich auf einem ,,wirklich“ be-
schleunigten Bezugssystem befindet? Diese Frage ist zu ver-
neinen; denn das vorhin genannte Verhalten frei beweglicher
Massen relativ zu K' kann ebensogut auf folgende Weise ge-
deutet werden. Das Bezugssystem K' ist unbeschleunigt; in
dem betrachteten zeiträumlichen Gebiete herrscht aber ein
Gravitationsfeld, welches die beschleunigte Bewegung der
Körper relativ zu K' erzeugt.

Diese Auffassung wird dadurch ermöglicht, daß uns die
Erfahrung die Existenz eines Kraftfeldes (nämlich des Gravi-
tationsfeldes) gelehrt hat, welches die merkwürdige Eigen-
schaft hat, allen Körpein dieselbe Beschleunigung zu erteilen.1)
Das mechanische Verhalten der Körper relativ zu K' ist das-
selbe, wie es gegenüber Systemen sich der Erfahrung dar-
bietet, die wir als, ,,ruhende“ bzw. als ,,berechtigte“ Systeme
anzusehen gewohnt sind; deshalb liegt es auch vom physi-
kalischen Standpunkt nahe, anzunehmen, daß die Systeme K
und K' beide mit demselben Recht als ,,ruhend“ angesehen
werden können, bzw. daß sie als Bezugssysteme für die physi-
kalische Beschreibung der Vorgänge gleichberechtigt seien.

Aus diesen Erwägungen sieht man, daß die Durchführung
der allgemeinen Relativitätstheorie zugleich zu einer Theorie der
Gravitation führen muß; denn man kann ein Gravitations-
feld durch bloße Änderung des Koordinatensystems ,,erzeugen“.
Ebenso sieht man unmittelbar, daß das Prinzip von der Kon-
stanz der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit eine Modifikation er-
fahren muß. Denn man erkennt leicht, daß die Bahn eines
Lichtstrahles in bezug auf K' im allgemeinen eine krumme
sein muß, wenn sich das Licht in bezug auf K geradlinig und
mit bestimmter, konstanter Geschwindigkeit fortpflanzt.

§ 3. Das Raum-Zeit-Kontinuum. Forderung der allgemeinen
Kovarianz für die die allgemeinen Naturgesetze ausdrückenden
Gleichungen.

In der klassischen Mechanik sowie in der speziellen Rela-
tivitätstheorie haben die Koordinaten des Raumes und der
Zeit eine unmittelbare physikalische Bedeutung. Ein Punkt-
ereignis hat die X1-Koordinate x1, bedeutet: Die nach den
----------

1) Daß das Gravitationsfeld diese Eigenschaft mit großer Genauig-
keit besitzt, hat Eötvös experimentell bewiesen.

Regeln der Euklidischen Geometrie mittels starrer Stäbe er-
mittelte Projektion des Punktereignisses auf die X1-Achse
wird erhalten, indem man einen bestimmten Stab, den Ein-
heitsmaßstab, x1mal vom Anfangspunkt des Koordinaten-
körpers auf der (positiven) X1-Achse abträgt. Ein Punkt
hat die X4-Koordinate x4 = t, bedeutet: Eine relativ zum
Koordinatensystem ruhend angeordnete, mit dem Punkt-
ereignis räumlich (praktisch) zusammenfallende Einheitsuhr,
welche nach bestimmten Vorschriften gerichtet ist, hat x4 = t
Perioden zurückgelegt beim Eintreten des Punktereignisses.1)

Diese Auffassung von Raum und Zeit schwebte den Phy-
sikern stets, wenn auch meist unbewußt, vor, wie aus der
Rolle klar erkennbar ist, welche diese Begriffe in der messenden
Physik spielen; diese Auffassung mußte der Leser auch der
zweiten Betrachtung des letzten Paragraphen zugrunde legen,
um mit diesen Ausführungen einen Sinn verbinden zu können.
Aber wir wollen nun zeigen, daß man sie fallen lassen und
durch eine allgemeinere ersetzen muß, um das Postulat der
allgemeinen Relativität durchführen zu können, falls die
spezielle Relativitätstheorie für den Grenzfall des Fehlens
eines Gravitationsfeldes zutrifft.

Wir führen in einem Raume, der frei sei von Gravitations-
feldern, ein Galileisches Bezugssystem K (x, y, z, t) ein, und
außerdem ein relativ zu K gleichförmig rotierendes Koordi-
natensystem K'  '  '  ' '
(x, y , z t) Die Anfangspunkte beider Sy-
steme sowie deren Z-Achsen mögen dauernd zusammenfallen.
Wir wollen zeigen, daß für eine Raum--Zeitmessung im
System K' die obige Festsetzung für die physikalische Bedeu-
tung von Längen und Zeiten nicht aufrecht erhalten werden
kann. Aus Symmetriegründen ist klar, daß ein Kreis um den
Anfangspunkt in der X-Y -Ebene von K zugleich als Kreis in der
X'-Y '-Ebene von K' aufgefaßt werden kann. Wir denken uns
nun Umfang und Durchmesser dieses Kreises mit einem (relativ
zum Radius unendlich kleinen) Einheitsmaßstabe ausgemessen
und den Quotienten beider Meßresultate gebildet. Würde man
dieses Experiment mit einem relativ zum Galileischen System
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1) Die Konstatierbarkeit der ,,Gleichzeitigkeit“ für räumlich un-
mittelbar benachbarte Ereignisse, oder -- präziser gesagt -- für das
raumzeitliche unmittelbare Benachbartsein (Koinzidenz) nehmen wir an,
ohne für diesen fundamentalen Begriff eine Definition zu geben.

K ruhenden Maßstabe ausführen, so würde man als Quotienten
die Zahl p erhalten. Das Resultat der mit einem relativ zu
K' ruhenden Maßstabe ausgeführten Bestimmung würde eine
Zahl sein, die größer ist als p. Man erkennt dies leicht, wenn
man den ganzen Meßprozeß vom ,,ruhenden“ System K aus
beurteilt und berücksichtigt, daß der peripherisch angelegte
Maßstab eine Lorentzverkürzung erleidet, der radial angelegte
Maßstab aber nicht. Es gilt daher in bezug auf K' nicht die
Euklidische Geometrie; der oben festgelegte Koordinaten-
begriff, welcher die Gültigkeit der Euklidischen Geometrie
voraussetzt, versagt also mit Bezug auf das System K'. Ebenso-
wenig kann man in K' eine den physikalischen Bedürfnissen
entsprechende Zeit einführen, welche durch relativ zu K'
ruhende, gleich beschaffene Uhren angezeigt wird. Um dies
einzusehen, denke man sich im Koordinatenursprung und an
der Peripherie des Kreises je eine von zwei gleich beschaffenen
Uhren angeordnet und vom ,,ruhenden“ System K aus be-
trachtet. Nach einem bekannten Resultat der speziellen Rela-
tivitätstheorie geht -- von K aus beurteilt -- die auf der
Kreisperipherie angeordnete Uhr langsamer als die im Anfangs-
punkt angeordnete Uhr, weil erstere Uhr bewegt ist letztere
aber nicht. Ein im gemeinsamen Koordinatenursprung be-
findlicher Beobachter, welcher auch die an der Peripherie
befindliche Uhr mittels des Lichtes zu beobachten fähig wäre,
würde also die an der Peripherie angeordnete Uhr langsamer
gehen sehen als die neben ihm angeordnete Uhr. Da er sich
nicht dazu entschließen wird, die Lichtgeschwindigkeit auf
dem in Betracht kommenden Wege explizite von der Zeit
abhängen zu lassen, wird er seine Beobachtung dahin inter-
pretieren, daß die Uhr an der Peripherie ,,wirklich“ lang-
samer gehe als die im Ursprung angeordnete. Er wird also
nicht umhin können, die Zeit so zu definieren, daß die Gang-
geschwindigkeit einer Uhr vom Orte abhängt.

Wir gelangen also zu dem Ergebnis: In der allgemeinen
Relativitätstheorie können Raum- und Zeitgrößen nicht so
definiert werden, daß räumliche Koordinatendifferenzen un-
mittelbar mit dem Einheitsmaßstab, zeitliche mit einer Normal-
uhr gemessen werden könnten.

Das bisherige Mittel, in das zeiträumliche Kontinuum
in bestimmter Weise Koordinaten zu legen, versagt also, und

es scheint sich auch kein anderer Weg darzubieten, der ge-
statten würde, der vierdimensionalen Welt Koordinatensysteme
so anzupassen, daß bei ihrer Verwendung eine besonders
einfache Formulierung der Naturgesetze zu erwarten wäre.
Es bleibt daher nichts anderes übrig, als alle denkbaren1)
Koordinatensysteme als für die Naturbeschreibung prinzipiell
gleichberechtigt anzusehen. Dies kommt auf die Forderung
hinaus:

Die allgemeinen Naturgesetze sind durch Gleichungen aus-
zudrücken, die für alle Koordinatensysteme gelten, d. h. die
beliebigen Substitutionen gegenüber kovariant (allgemein ko-
variant) sind.

Es ist klar, daß eine Physik, welche diesem Postulat ge-
nügt, dem allgemeinen Relativitätspostulat gerecht wird.
Denn in allen Substitutionen sind jedenfalls auch diejenigen
enthalten, welche allen Relativbewegungen der (dreidimen-
sionalen) Koordinatensysteme entsprechen. Daß diese Forde-
rung der allgemeinen Kovarianz, welche dem Raum und der
Zeit den letzten Rest physikalischer Gegenständlichkeit nehmen,
eine natürliche Forderung ist, geht aus folgender Überlegung
hervor. Alle unsere zeiträumlichen Konstatierungen laufen
stets auf die Bestimmung zeiträumlicher Koinzidenzen hinaus.
Bestände beispielsweise das Geschehen nur in der Bewegung
materieller Punkte, so wäre letzten Endes nichts beobachtbar
als die Begegnungen zweier oder mehrerer dieser Punkte.
Auch die Ergebnisse unserer Messungen sind nichts anderes
als die Konstatierung derartiger Begegnungen materieller
Punkte unserer Maßstäbe mit anderen materiellen Punkten
bzw. Koinzidenzen zwischen Uhrzeigern, Zifferblattpunkten
und ins Auge gefaßten, am gleichen Orte und zur gleichen
Zeit stattfindenden Punktereignissen.

Die Einführung eines Bezugssystems dient zu nichts
anderem als zur leichteren Beschreibung der Gesamtheit
solcher Koinzidenzen. Man ordnet der Welt vier zeiträum-
liche Variable x1, x2, x3, x4 zu, derart, daß jedem Punkt-
ereignis ein Wertesystem der Variablen x1....x4 entspricht,
Zwei koinzidierenden Punktereignissen entspricht dasselbe
----------

1) Von gewissen Beschränkungen, welche der Forderung der ein-
deutigen Zuordnung und derjenigen der Stetigkeit entsprechen, wollen
wir hier nicht sprechen.

Wertesystem der Variablen x1....x4; d. h. die Koinzidenz
ist durch die Übereinstimmung der Koordinaten charak-
terisiert. Führt man statt der Variablen x1....x4 beliebige
Funktionen derselben, x1', x 2', x 3', x 4' als neues Koordinaten-
system ein, so daß die Wertesysteme einander eindeutig zu-
geordnet sind, so ist die Gleichheit aller vier Koordinaten
auch im neuen System der Ausdruck für die raumzeitliche
Koinzidenz zweier Punktereignisse. Da sich alle unsere physi-
kalischen Erfahrungen letzten Endes auf solche Koinzidenzen
zurückführen lassen, ist zunächst kein Grund vorhanden,
gewisse Koordinatensysteme vor anderen zu bevorzugen, d. h.
wir gelangen zu der Forderung der allgemeinen Kovarianz.

§ 4. Beziehung der vier Koordinaten zu räumlichen und zeit-
lichen Meßergebnissen.
Analytischer Ausdruck für das Gravitationsfeld.

Es kommt mir in dieser Abhandlung nicht darauf an,
die allgemeine Relativitätstheorie als ein möglichst einfaches
logisches System mit einem Minimum von Axiomen darzu-
stellen. Sondern es ist mein Hauptziel, diese Theorie so zu
entwickeln, daß der Leser die psychologische Natürlichkeit
des eingeschlagenen Weges empfindet und daß die zugrunde
gelegten Voraussetzungen durch die Erfahrung möglichst ge-
sichert erscheinen. In diesem Sinne sei nun die Voraus-
setzung eingeführt:

Für unendlich kleine vierdimensionale Gebiete ist die
Relativitätstheorie im engeren Sinne bei passender Koordi-
natenwahl zutreffend.

Der Beschleunigungszustand des unendlich kleinen (,,ört-
lichen“) Koordinatensystems ist hierbei so zu wählen, daß
ein Gravitationsfeld nicht auftritt; dies ist für ein unendlich
kleines Gebiet möglich. X1, X2, X3 seien die räumlichen
Koordinaten; X4 die zugehörige, in geeignetem Maßstabe ge-
messene1) Zeitkoordinate. Diese Koordinaten haben, wenn
ein starres Stäbchen als Einheitsmaßstab gegeben gedacht
wird, bei gegebener Orientierung des Koordinatensystems
eine unmittelbare physikalische Bedeutung im Sinne der
speziellen Relativitätstheorie. Der Ausdruck

d s2 = - dX12 -  dX22 -  dX32 +  dX42
(1)

----------

1) Die Zeiteinheit ist so zu wählen, daß die Vakuum-Lichtgeschwindig-
keit -- in dem ,,lokalen“ Koordinatensystem gemessen -- gleich 1 wird.

hat dann nach der speziellen Relativitätstheorie einen von
der Orientierung des lokalen Koordinatensystems unabhängigen,
durch Raum--Zeitmessung ermittelbaren Wert. Wir nennen
ds die Größe des zu den unendlich benachbarten Punkten
des vierdimensionalen Raumes gehörigen Linienelementes. Ist
das zu dem Element (d X1 ....d X4) gehörige ds2 positiv,
so nennen wir mit Minkowski ersteres zeitartig, im entgegen-
gesetzten Falle raumartig.

Zu dem betrachteten ,,Linienelement“ bzw. zu den beiden
unendlich benachbarten Punktereignissen gehören auch be-
stimmte Differentiale dx1....dx4 der vierdimensionalen Ko-
ordinaten des gewählten Bezugssystems. Ist dieses sowie ein
,,lokales“ System obiger Art für die betrachtete Stelle gegeben,
so werden sich hier die dXn durch bestimmte lineare homogene
Ausdrücke der dxs darstellen lassen:

d X  =   sum  a   d x .
    n        ns   s
         s
(2)

Setzt man diese Ausdrücke in (1) ein, so erhält man

ds2 =  sum   g   dx  dx ,
           st    s   t
       st
(3)

wobei die gst Funktionen der xs sein werden, die nicht mehr
von der Orientierung und dem Bewegungszustand des ,,lokalen“
Koordinatensystems abhängen können; denn ds2 ist eine
durch Maßstab-Uhrenmessung ermittelbare, zu den betrach-
teten, zeiträumlich unendlich benachbarten Punktereignissen
gehörige, unabhängig von jeder besonderen Koordinatenwahl
definierte Größe. Die gst sind hierbei so zu wählen, daß
gst = gts ist; die Summation ist über alle Werte von s und t
zu erstrecken, so daß die Summe aus 4 × 4 Summanden be-
steht, von denen 12 paarweise gleich sind.

Der Fall der gewöhnlichen Relativitätstheorie geht aus
dem hier Betrachteten hervor, falls es, vermöge des beson-
deren Verhaltens der gst in einem endlichen Gebiete, möglich
ist, in diesem das Bezugssystem so zu wählen, daß die gst die
konstanten Werte

  - 1    0    0   0

{   0  - 1    0   0
    0    0  - 1   0

    0    0    0  +1
(4)

annehmen. Wir werden später sehen, daß die Wahl solcher Ko-
ordinaten für endliche Gebiete im allgemeinen nicht möglich ist.

Aus den Betrachtungen der §§ 2 und 3 geht hervor,
daß die Größen gst vom physikalischen Standpunkte aus als
diejenigen Größen anzusehen sind, welche das Gravitations-
feld in bezug auf das gewählte Bezugssystem beschreiben.
Nehmen wir nämlich zunächst an, es sei für ein gewisses be-
trachtetes vierdimensionales Gebiet bei geeigneter Wahl der
Koordinaten die spezielle Relativitätstheorie gültig. Die gst
haben dann die in (4) angegebenen Werte. Ein freier materieller
Punkt bewegt sich dann bezüglich dieses Systems geradlinig
gleichförmig. Führt man nun durch eine beliebige Substitution
neue Raum--Zeitkoordinaten x1....x4 ein, so werden in
diesem neuen System die gmn nicht mehr Konstante, sondern
Raum--Zeitfunktionen sein. Gleichzeitig wird sich die Be-
wegung des freien Massenpunktes in den neuen Koordinaten
als eine krummlinige, nicht gleichförmige, darstellen, wobei
dies Bewegungsgesetz unabhängig sein wird von der Natur
des bewegten Massenpunktes. Wir werden also diese Be-
wegung als eine solche unter dem Einfluß eines Gravitations-
feldes deuten. Wir sehen das Auftreten eines Gravitations-
feldes geknüpft an eine raumzeitliche Veränderlichkeit der gst.
Auch in dem allgemeinen Falle, daß wir nicht in einem end-
lichen Gebiete bei passender Koordinatenwahl die Gültigkeit
der speziellen Relativitätstheorie herbeiführen können, werden
wir an der Auffassung festzuhalten haben, daß die gst das
Gravitationsfeld beschreiben.

Die Gravitation spielt also gemäß der allgemeinen Rela-
tivitätstheorie eine Ausnahmerolle gegenüber den übrigen, ins-
besondere den elektromagnetischen Kräften, indem die das
Gravitationsfeld darstellenden 10 Funktionen gst zugleich die
metrischen Eigenschaften des vierdimensionalen Meßraumes
bestimmen.

B. Mathematische Hilfsmittel für die Aufstellung allgemein
kovarianter Gleichungen.

Nachdem wir im vorigen gesehen haben, daß das all-
gemeine Relativitätspostulat zu der Forderung führt, daß die
Gleichungssysteme der Physik beliebigen Substitutionen der
Koordinaten x1....x4 gegenüber kovariant sein müssen,

haben wir zu überlegen, wie derartige allgemein kovariante
Gleichungen gewonnen werden können. Dieser rein mathe-
matischen Aufgabe wenden wir uns jetzt zu; es wird sich
dabei zeigen, daß bei deren Lösung die in Gleichung (3) an-
gegebene Invariante ds eine fundamentale Rolle spielt, welche
wir in Anlehnung an die Gausssche Flächentheorie als ,,Linien-
element“ bezeichnet haben.

Der Grundgedanke dieser allgemeinen Kovariantentheorie
ist folgender. Es seien gewisse Dinge (,,Tensoren“) mit Bezug
auf jedes Koordinatensystem definiert durch eine Anzahl
Raumfunktionen, welche die ,,Komponenten“ des Tensors
genannt werden. Es gibt dann gewisse Regeln, nach welchen
diese Komponenten für ein neues Koordinatensystem be-
rechnet werden, wenn sie für das ursprüngliche System be-
kannt sind, und wenn die beide Systeme verknüpfende Trans-
formation bekannt ist. Die nachher als Tensoren bezeichneten
Dinge sind ferner dadurch gekennzeichnet, daß die Trans-
formationsgleichungen für ihre Komponenten linear und homo-
gen sind. Demnach verschwinden sämtliche Komponenten im
neuen System, wenn sie im ursprünglichen System sämtlich
verschwinden. Wird also ein Naturgesetz durch das Null-
setzen aller Komponenten eines Tensors formuliert, so ist es
allgemein kovariant; indem wir die Bildungsgesetze der Ten-
soren untersuchen, erlangen wir die Mittel zur Aufstellung all-
gemein kovarianter Gesetze.

§ 5. Kontravarianter und kovarianter Vierervektor.

Kontravarianter Vierervektor. Das Linienelement ist defi-
niert durch die vier ,,Komponenten“ dxn, deren Trans-
formationsgesetz durch die Gleichung

        sum   @ xs'
dxs'=      -----d xn
        n   @ xn
(5)

ausgedrückt wird. Die dxs' drücken sich linear und homogen
durch die dx n aus; wir können diese Koordinatendifferentiale
dxn daher als die Komponenten eines ,,Tensors“ ansehen, den
wir speziell als kontravarianten Vierervektor bezeichnen. Jedes
Ding, was bezüglich des Koordinatensystems durch vier
Größen An definiert ist, die sich nach demselben Gesetz

  s'   sum   @-xs'  n
A   =      @ xn A
        n
(5a)

transformieren, bezeichnen wir ebenfalls als kontravarianten
Vierervektor. Aus (5a) folgt sogleich, daß die Summen (As  ± Bs)
ebenfalls Komponenten eines Vierervektors sind, wenn As und
Bs es sind. Entsprechendes gilt für alle später als ,,Tensoren“
einzuführenden Systeme (Regel von der Addition und Sub-
traktion der Tensoren).

Kovarianter Vierervektor. Vier Größen An nennen wir die
Komponenten eines kovarianten Vierervektors, wenn für jede
beliebige Wahl des kontravarianten Vierervektors Bn

 sum        n
    An B   = Invariante.
  n
(6)

Aus dieser Definition folgt das Transformationsgesetz des
kovarianten Vierervektors. Ersetzt man nämlich auf der
rechten Seite der Gleichung

 sum          '   sum 
    As'Bs   =     An Bn
  s            n

Bn durch den aus der Umkehrung der Gleichung (5a) folgenden
Ausdruck

 sum 
    @-xnBs',
 s  @ xs'

so erhält man

 sum        sum   @ x        sum 
    Bs'     ---n-An =     Bs'As'.
 s       n  @ xs'       s

Hieraus folgt aber, weil in dieser Gleichung die Bs' unabhängig
voneinander frei wählbar sind, das Transformationsgesetz

       sum 
A '=      @-xn-A  .
 s        @ xs'  n
(7)

Bemerkungzur Vereinfachung der Schreibweise der Ausdrücke.

Ein Blick auf die Gleichungen dieses Paragraphen zeigt,
daß über Indizes, die zweimal unter einem Summenzeichen
auftreten [z. B. der Index n in (5)], stets summiert wird,
und zwar nur über zweimal auftretende Indizes. Es ist des-
halb möglich, ohne die Klarheit zu beeinträchtigen, die
Summenzeichen wegzulassen. Dafür führen wir die Vorschrift
ein: Tritt ein Index in einem Term eines Ausdruckes zweimal
auf, so ist über ihn stets zu summieren, wenn nicht ausdrück-
lich das Gegenteil bemerkt ist.

Der Unterschied zwischen dem kovarianten und kontra-
varianten Vierervektor liegt in dem Transformationsgesetz

[(7) bzw. (5)]. Beide Gebilde sind Tensoren im Sinne der
obigen allgemeinen Bemerkung; hierin liegt ihre Bedeutung.
Im Anschluß an Ricci und Levi-Civita wird der kontra-
variante Charakter durch oberen, der kovariante durch unteren
Index bezeichnet.

§ 6. Tensoren zweiten und höheren Ranges.

Kontravarianter Tensor. Bilden wir sämtliche 16 Produkte
Amn der Komponenten Am und Bn zweier kontravarianten
Vierervektoren

Amn  = Am Bn,
(8)

so erfüllt Amn gemäß (8) und (5a) das Transformationsgesetz

           '     '
Ast'=  @-xs- @ xt-Am n.
       @ xm  @ xn
(9)

Wir nennen ein Ding, das bezüglich eines jeden Bezugs-
systems durch 16 Größen (Funktionen) beschrieben wird, die
das Transformationsgesetz (9) erfüllen, einen kontravarianten
Tensor zweiten Ranges. Nicht jeder solcher Tensor läßt sich
gemäß (8) aus zwei Vierervektoren bilden. Aber es ist leicht
zu beweisen, daß sich 16 beliebig gegebene Amn darstellen
lassen als die Summe der Am Bn von vier geeignet gewählten
Paaren von Vierervektoren. Deshalb kann man beinahe alle
Sätze, die für den durch (9) definierten Tensor zweiten Ranges
gelten, am einfachsten dadurch beweisen, daß man sie für
spezielle Tensoren vom Typus (8) dartut.

Kontravarianter Tensor beliebigen Ranges. Es ist klar, daß
man entsprechend (8) und (9) auch kontravariante Tensoren
dritten und höheren Ranges definieren kann mit 43 usw.
Komponenten. Ebenso erhellt aus (8) und (9), daß man in
diesem Sinne den kontravarianten Vierervektor als kontra-
varianten Tensor ersten Ranges auffassen kann.

Kovarianter Tensor. Bildet man andererseits die 16 Pro-
dukte Amn der Komponenten zweier kovarianter Vierervektoren
Am und Bn

Amn  = Am Bn,
(10)

so gilt für diese das Transformationsgesetz

    '   @ xm  @ xn
Ast  =  ----'----'Amn  .
        @ xs @ xt
(11)

Durch dieses Transformationsgesetz wird der kovariante
Tensor zweiten Ranges definiert. Alle Bemerkungen, welche
vorher über die kontravarianten Tensoren gemacht wurden,
gelten auch für die kovarianten Tensoren.

Bemerkung. Es ist bequem, den Skalar (Invariante) so-
wohl als kontravarianten wie als kovarianten Tensor vom
Range Null zu behandeln.

Gemischter Tensor. Man kann auch einen Tensor zweiten
Ranges vom Typus

A n = A   Bn
 m      m
(12)

definieren, der bezüglich des Index m kovariant, bezüglich
des Index n kontravariant ist. Sein Transformationsgesetz ist

            '
Ast'=   @ xt-@-xa-Ab .
        @ xb @ xs'  a
(13)

Natürlich gibt es gemischte Tensoren mit beliebig vielen
Indizes kovarianten und beliebig vielen Indizes kontravarianten
Charakters. Der kovariante und der kontravariante Tensor
können als spezielle Fälle des gemischten angesehen werden.

Symmetrische Tensoren. Ein kontravarianter bzw. ko-
varianter Tensor zweiten oder höheren Ranges heißt sym-
metrisch, wenn zwei Komponenten, die durch Vertauschung
irgend zweier Indizes auseinander hervorgehen, gleich sind.
Der Tensor Amn bzw. A mn ist also symmetrisch, wenn für jede
Kombination der Indizes

  mn     nm
A    = A   ,
(14)

bzw.

Am n = Anm
(14a)

ist.

Es muß bewiesen werden, daß die so definierte Symmetrie
eine vom Bezugssystem unabhängige Eigenschaft ist. (Aus (9)
folgt in der Tat mit Rücksicht auf (14)

 st'   @-xs'@-xt'  mn    @ xs'-@-xt' nm   @-xt' @ xs' m n    ts'
A   =  @ xm  @ xn A   =  @ xm @ xn A    = @ xm  @ xn A   =  A   .

Die vorletzte Gleichsetzung beruht auf der Vertauschung der
Summationsindizes m und n (d. h. auf bloßer Änderung der
Bezeichnungsweise).

Antisymmetrische Tensoren. Ein kontravarianter bzw. ko-
varianter Tenor zweiten, dritten oder vierten Ranges heißt

antisymmetrisch, wenn zwei Komponenten, die durch Ver-
tauschung irgend zweier Indizes auseinander hervorgehen,
entgegengesetzt gleich sind. Der Tensor Amn bzw. A mn ist also
antisymmetrisch, wenn stets

  mn       nm
A    = - A   ,
(15)

bzw.

Am n = -An m
(15a)

ist.

Von den 16 Komponenten Amn verschwinden die vier
Komponenten Amm; die übrigen sind paarweise entgegengesetzt
gleich, so daß nur 6 numerisch verschiedene Komponenten
vorhanden sind (Sechservektor). Ebenso sieht man, daß der
antisymmetrische Tensor Amn s (dritten Ranges) nur vier nume-
risch verschiedene Komponenten hat, der antisymmetrische
Tensor Amn s t nur eine einzige. Symmetrische Tensoren höheren
als vierten Ranges gibt es in einem Kontinuum von vier Dimen-
sionen nicht.

§ 7. Multiplikation der Tensoren.

Äubere Multiplikation der Tensoren. Man erhält aus den
Komponenten eines Tensors vom Range z und eines solchen
vom Range z' die Komponenten eines Tensors vom Range
z + z', indem man alle Komponenten des ersten mit allen
Komponenten des zweiten paarweise multipliziert. So ent-
stehen beispielsweise die Tensoren T aus den Tensoren A
und B verschiedener Art

Tmns  =  Am nBs,
 ab gd    a b  gd
T     =  A   B   ,
Tgd   =  Aa b Bg d.
 ab

Der Beweis des Tensorcharakters der T ergibt sich un-
mittelbar aus den Darstellungen (8), (10), (12) oder aus den
Transformationsregeln (9), (11), (13). Die Gleichungen (8),
(10), (12) sind selbst Beispiele äußerer Multiplikation (von
Tensoren ersten Ranges).

,,Verjüngung“ eines gemischten Tensors. Aus jedem ge-
mischten Tensor kann ein Tensor von einem um zwei kleineren
Range gebildet werden, indem man einen Index kovarianten
und einen Index kontravarianten Charakters gleichsetzt und

nach diesem Index summiert (,,Verjüngung“). Man gewinnt
so z. B. aus dem gemischten Tensor vierten Ranges Aabg d den
gemischten Tensor zweiten Ranges

  d    a d(    sum     a d)
A b = Aa b =     a Aa b

und aus diesem, abermals durch Verjüngung, den Tensor
nullten Ranges A = Abb = A abab.

Der Beweis dafür, daß das Ergebnis der Verjüngung wirk-
lich Tensorcharakter besitzt, ergibt sich entweder aus der
Tensordarstellung gemäß der Verallgemeinerung von (12) in
Verbindung mit (6) oder aus der Verallgemeinerung von (13).

Innere und gemischte Multiplikation der Tensoren. Diese
bestehen in der Kombination der äußeren Multiplikation mit
der Verjüngung.

Beispiele. -- Aus dem kovarianten Tensor zweiten Ranges
Amn und dem kontravarianten Tensor ersten Ranges Bs bilden
wir durch äußere Multiplikation den gemischten Tensor

  s          s
D mn = Amn B  .

Durch Verjüngung nach den Indizes n, s entsteht der ko-
variante Vierervektor

Dm =  Dnmn = Amn Bn.

Diesen bezeichnen wir auch als inneres Produkt der Tensoren
Amn und Bs. Analog bildet man aus den Tensoren Amn und
Bst durch äußere Multiplikation und zweimalige Verjüngung
das innere Produkt Amn Bmn. Durch äußere Produktbildung
und einmalige Verjüngung erhält man aus Amn und Bst den
gemischten Tensor zweiten Ranges Dmt = A mn Bnt. Man kann
diese Operation passend als eine gemischte bezeichnen; denn
sie ist eine äußere bezüglich der Indizes m und t, eine innere
bezüglich der Indizes n und s.

Wir beweisen nun einen Satz, der zum Nachweis des
Tensorcharakters oft verwendbar ist. Nach dem soeben Dar-
gelegten ist Amn Bmn ein Skalar, wenn A mn und Bst Tensoren
sind. Wir behaupten aber auch folgendes. Wenn A mn Bmn für
jede Wahl des Tensors Bmn eine Invariante ist, so hat A mn Tensor-
charakter.

Beweis. -- Es ist nach Voraussetzung für eine beliebige
Substitution

    ' st'         mn
Ast B    =  Amn B   .

Nach der Umkehrung von (9) ist aber

  mn   @-xm-@-xn-  st'
B   =  @ xs'@ xt'B    .

Dies, eingesetzt in obige Gleichung, liefert:

(                      )
 Ast '- -@ xm @-xn-Amn   Bst'=  0 .
        @ xs' @ xt'

Dies kann bei beliebiger Wahl von Bst' nur dann erfüllt
sein, wenn die Klammer verschwindet, woraus mit Rück-
sicht auf (11) die Behauptung folgt.

Dieser Satz gilt entsprechend für Tensoren beliebigen
Ranges und Charakters; der Beweis ist stets analog zu führen.

Der Satz läßt sich ebenso beweisen in der Form: Sind
Bm und Cn beliebige Vektoren, und ist bei jeder Wahl der-
selben das innere Produkt

A   Bm Cn
  mn

ein Skalar, so ist Amn ein kovarianter Tensor. Dieser letztere
Satz gilt auch dann noch, wenn nur die speziellere Aussage
zutrifft, daß bei beliebiger Wahl des Vierervektors Bm das
skalare Produkt

Amn Bm Bn

ein Skalar ist, falls man außerdem weiß, daß Amn der Sym-
metriebedingung Amn = Anm genügt. Denn auf dem vorhin
angegebenen Wege beweist man den Tensorcharakter von
(Amn +  Anm) , woraus dann wegen der Symmetrieeigenschaft
der Tensorcharakter von Amn selbst folgt. Auch dieser Satz
läßt sich leicht verallgemeinern auf den Fall kovarianter und
kontravarianter Tensoren beliebigen Ranges.

Endlich folgt aus dem Bewiesenen der ebenfalls auf be-
liebige Tensoren zu verallgemeinernde Satz: Wenn die Größen
Amn Bn bei beliebiger Wahl des Vierervektors Bn einen Tensor
ersten Ranges bilden, so ist A mn ein Tensor zweiten Ranges.
Ist nämlich Cm ein beliebiger Vierervektor, so ist wegen des
Tensorcharakters Amn Bn das innere Produkt A mn Cm Bn bei
beliebiger Wahl der beiden Vierervektoren Cm und Bn ein
Skalar, woraus die Behauptung folgt.

§ 8. Einiges über den Fundamentaltensor der gmn.

Der kovariante Fundamentaltensor. In dem invarianten
Ausdruck des Quadrates des Linienelementes

ds2 = g mn d xmd xn

spielt d xm die Rolle eines beliebig wählbaren kontravarianten
Vektors. Da ferner gmn = gnm, so folgt nach den Betrachtungen
des letzten Paragraphen hieraus, daß gmn ein kovarianter Tensor
zweiten Ranges ist. Wir nennen ihn ,,Fundamentaltensor“.
Im folgenden leiten wir einige Eigenschaften dieses Tensors
ab, die zwar jedem Tensor zweiten Ranges eigen sind; aber
die besondere Rolle des Fundamentaltensors in unserer Theorie,
welche in der Besonderheit der Gravitationswirkungen ihren
physikalischen Grund hat, bringt es mit sich, daß die zu ent-
wickelnden Relationen nur bei dem Fundamentaltensor für
uns von Bedeutung sind.

Der kontravariante Fundamentaltensor. Bildet man in dem
Determinantenschema der gmn zu jedem gmn die Unterdetermi-
nante und dividiert diese durch die Determinante g = |g mn| der
gmn, so erhält man gewisse Größen gmn(= gn m), von denen wir
beweisen wollen, daß sie einen kontravarianten Tensor bilden.

Nach einem bekannten Determinantensatze ist

gm s gns = dmn,
(16)

wobei das Zeichen dmn 1 oder 0 bedeutet, je nachdem m = n
oder mn ist. Statt des obigen Ausdruckes für d s2 können
wir auch

g ms dns d xm d xn,

oder nach (16) auch

gms gnt gsn d xm d xn

schreiben. Nun bilden aber nach den Multiplikationsregeln
des vorigen Paragraphen die Größen

d qs = g ms d xm

einen kovarianten Vierervektor, und zwar (wegen der will-
kürlichen Wählbarkeit der d xm) einen beliebig wählbaren
Vierervektor. Indem wir ihn in unseren Ausdruck einführen,
erhalten wir

d s2 = gst d qs d qt.

Da dies bei beliebiger Wahl des Vektors d qs ein Skalar
ist und gst nach seiner Definition in den Indizes s und t sym-
metrisch ist, folgt aus den Ergebnissen des vorigen Para-
graphen, daß gst ein kontravarianter Tensor ist. Aus (16)
folgt noch, daß auch dmn ein Tensor ist, den wir den gemischten
Fundamentaltensor nennen können.

Determinante des Fundamentaltensors. Nach dem Multi-
plikationssatz der Determinanten ist

|gma gan| = |gma| |gan|.

Andererseits ist

      an      n
|g ma g  |= |dm |=  1.

Also folgt

       mn
|gmn||g  |= 1.
(17)

Invariante des Volumens. Wir suchen zuerst das Trans-
formationsgesetz der Determinante g = |g  |
  mn. Gemäß (11) ist

     |              |
 '   |@ xm @ xn     |
g =  ||----'----'g mn||.
      @ xs @ xt

Hieraus folgt durch zweimalige Anwendung des Multiplikations-
satzes der Determinanten

     |     ||      |       |     |2
g'=  ||@--xm||||-@-xn |||g   |= ||-@-xm||  g,
     |@ xs'||@  xt'|  mn   |@ xs'|

oder

        |     |
 V~  -'-  ||@-xm-||  V~ -
   g =  |@ xs'|   g.

Andererseits ist das Gesetz der Transformation des Volum-
elementes

        integral 
   '
d t =    d x1 d x2 d x3 d x4

nach dem bekannten Jakobischen Satze

       |    '|
d t'=  ||@-xs-||d t.
       |@ xm |

Durch Multiplikation der beiden letzten Gleichungen erhält
man

 V~  ---
   g'd t'=   V~  g-d t.
(18)

Statt  V~  g wird im folgenden die Größe  V~  --g eingeführt, welche
wegen des hyperbolischen Charakters des zeiträumlichen Kon-
tinuums stets einen reellen Wert hat. Die Invariante  V~ ----
   -gdt
ist gleich der Größe des im ,,örtlichen Bezugssystem“ mit
starren Maßstäben und Uhren im Sinne der speziellen Rela-
tivitätstheorie gemessenen vierdimensionalen Volumelementes.

Bemerkung über den Charakter des raumzeitlichen Kon-
tinuums. Unsere Voraussetzung, daß im unendlich Kleinen
stets die spezielle Relativitätstheorie gelte, bringt es mit sich,

daß sich d s2 immer gemäß (1) durch die reellen Größen
d X 1....d X4 ausdrücken läßt. Nennen wir d t0 das ,,natür-
liche“ Volumelement d X1 d X2 d X3 d X4, so ist also

        V~ ---
d t0 =   - g d t.
(18a)

Soll an einer Stelle des vierdimensionalen Kontinuums
 V~  --g verschwinden, so bedeutet dies, daß hier einem end-
lichen Koordinatenvolumen ein unendlich kleines ,,natürliches“
Volumen entspreche. Dies möge nirgends der Fall sein. Dann
kann g sein Vorzeichen nicht ändern; wir werden im Sinne
der speziellen Relativitätstheorie annehmen, daß g stets einen
endlichen negativen Wert habe. Es ist dies eine Hypothese
über die physikalische Natur des betrachteten Kontinuums
und gleichzeitig eine Festsetzung über die Koordinatenwahl.

Ist aber -g stets positiv und endlich, so liegt es nahe,
die Koordinatenwahl a posteriori so zu treffen, daß diese
Größe gleich 1 wird. Wir werden später sehen, daß durch
eine solche Beschränkung der Koordinatenwahl eine bedeutende
Vereinfachung der Naturgesetze erzielt werden kann. An Stelle
von (18) tritt dann einfach

   '
d t =  d t,

woraus mit Rücksicht auf Jakobis Satz folgt

|    '|
||@-xs-|| = 1.
|@ xm |
(19)

Bei dieser Koordinatenwahl sind also nur Substitutionen der
Koordinaten von der Determinante 1 zulässig.

Es wäre aber irrtümlich, zu glauben, daß dieser Schritt
einen partiellen Verzicht auf das allgemeine Relativitäts-
postulat bedeute. Wir fragen nicht: ,,Wie heißen die Natur-
gesetze, welche gegenüber allen Transformationen von der
Determinante 1 kovariant sind?“ Sondern wir fragen: ,,Wie
heißen die allgemein kovarianten Naturgesetze?“ Erst nach-
dem wir diese aufgestellt haben, vereinfachen wir ihren Aus-
druck durch eine besondere Wahl des Bezugssystems.

Bildung neuer Tensoren vermittelst des Fundamentaltensors.
Durch innere, äußere und gemischte Multiplikation eines
Tensors mit dem Fundamentaltensor entstehen Tensoren
anderen Charakters und Ranges.

Beispiele:

Am =  gms As,
            mn
A  =  gm n A  .

Besonders sei auf folgende Bildungen hingewiesen:

Am n = gma gnb Aa b,
                 a b
Am n = gm a g nb A

(,,Ergänzung“ des kovarianten bzw. kontravarianten Tensors)
und

Bm n = gmn ga b Aa b.

Wir nennen Bmn den zu Amn gehörigen reduzierten Tensor.
Analog

Bm n = gmn g    Aab.
            a b

Es sei bemerkt, daß gmn nichts anderes ist als die Ergänzung
von g mn. Denn man hat

gma g nb g ab = g ma dan = gm n.

§ 9. Gleichung der geodätischen Linie (bzw. der Punkt-
bewegung).

Da das ,,Linienelement“ d s eine unabhängig vom Koordi-
natensystem definierte Größe ist, hat auch die zwischen zwei
Punkten P1 und P2 des vierdimensionalen Kontinuums ge-
zogene Linie, für welche  integral d s ein Extremum ist (geodätische
Linie), eine von der Koordinatenwahl unabhängige Bedeutung.
Ihre Gleichung ist

 {  P integral 2    }
d     d s   =  0.

   P1
(20)

Aus dieser Gleichung findet man in bekannter Weise durch
Ausführung der Variation vier totale Differentialgleichungen,
welche diese geodätische Linie bestimmen; diese Ableitung
soll der Vollständigkeit halber hier Platz finden. Es sei c eine
Funktion der Koordinaten xn; diese definiert eine Schar von
Flächen, welche die gesuchte geodätische Linie sowie alle ihr
unendlich benachbarten, durch die Punkte P1 und P2 gezoge-
nen Linien schneiden. Jede solche Kurve kann dann dadurch
gegeben gedacht werden, daß ihre Koordinaten xn in Funk-
tion von c ausgedrückt werden. Das Zeichen d entspreche
dem Übergang von einem Punkte der gesuchten geodätischen

Linie zu demjenigen Punkte einer benachbarten Kurve, welcher
zu dem nämlichen c gehört. Dann läßt sich (20) durch

   integral c2
     d w d c = 0
{
  c1
    2      d xm d xn
  w  =  gmn----------
            d c d c
(20a)

ersetzen. Da aber

         {                                   (     )}
d w =  1-  1-@-gm-nd-xm-d-xn-d xs + g mnd-xm-d d-xn-   ,
       w   2  @ xs  d c d c             d c    d c

so erhält man nach Einsetzen von d w in (20a) mit Rücksicht
darauf, daß

  (     )
    d-xn-    d-d-xn
d   d c   =   d c  ,

nach partieller Integration

   integral c2
     d c xs d xs = 0
{
  c1        {         }
        -d-- g-mn d xm-    -1--@ g-mnd-xm-d-xn
  xs =  d c   w   @ c   -  2w  @ x   d c  d c .
                                  s
(20b)

Hieraus folgt wegen der freien Wählbarkeit der d xs das Ver-
schwinden der xs. Also sind

xs = 0
(20c)

die Gleichungen der geodätischen Linie. Ist auf der betrach-
teten geodätischen Linie nicht d s = 0, so können wir als
Parameter c die auf der geodätischen Linie gemessene ,,Bogen-
länge“ s wählen. Dann wird w = 1, und man erhält an Stelle
von (20c)

    d2 x    @ g   d x  d x    1 @ g   d x  d x
gm n----m2-+ ----mn----s---m-- ------mn---m----n-= 0,
     d s     @ xs  d c  d c   2  @ xs  d c d c

oder durch bloße Änderung der Bezeichnungsweise

             |_      _| 
      2       m n
g   d--xa-+     s   d-xmd-xn-=  0,
  as d s2    |_      _|  d s d s
(20d)

wobei nach Christoffel gesetzt ist

 |_     _| 
  m n       (                        )
   s   =  1-  @-gms-+  @-gns--  @ g-mn .
 |_     _|    2    @ xn    @ xm     @ xs
(21)

Multipliziert man endlich (20d) mit gst (äußere Multiplikation
bezüglich t, innere bezüglich s), so erhält man schließlich als
endgültige Form der Gleichung der geodätischen Linie

  2     {  m n}
d--xt-+     t    d xm-d-xn-= 0.
 d s2            d s  d s
(22)

Hierbei ist nach Christoffel gesetzt

               |_     _| 
{ m n }         m n
    t   =  gta |_  a  _|  .
(23)

§ 10. Die Bildung von Tensoren durch Differentiation.

Gestützt auf die Gleichung der geodätischen Linie können
wir nun leicht die Gesetze ableiten, nach welchen durch Diffe-
rentiation aus Tensoren neue Tensoren gebildet werden können.
Dadurch werden wir erst in den Stand gesetzt, allgemein ko-
variante Differentialgleichungen aufzustellen. Wir erreichen
dies Ziel durch wiederholte Anwendung des folgenden ein-
fachen Satzes.

Ist in unserem Kontinuum eine Kurve gegeben, deren
Punkte durch die Bogendistanz s von einem Fixpunkt auf
der Kurve charakterisiert sind, ist ferner f eine invariante
Raumfunktion, so ist auch d f/ d s eine Invariante. Der Be-
weis liegt darin, daß sowohl df als auch ds Invariante sind.

Da

d f    @ f d x
----=  -------m-,
d s    @ xm d s

so ist auch

     @ f  d x
y =  --------m-
     @ xm d s

eine Invariante, und zwar für alle Kurven, die von einem
Punkte des Kontinuums ausgehen, d. h. für beliebige Wahl
des Vektors der d xm. Daraus folgt unmittelbar, daß

Am =  @-f--
      @ xm
(24)

ein kovarianter Vierervektor ist (Gradient von f).

Nach unserem Satze ist ebenso der auf einer Kurve ge-
nommene Differentialquotient

     d y
x =  ----
     d s

eine Invariante. Durch Einsetzen von f erhalten wir zunächst

       @2 f   d xm d xn    @ f d 2 xm
x =  @-x--@-x--d-s--d s-+ @-x---d-s2-.
        m    n                m

Hieraus läßt sich zunächst die Existenz eines Tensors
nicht ableiten. Setzen wir nun aber fest, daß die Kurve,

auf welcher wir differenziiert haben, eine geodätische Kurve
sei, so erhalten wir nach (22) durch Ersetzen von d2 x n/ d s2

                     m n
     { --@2-f----  {     } -@-f-} d-xm-d-xn-
x =    @ x  @ x  -     t   @ x     d s  d s .
          m    n              t

Aus der Vertauschbarkeit der Differentiationen nach m
und n und daraus, daß gemäß (23) und (21) die Klammer  mn
{ t }
bezüglich m und n symmetrisch ist, folgt, daß der Klammer-
ausdruck in m und n symmetrisch ist. Da man von einem
Punkt des Kontinuums aus in beliebiger Richtung eine geo-
dätische Linie ziehen kann, d xm/ d s also ein Vierervektor mit
frei wählbarem Verhältnis der Komponenten ist, folgt nach
den Ergebnissen des § 7, daß

          @2 f      { m n}  @ f
Am n = -----------     t    -----:
       @ xm @ xm            @ xt
(25)

ein kovarianter Tensor zweiten Ranges ist. Wir haben also
das Ergebnis gewonnen: Aus dem kovarianten Tensor ersten
Ranges

      @ f
Am =  -----
      @ xm

können wir durch Differentiation einen kovarianten Tensor
zweiten Ranges

               { m n }
A    = @-Am- -     t   A
  mn    @ xn             t
(26)

bilden. Wir nennen den Tensor Amn die ,,Erweiterung“ des
Tensors Am. Zunächst können wir leicht zeigen, daß diese
Bildung auch dann auf einen Tensor führt, wenn der Vektor Am
nicht als ein Gradient darstellbar ist. Um dies einzusehen,
bemerken wir zunächst, daß

  @ f
y @-x--
     m

ein kovarianter Vierervektor ist, wenn f und f Skalare sind.
Dies ist auch der Fall für eine aus vier solchen Gliedern be-
stehende Summe

          @ f(1)             @ f(4)
Sm =  y(1)------+ .+  .+ y(4)------,
          @ xm                @ xm

falls y(1) f(1)....y(4) f(4) Skalare sind. Nun ist aber klar, daß
sich jeder kovariante Vierervektor in der Form Sm darstellen
läßt. Ist nämlich Am ein Vierervektor, dessen Komponenten

beliebig gegebene Funktionen der xn sind, so hat man nur
(bezüglich des gewählten Koordinatensystems) zu setzen

y(1) = A1,           f(1) = x1,
 (2)                   (2)
y   = A2,            f    = x2,
y(3) = A3,           f(3) = x3,
 (4)                   (4)
y   = A4,            f    = x4,

um zu erreichen, daß Sm gleich Am wird.

Um daher zu beweisen, daß Amn ein Tensor ist, wenn auf
der rechten Seite für Am ein beliebiger kovarianter Vierer-
vektor eingesetzt wird, brauchen wir nur zu zeigen, daß dies
für den Vierervektor Sm zutrifft. Für letzteres ist es aber,
wie ein Blick auf die rechte Seite von (26) lehrt, hinreichend,
den Nachweis für den Fall

        @ f
Am =  y -----
        @ xm

zu führen. Es hat nun die mit y multiplizierte rechte Seite
von (25)

                m n
    @2 f     {     }    @ f
y ----------     t   y  -----
  @xm @ xn              @ xt

Tensorcharakter. Ebenso ist

 @ y  @ f
----------
 @ xm@ xn

ein Tensor (äußeres Produkt zweier Vierervektoren). Durch
Addition folgt der Tensorcharakter von

     (       )   {  m n} (       )
--@--   -@-f-                @-f--
@ xn   y@ xm   -     t     y @ xt  .

Damit ist, wie ein Blick auf (26) lehrt, der verlangte Nachweis
für den Vierervektor

y -@-f-,
  @ xm

und daher nach dem vorhin Bewiesenen für jeden beliebigen
Vierervektor Am geführt. --

Mit Hilfe der Erweiterung des Vierervektors kann man
leicht die ,,Erweiterung“ eines kovarianten Tensors beliebigen
Ranges definieren; diese Bildung ist eine Verallgemeinerung
der Erweiterung des Vierervektors. Wir beschränken uns auf
die Aufstellung der Erweiterung des Tensors zweiten Ranges,
da dieser das Bildungsgesetz bereits klar übersehen läßt.

Wie bereits bemerkt, läßt sich jeder kovariante Tensor
zweiten Ranges darstellen1) als eine Summe von Tensoren
vom Typus A m Bn. Es wird deshalb genügen, den Ausdruck
der Erweiterung für einen solchen speziellen Tensor abzuleiten.
Nach (26) haben die Ausdrücke

@ A    {  s m}
---m--     t    At,
@ xs

          s n
@-Bn-  {     }
@ xs -     t   Bt

Tensorcharakter. Durch äußere Multiplikation des ersten mit
Bn, des zweiten mir Am erhält man je einen Tensor dritten
Ranges; deren Addition ergibt den Tensor dritten Ranges

                 { s m }        { s n}
Am ns = @-Am-n -     t   At n-     t    Am t,
         @ xs
(27)

wobei Amn = Am Bn gesetzt ist. Da die rechte Seite von (27)
linear und homogen ist bezüglich der Amn und deren ersten
Ableitungen, führt dieses Bildungsgesetz nicht nur bei einem
Tensor vom Typus Am Bn, sondern auch bei einer Summe
solcher Tensoren, d. h. bei einem beliebigen kovarianten
Tensor zweiten Ranges, zu einem Tensor. Wir nennen Amn s
die Erweiterung des Tensors Amn.

Es ist klar, daß (26) und (24) nur spezielle Fälle von (27)
sind (Erweiterung des Tensors ersten bzw. nullten Ranges).
Überhaupt lassen sich alle speziellen Bildungsgesetze von
Tensoren auf (27) in Verbindung mit Tensormultiplikationen
auffassen.

§ 11. Einige Spezialfälle von besonderer Bedeutung.

Einige den Fundamentaltensor betreffende Hilfssätze. Wir
leiten zunächst einige im folgenden viel gebrauchte Hilfs-

----------

1) Durch äußere Multiplikation der Vektoren mit den (beliebig
gegebenen) Komponenten A11, A12, A13, A14 bzw. 1, 0, 0, 0 entsteht
ein Tensor mit den Komponenten

A11 A12  A13 A14
  0   0   0    0

  0   0   0    0
  0   0   0    0

Durch Addition von vier Tensoren von diesem Typus erhält man den
Tensor Amn mit beliebig vorgeschriebenen Komponenten.

gleichungen ab. Nach der Regel von der Differentiation der
Determinanten ist

d g = gm n g d g  = - g   g d gmn.
               mn      m n
(28)

Die letzte Form rechtfertigt sich durch die vorletzte, wenn
man bedenkt, daß gmn gm'n = d mm', daß also g mn gmn = 4, folglich

g   d gmn + gmn d g   = 0.
 mn                mn

Aus (28) folgt

        V~ ---
--1--@-----g   1-@-1g-(--g)   1- mn @-gmn-    1-    @-gmn-
 V~  -g @ xs   = 2    @ xs    = 2 g   @ xs  = - 2 gm n@ xs  .
(29)

Aus

g ms gn s = dmn

folgt ferner durch Differentiation

             g   d gns =  -gn s d g
{             m s                 m s
                 @-gns-     n s@-gms-
     bzw.    gm s@ xc  = - g   @ xc  .
(30)

Durch gemischte Multiplikation mit gst bzw. g nc erhält man
hieraus (bei geänderter Bezeichnungsweise der Indizes)

           d gmn = - gma gn b d ga b,
{             mn                ab
           @-g---= - gma gn b@-g---
           @ xs              @ xs
(31)

bzw.

           d gmn = - gm a g nb d ga b
{                               ab
          @-g-mn = - gma g nb@-g---.
           @ xs               @ xs
(32)

Die Beziehung (31) erlaubt eine Umformung, von der wir
ebenfalls öfter Gebrauch zu machen haben. Gemäß (21) ist

          |_     _|    |_      _| 
           a s      b s
@-ga-b
 @ x  =   |_  b  _|  +  |_  a  _|  .
    s
(33)

Setzt man dies in die zweite der Formeln (31) ein, so erhält
man mit Rücksicht auf (23)

           (                          )
                 { t s}       {  t s}
@-gm-n = -   gmt    n    + gnt    m
 @ xa
(34)

Durch Substitution der rechten Seite von (34) in (29) ergibt sich

  1   @  V~ --g   { m s}
 V~ --- -------=     m    .
  - y  @ xs
(29a)

Divergenz des kontravarianten Vierervektors. Multipliziert
man (26) mit dem kontravarianten Fundamentaltensor gmn
(innere Multiplikation), so nimmt die rechte Seite nach Um-
formung des ersten Gliedes zunächst die Form an

                    mn         (   ma                 )
-@--  mn         @g---   1- ta   @g---   @gna-  @g-mn    mn
@xn (g  Am) - Am  @xn  - 2 g     @xn  +  @xm  -  @xa    g  At .

Das letzte Glied dieses Ausdruckes kann gemäß (31) und (29)
in die Form

                                   V~ --
1-@-gt-n     1-@-gtm-     --1-- @----g- mn
2  @ xn At + 2  @ xm At +  V~  --g @ xa  g   At.

gebracht werden. Da es auf die Benennung der Summations-
indizes nicht ankommt, heben sich die beiden ersten Glieder
dieses Ausdruckes gegen das zweite des obigen weg; das letzte
läßt sich mit dem ersten des obigen Ausdruckes vereinigen.
Setzt man noch

gmn Am = An,

wobei An ebenso wie A m ein frei wählbarer Vektor ist, so er-
hält man endlich

P  =  V~ -1---@--( V~  -g-An) .
       - g@ xn
(35)

Dieser Skalar ist die Divergenz des kontravarianten Vierer-
vektors An.

,,Rotation“ des (kovarianten) Vierervektors. Das zweite
Glied in (26) ist in den Indizes m und n symmetrisch. Es ist
deshalb Amn -Anm ein besonders einfach gebauter (anti-
symmetrischer) Tensor. Man erhält

        @-Am-   @ An-
Bm n =  @ x  -  @ x  .
           n       m
(36)

Antisymmetrische Erweiterung eines Sechservektors. Wendet
man (27) auf einen antisymmetrischen Tensor zweiten Ranges
Amn an, bildet hierzu die beiden durch zyklische Vertauschung
der Indizes m, n, s entstehenden Gleichungen und addiert
diese drei Gleichungen, so erhält man den Tensor dritten
Ranges

                                @-Am-n   @-An-s   @-Asm-
Bm n s = Am ns + Ansm + Asm n =  @ xs  +  @ xm  +  @ xn  ,
(37)

von welchem leicht zu beweisen ist, daß er antisymmetrisch ist.

Divergenz des Sechservektors. Multipliziert man (27) mit
gma gn b (gemischte Multiplikation), so erhält man ebenfalls

einen Tensor. Das erste Glied der rechten Seite von (27) kann
man in der Form

-@--- m a  nb         ma @-gnb-       nb @-gma-
@ xs(g   g   Am n) - g   @ xs Am n - g   @ xa Am n

schreiben. Ersetzt man gma gn b A mn s durch Asab, gma gn b A mn durch
Aab und ersetzt man in dem umgeformten ersten Gliede

@-gnb-       @-gma-
@ xs   und    @ xs

vermittelst (34), so entsteht aus der rechten Seite von (27)
ein siebengliedriger Ausdruck, von dem sich vier Glieder weg-
heben. Es bleibt übrig

       @ Aa b   {  s x}        { s x }
Aasb = -------+     a    Axb +     b   Aax .
        @ xs
(38)

Es ist dies der Ausdruck für die Erweiterung eines kontra-
varianten Tensors zweiten Ranges, der sich entsprechend auch
für kontravariante Tensoren höheren und niedrigeren Ranges
bilden läßt.

Wir merken an, daß sich auf analogem Wege auch die
Erweiterung eines gemischten Tensors Ama bilden läßt:

          a    { s m}       {  s t}
Aa  =  @-Am--     t    Aa +     a   At  .
 m s   @ xs             t             m
(39)

Durch Verjüngung von (38) bezüglich der Indizes b und s
(innere Multiplikation mit dbs) erhält man den kontravarianten
Vierervektor

         a b   { b x }        { b x}
Aa =  @-A----+    b    Aa x +    a    Ax b.
       @ xb
                  n

Wegen der Symmetrie von {   }
 b x
  a bezüglich der Indizes b und xx
verschwindet das dritte Glied der rechten Seite, falls Aab ein
antisymmetrischer Tensor ist, was wir annehmen wollen; das
zweite Glied läßt sich gemäß (29a) umformen. Man erhält also

        1  @ ( V~  --g Aa b)
Aa =   V~ -----------------.
        - g     @ xb
(40)

Dies ist der Ausdruck der Divergenz eines kontravarianten
Sechservektors.

Divergenz des gemischten Tensors zweiten Ranges. Bilden
wir die Verjüngung von (39) bezüglich der Indizes a und s,
so erhalten wir mit Rücksicht auf (29a)

             ( V~ ---   s)   { s m }
 V~  -g-A =  @------g-A-m--     t     V~  --g As .
       m       @ xs                       t
(41)

Führt man im letzten Gliede den kontravarianten Tensor
Ars = grt A ts ein, so nimmt es die Form an

    |_     _| 
    s m
           V~ ---  rs
-   |_  r  _|   -g A   .

Ist ferner der Tensor Ars ein symmetrischer, so reduziert sich
dies auf

  1 V~ --- @-grs- r s
- 2  - g @ xm  A   .

Hätte man statt Ars den ebenfalls symmetrischen kovarianten
Tensor Ars = gra gsb Aab eingeführt, so würde das letzte Glied
vermöge (31) die Form

   V~ --- @ grs
12  - g ------Ars
       @ xm

annehmen. In dem betrachteten Symmetriefalle kann also
(41) auch durch die beiden Formen

              ( V~ ---   )
 V~ ---      @     -g Asm    1 @ gr s V~ ---  rs
  - g Am = ------------- - --------  - g A
               @ xs        2  @ xm
(41a)

und

              ( V~ ---  s)        r s
 V~  --g Am = @------g A-m-+ 1-@-g--- V~  --g Asr
                @ xs       2  @ xm
(41b)

ersetzt werden, von denen wir im folgenden Gebrauch zu
machen haben.

§ 12. Der Riemann-Christoffelsche Tensor.

Wir fragen nun nach denjenigen Tensoren, welche aus
dem Fundamentaltensor der gmn allein durch Differentiation
gewonnen werden können. Die Antwort scheint zunächst auf
der Hand zu liegen. Man setzt in (27) statt des beliebig ge-
gebenen Tensors Amn den Fundamentaltensor der gmn ein und
erhält dadurch einen neuen Tensor, nämlich die Erweiterung
des Fundamentaltensors. Man überzeugt sich jedoch leicht,
daß diese letztere identisch verschwindet. Man gelangt jedoch
auf folgendem Wege zum Ziel. Man setze in (27)

                 m n
       @-Am-   {    }
Am n = @ x  -     r    Ar ,
          n

d. h. die Erweiterung des Vierervektors An ein. Dann erhält
man (bei etwas geänderter Benennung der Indizes) den Tensor
dritten Ranges

          @2 A
Am st =  ------m---
         @ xs @ xt
        { m s }         { m t }         { s t}
                @-Ar-           @-Ar-           @-Am-
      -     r    @ xt -     r   @ xs -     r    @ xr

         |_                                                     _| 
             @  {  m s}    { m t}  { a s }   {  s t}  { a m}
      +  |_ ------    r    +     a       r   +     a       r    _|  Ar .
           @ xt

Dieser Ausdruck ladet zur Bildung des Tensors Ams t - Amts
ein. Denn dabei heben sich folgende Terme des Ausdruckes
für Ams t gegen solche von Amt s weg: das erste Glied, das vierte
Glied, sowie das dem letzten Term in der eckigen Klammer
entsprechende Glied; denn alle diese sind in s und t symme-
trisch. Gleiches gilt von der Summe des zweiten und dritten
Gliedes. Wir erhalten also

                 r
Am st-  Amts = B mst Ar,
(42)

                    m s             m t
    r         @   {    }      @  {     }
   Bms t = - @-x--   r    + @-x--    r
                t               s
{
             { m s } {  a t}    { m t}  { a s}
           -     a       r   +     a       r    .
(43)

Wesentlich ist an diesem Resultat, daß auf der rechten Seite
von (42) nur die Ar, aber nicht mehr ihre Ableitungen auf-
treten. Aus dem Tensorcharakter von Ams t - Amt s in Ver-
bindung damit, daß Ar ein frei wählbarer Vierervektor ist,
folgt, vermöge der Resultate des § 7, daß Bms tr ein Tensor
ist (Riemann-Christoffelscher Tensor).

Die mathematische Bedeutung dieses Tensors liegt im
folgenden. Wenn das Kontinuum so beschaffen ist, daß es
ein Koordinatensystem gibt, bezüglich dessen die gmn Kon-
stanten sind, so verschwinden alle Rms tr. Wählt man statt des
ursprünglichen Koordinatensystems ein beliebiges neues, so
werden die auf letzteres bezogenen gmn nicht Konstanten sein.
Der Tensorcharakter von Rms tr bringt es aber mit sich, daß
diese Komponenten auch in dem beliebig gewählten Bezugs-
system sämtlich verschwinden. Das Verschwinden des Rie-
mannschen Tensors ist also eine notwendige Bedingung dafür,
daß durch geeignete Wahl des Bezugssystems die Konstanz

der gmn herbeigeführt werden kann.1) In unserem Problem
entspricht dies dem Falle, daß bei passender Wahl des Ko-
ordinatensystems in endlichen Gebieten die spezielle Rela-
tivitätstheorie gilt.

Durch Verjüngung von (43) bezüglich der Indizes t und r
erhält man den kovarianten Tensor zweiten Ranges

   Bm n = Rm n + Sm n
                    m n       m a     n b
              @  {     }    {     } {     }
   Rm n = - @-x--    a   +     b        a
{               a

               V~ ---   {  m n}       V~ ---
   Sm n = @-lg----g--     a    @-lg-----g-.
          @ xm @ xn              @ xa
(44)

Bemerkung über die Koordinatenwahl. Es ist schon in § 8
im Anschluß an Gleichung (18a) bemerkt worden, daß die
Koordinatenwahl mit Vorteil so getroffen werden kann, daß
 V~  --g = 1 wird. Ein Blick auf die in den beiden letzten Para-
graphen erlangten Gleichungen zeigt, daß durch eine solche
Wahl die Bildungsgesetze der Tensoren eine bedeutende Ver-
einfachung erfahren. Besonders gilt dies für den soeben ent-
wickelten Tensor Bmn, welcher in der darzulegenden Theorie
eine fundamentale Rolle spielt. Die ins Auge gefaßte Speziali-
sierung der Koordinatenwahl bringt nämlich das Ver-
schwinden von Smn mit sich, so daß sich der Tensor Bmn auf
Rmn reduziert.

Ich will deshalb im folgenden alle Beziehungen in der
vereinfachten Form angeben, welche die genannte Speziali-
sierung der Koordinatenwahl mit sich bringt. Es ist dann
ein Leichtes, auf die allgemein kovarianten Gleichungen zu-
rückzugreifen, falls dies in einem speziellen Falle erwünscht
erscheint.

C. Theorie des Gravitationsfeldes.

§ 13. Bewegungsgleichung des materiellen Punktes
im Gravitationsfeld.
Ausdruck für die Feldkomponenten der Gravitation.

Ein frei beweglicher, äußeren Kräften nicht unterworfener
Körper bewegt sich nach der speziellen Relativitätstheorie
geradlinig und gleichförmig. Dies gilt auch nach der allgemeinen
----------

1) Die Mathematiker haben bewiesen, daß diese Bedingung auch
eine hinreichende ist.

Relativitätstheorie für einen Teil des vierdimensionalen Raumes,
in welchem das Koordinatensystem K0 so wählbar und so
gewählt ist, daß die gmn die in (4) gegebenen speziellen kon-
stanten Werte haben.

Betrachten wir eben diese Bewegung von einem beliebig
gewählten Koordinatensystem K1 aus, so bewegt er sich von
K1 aus, beurteilt nach den Überlegungen des § 2 in einem
Gravitationsfelde. Das Bewegungsgesetz mit Bezug auf K1
ergibt sich leicht aus folgender Überlegung. Mit Bezug auf
K0 ist das Bewegungsgesetz eine vierdimensionale Gerade,
also eine geodätische Linie. Da nun die geodätische Linie
unabhängig vom Bezugssystem definiert ist, wird ihre Glei-
chung auch die Bewegungsgleichung des materiellen Punktes
in bezug auf K1 sein. Setzen wir

         { m n }
  t          t
G mn = -         ,
(45)

so lautet also die Gleichung der Punktbewegung inbezug auf K1

d2 xt       d xn d xn
----2-= Gtmn----------.
 d s         d s d s
(46)

Wir machen nun die sehr naheliegende Annahme, daß dieses
allgemein kovariante Gleichungssystem die Bewegung des
Punktes im Gravitationsfeld auch in dem Falle bestimmt,
daß kein Bezugssystem K0 existiert, bezüglich dessen in end-
lichen Räumen die spezielle Relativitätstheorie gilt. Zu dieser
Annahme sind wir um so berechtigter, als (46) nur erste Ab-
leitungen der gmn enthält, zwischen denen auch im Spezial-
falle der Existenz von K0 keine Beziehungen bestehen.1)

Verschwinden die Gmnt, so bewegt sich der Punkt gerad-
linig und gleichförmig; diese Größen bedingen also die Ab-
weichung der Bewegung von der Gleichförmigkeit. Sie sind
die Komponenten des Gravitationsfeldes.

§ 14. Die Feldgleichungen der Gravitation bei Abwesenheit
von Materie.

Wir unterscheiden im folgenden zwischen ,,Gravitations-
feld“ und ,,Materie“, in dem Sinne, daß alles außer dem
Gravitationsfeld als ,,Materie“ bezeichnet wird, also nicht nur
----------

1) Erst zwischen den zweiten (und ersten) Ableitungen bestehen
gemäß § 12 die Beziehungen Bms tr = 0.

die ,,Materie“ im üblichen Sinne, sondern auch das elektro-
magnetische Feld.

Unsere nächste Aufgabe ist es, die Feldgleichungen der
Gravitation bei Abwesenheit von Materie aufzusuchen. Dabei
verwenden wir wieder dieselbe Methode wie im vorigen Para-
graphen bei der Aufstellung der Bewegungsgleichung des
materiellen Punktes. Ein Spezialfall, in welchem die gesuchten
Feldgleichungen jedenfalls erfüllt sein müssen, ist der der
ursprünglichen Relativitätstheorie, in dem die gmn gewisse
konstante Werte haben. Dies sei der Fall in einem gewissen
endlichen Gebiete in bezug auf ein bestimmtes Koordinaten-
system K0. In bezug auf dies System verschwinden sämtliche
Komponenten Bms tr des Riemannschen Tensors [Gleichung (43)].
Diese verschwinden dann für das betrachtete Gebiet auch be-
züglich jedes anderen Koordinatensystems.

Die gesuchten Gleichungen des materiefreien Gravitations-
feldes müssen also jedenfalls erfüllt sein, wenn alle Bms tr ver-
schwinden. Aber diese Bedingung ist jedenfalls eine zu weit-
gehende. Denn es ist klar, daß z. B. das von einem Massen-
punkte in seiner Umgebung erzeugte Gravitationsfeld sicher-
lich durch keine Wahl des Koordinatensystems ,,wegtrans-
formiert“, d. h. auf den Fall konstanter gmn transformiert
werden kann.

Deshalb liegt es nahe, für das materiefreie Gravitations-
feld das Verschwinden des aus dem Tensor Bms tr abgeleiteten
symmetrischen Tensors B mn zu verlangen. Man erhält so
10 Gleichungen für die 10 Größen gmn, welche im speziellen
erfüllt sind, wenn sämtliche Bms tr verschwinden. Diese Glei-
chungen lauten mit Rücksicht auf (44) bei der von uns ge-
troffenen Wahl für das Koordinatensystem für das materie-
freie Feld

   @ Ga
{  ---mn-+ Gamb Gbna = 0
   @ xa    V~ ---
            -g = 1.
(47)

Es muß darauf hingewiesen werden, daß der Wahl dieser
Gleichungen ein Minimum von Willkür anhaftet. Denn es
gibt außer Bmn keinen Tensor zweiten Ranges, der aus den

gmn und deren Ableitungen gebildet ist, keine höheren als
zweite Ableitungen enthält und in letzteren linear ist.1)

Daß diese aus der Forderung der allgemeinen Relativität
auf rein mathematischem Wege fließenden Gleichungen in
Verbindung mit den Bewegungsgleichungen (46) in erster Nähe-
rung das Newtonsche Attraktionsgesetz, in zweiter Nähe-
rung die Erklärung der von Leverrier entdeckten (nach
Anbringung der Störungskorrektionen übrigbleibenden) Perihel-
bewegung des Merkur liefern, muß nach meiner Ansicht von
der physikalischen Richtigkeit der Theorie überzeugen.

§ 15. Hamiltonsche Funktion für das Gravitationsfeld,
Impulsenergiesatz.

Um zu zeigen, daß die Feldgleichungen dem Impuls-
energiesatz entsprechen, ist es am bequemsten, sie in folgender
Hamilton scher Form zu schreiben:

    {  integral        }

   d     H  d t  =  0
{        mn  a    b
   H =  g-- Gmb G na
       V~  - g = 1 .
(47a)

Dabei verschwinden die Variationen an den Grenzen des be-
trachteten begrenzten vierdimensionalen Integrationsraumes.

Es ist zunächst zu zeigen, daß die Form (47a) den Glei-
chungen (47) äquivalent ist. Zu diesem Zweck betrachten
wir H als Funktion der gmn und der

    (        )
 mn     @-gmn-
gs   =  @ xs    .

Dann ist zunächst

dH  = Gam b Gbna d gm n + 2gmn Gamb d Gbna
         a    b    m n     a    ( mn  b  )
    = - Gm b G na d g + 2G mb d  g   Gn a .

Nun ist aber

 (        )        [        (             ac        )]
d gm n Gbna = - 1 d gm n gb c @-gnc-+ @-g----  @-gan-   .
                2              @ xa    @ xn    @ xc

----------

1) Eigentlich läßt sich dies nur von dem Tensor Bmn + c gmn(gab B ab)
behaupten, wobei c eine Konstante ist. Setzt man jedoch diesen = 0,
so kommt man wieder zu den Gleichungen Bmn = 0.

Die aus den beiden letzten Termen der runden Klammer hervor-
gehenden Terme sind von verschiedenem Vorzeichen und
gehen auseinander (da die Benennung der Summationsindizes
belanglos ist) durch Vertauschung der Indizes m und b hervor.
Sie heben einander im Ausdruck für dH weg, weil sie mit
der bezüglich der Indizes m und b symmetrischen Größe Gmba
multipliziert werden. Es bleibt also nur das erste Glied der
runden Klammer zu berücksichtigen, so daß man mit Rück-
sicht auf (31) erhält

dH   =  - Ga  Gb d gmn -  Ga  dgm b .
           m b na          m b   a

Es ist also

     @ H
     --m-n-=  - Gam b Gbn a
{    @ g
     @-H---    s
     @ gms n = G mn .
(48)

Die Ausführung der Variation in (47a) ergibt zunächst das
Gleichungssystem

    (       )
-@--  -@-H--  -  -@-H-- = 0 ,
@xa   @ gman      @ gmn
(47b)

welches wegen (48) mit (47) übereinstimmt, was zu beweisen
war. -- Multipliziert man (47b) mit gamn, so erhält man, weil

   mn       mn
@-gs--=  @-ga--
@ xa      @ xs

und folglich

      @   ( @ H  )      @   (     @ H  )     @ H  @ gmn
gms n -----  ---mn-  =  ----- gms n---m-n  -  ---m-n---a--
     @ xa   @ ga       @ xa      @ ga       @ ga   @ xs

die Gleichung

  @  (      @ H  )   @ H
-----  gmsn ---mn-  - -----=  0
@ xa       @ ga      @ xs

oder1)

                a
             @-ts-= 0
{            @ xa
                   @ H
    - 2 x tas = gmsn---m-n-  das H,
                  @ ga
(49)

----------

1) Der Grund der Einführung des Faktors -2 x wird später deut-
lich werden.

oder, wegen (48), der zweiten Gleichung (47) und (34)

x tas  =  1das gmn Gam b Gbna- gm n Gamb Gbns .
        2
(50)

Es ist zu beachten, daß tsa kein Tensor ist; dagegen gilt
(49) für alle Koordinatensysteme, für welche  V~ ----
   -g = 1 ist.
Diese Gleichung drückt den Erhaltungssatz des Impulses und
der Energie für das Gravitationsfeld aus. In der Tat liefert
die Integration dieser Gleichung über ein dreidimensionales
Volumen V die vier Gleichungen

    {  integral        }     integral 
-d--    t 4d V   =     (t 1 a  +  t2 a  +  t 3 a )d S ,
dx4      s               s   1    s   2     s   3
(49a)

wobei a1, a2, a3 der Richtungskosinus der nach innen ge-
richteten Normale eines Flächenelementes der Begrenzung
von der Größe dS (im Sinne der euklidischen Geometrie) be-
deuten. Man erkennt hierin den Ausdruck der Erhaltungs-
sätze in üblicher Fassung. Die Größen tsa bezeichnen wir als
die ,,Energiekomponenten“ des Gravitationsfeldes.

Ich will nun die Gleichungen (47) noch in einer dritten
Form angeben, die einer lebendigen Erfassung unseres Gegen-
standes besonders dienlich ist. Durch Multiplikation der
Feldgleichungen (47) mit gn s ergeben sich diese in der ,,ge-
mischten“ Form. Beachtet man, daß

 ns @-Gamn-    -@---( ns a  )    @ gn-s a
g    @ x   =  @ x   g  Gm n  -  @ x  G mn ,
        a        a                 a

welche Größe wegen (34) gleich

  @  (        )
----- gn s Gamn - gnb Gsab Gamn -  gsb GnbaGamn ,
@ xa

oder (nach geänderter Benennung der Summationsindizes) gleich

--@--(gs b Ga ) - gm n Gs   Gb  -  gns Ga  Gb  .
@ xa        mb          m b  n m         mb na

Das dritte Glied dieses Ausdrucks hebt sich weg gegen das
aus dem zweiten Glied der Feldgleichungen (47) entstehende;
an Stelle des zweiten Gliedes dieses Ausdruckes läßt sich nach
Beziehung (50)

x (t s -  1d st)
    m     2 m

setzen (t = tsa). Man erhält also an Stelle der Gleichungen (47)

    --@--(gsb Ga ) =  - x (ts  -  1d st)
{   @ xa       mb          m      2 m
                    V~ ---g =  1.
(51)

§ 16. Allgemeine Fassung der Feldgleichungen der Gravitation.

Die im vorigen Paragraphen aufgestellten Feldgleichungen
für materiefreie Räume sind mit der Feldgleichung

D f  = 0

der Newtonschen Theorie zu vergleichen. Wir haben die
Gleichungen aufzusuchen, welche der Poissonschen Gleichung

D f = 4 p xr

entspricht, wobei r die Dichte der Materie bedeutet.

Die spezielle Relativitätstheorie hat zu dem Ergebnis
geführt, daß die träge Masse nichts anderes ist als Energie,
welche ihren vollständigen mathematischen Ausdruck in einem
symmetrischen Tensor zweiten Ranges, dem Energietensor,
findet. Wir werden daher auch in der allgemeinen Relativitäts-
theorie einen Energietensor der Materie Tsa einzuführen haben,
der wie die Energiekomponenten tsa [Gleichungen (49) und (50)]
des Gravitationsfeldes gemischten Charakter haben wird, aber
zu einem symmetrischen kovarianten Tensor gehören wird1).

Wie dieser Energietensor(entsprechend der Dichte r in
der Poissonschen Gleichung) in die Feldgleichungen der
Gravitation einzuführen ist, lehrt das Gleichungssystem (51).
Betrachtet man nämlich ein vollständiges System (z. B. das
Sonnensystem), so wird die Gesamtmasse des Systems, also
auch seine gesamte gravitierende Wirkung, von der Gesamt-
energie des Systems, also von der ponderablen und Gravi-
tationsenergie zusammen, abhängen. Dies wird sich dadurch
ausdrücken lassen, daß man in (51) an Stelle der Energie-
komponenten tms des Gravitationsfeldes allein die Summen
t ms + T ms der Energiekomponenten von Materie und Gravi-
tationsfeld einführt. Man erhält so statt (51) die Tensor-
gleichung

    -@--(gs b Ga ) =  - x [(t s +  T  s)-  1 d s (t + T )]
{   @ xa      m b           m      m      2  m
                          V~ ----
                           - g  =  1,
(52)

wobei T = Tmm gesetzt ist (Lauescher Skalar). Dies sind die
gesuchten allgemeinen Feldgleichungen der Gravitation in ge-
----------

1) gst Tsa = T st und gs b T sa = Tab sollen symmetrische Tensoren
sein.

mischter Form. An Stelle von (47) ergibt sich daraus rück-
wärts das System

      @ Gamn     a    b                  1
{     -@-x-- +  Gn b G na = -  x(Tm n -  2 gmn T),
          a              V~ -----
                           - g =  1.
(53)

Es muß zugegeben werden, daß diese Einführung des
Energietensors der Materie durch das Relativitätspostulat
allein nicht gerechtfertigt wird; deshalb haben wir sie im
vorigen aus der Forderung abgeleitet, daß die Energie des
Gravitationsfeldes in gleicher Weise gravitierend wirken soll,
wie jegliche Energie anderer Art. Der stärkste Grund für
die Wahl der vorstehenden Gleichungen liegt aber darin, daß
sie zur Folge haben, daß für die Komponenten der Total-
energie Erhaltungsgleichungen (des Impulses und der Energie)
gelten, welche den Gleichungen (49) und (49a) genau ent-
sprechen. Dies soll im folgenden dargetan werden.

§ 17. Die Erhaltungssätze im allgemeinen Falle.

Die Gleichung (52) ist leicht so umzuformen, daß auf
der rechten Seite das zweite Glied wegfällt. Man verjünge (52)
nach den Indizes m und s und subtrahiere die so erhaltene,
mit 1 2 dms multiplizierte Gleichung von (52). Es ergibt sich

--@--  sb  a      1   s  cb  a             s       s
@ xa (g   Gm b -  2 @m  g   Gcb)  =  -x (tm  +  Tm  ) .
(52a)

An dieser Gleichung bilden wir die Operation @/ @xs. Es ist

    @2
----------(gsbGamb)
@ xa @ xs                    [        (                          )]
                 1-----@2----  s b  ac  @-gmc-    @-gbc-   @-g-mb
            =  - 2 @ xa @ xs  g   g      @ xb  +  @ xm  -   @ xc     .

Das erste und das dritte Glied der runden Klammer liefern
Beiträge, die einander wegheben, wie man erkennt, wenn
man im Beitrage des dritten Gliedes die Summationsindizes
a und s einerseits, b und c andererseits vertauscht. Das
zweite Glied läßt sich nach (31) umformen, so daß man erhält

     2                         3  ab
----@-----(gsb Ga  ) =  1-----@--g-------.
@ xa @ xs       m b     2 @ xa @ xb @ xm
(54)

Das zweite Glied der linken Seite von (52a) liefert zunächst

          2
-  1----@-----(gc b Ga )
   2 @ xa @ xm       cb

oder

        2   [        (                          )]
1- ---@----- gc bgad   @ g-dc-+ @-g-db -  @-g-cb   .
4  @ xa@ xm            @ xb      @ xc      @ xd

Das vom letzten Glied der runden Klammer herrührende
Glied verschwindet wegen (29) bei der von uns getroffenen
Koordinatenwahl. Die beiden anderen lassen sich zusammen-
fassen und liefern wegen (31) zusammen

   1-----@3ga-b----
-  2 @ x  @ x  @ x ,
        a    b   m

so daß mit Rücksicht auf (54) die Identität

----@2---  s b  a    1   s  cb  a
@ xa @ xs(g   G mb - 2 dm g    Gcb)  =_  0
(55)

besteht. Aus (55) und (52a) folgt

    s      s
@-(tm--+--Tm-)- =  0 .
     @ xs
(56)

Aus unseren Feldgleichungen der Gravitation geht also
hervor, daß den Erhaltungssätzen des Impulses und der Energie
Genüge geleistet ist. Man sieht dies am einfachsten nach
der Betrachtung ein, die zu Gleichung (49a) führt; nur hat
man hier an Stelle der Energiekomponenten tms des Gravi-
tationsfeldes die Gesamtenergiekomponenten von Materie und
Gravitationsfeld einzuführen.

§ 18. Der Impulsenergiesatz für die Materie als Folge der
Feldgleichungen.

Multipliziert man (53) mit @gmn/ @x s, so erhält man auf
dem in § 15 eingeschlagenen Wege mit Rücksicht auf das
Verschwinden von

    @ gmn
g mn------
     @ xs

die Gleichung

@ tsa     1 @ gmn
-----  +  --------Tm n =  0,
 @ xa     2  @ xs

oder mit Rücksicht auf (56)

    a          mn
@-Ts-- +  1-@-g---T    =  0 .
@ xa      2  @ xs   mn
(57)

Ein Vergleich mit (41 b) zeigt, daß diese Gleichung bei
der getroffenen Wahl für das Koordinatensystem nichts anderes

aussagt als das Verschwinden der Divergenz des Tensors der
Energiekomponenten der Materie. Physikalisch zeigt das Auf-
treten des zweiten Gliedes der linken Seite, daß für die Materie
allein Erhaltungssätze des Impulses und der Energie im eigent-
lichen Sinne nicht, bzw. nur dann gelten, wenn die gmn kon-
stant sind, d. h. wenn die Feldstärken der Gravitation ver-
schwinden. Dies zweite Glied ist ein Ausdruck für Impuls
bzw. Energie, welche pro Volumen und Zeiteinheit vom Gravi-
tationsfelde auf die Materie übertragen werden. Dies tritt
noch klarer hervor, wenn man statt (57) im Sinne von (41)
schreibt

     a
@-Ts-- =  -  Ga  T b .
 @ xa         s b a
(57a)

Die rechte Seite drückt die energetische Einwirkung des Gravi-
tationsfeldes auf die Materie aus.

Die Feldgleichungen der Gravitation enthalten also gleich-
zeitig vier Bedingungen, welchen der materielle Vorgang zu
genügen hat. Sie liefern die Gleichungen des materiellen Vor-
ganges vollständig, wenn letzterer durch vier voneinander
unabhängige Differentialgleichungen charakterisierbar ist.1)

D. Die ,,materiellen“ Vorgänge.

Die unter B entwickelten mathematischen Hilfsmittel
setzen uns ohne weiteres in den Stand, die physikalischen
Gesetze der Materie (Hydrodynamik, Maxwellsche Elektro-
dynamik), wie sie in der speziellen Relativitätstheorie formu-
liert vorliegen, so zu verallgemeinern, daß sie in die allgemeine
Relativitätstheorie hineinpassen. Dabei ergibt das allgemeine
Relativitätsprinzip zwar keine weitere Einschränkung der
Möglichkeiten; aber es lehrt den Einfluß des Gravitations-
feldes auf alle Prozesse exakt kennen, ohne daß irgendwelche
neue Hypothese eingeführt werden müßte.

Diese Sachlage bringt es mit sich, daß über die physi-
kalische Natur der Materie (im engeren Sinne) nicht notwendig
bestimmte Voraussetzungen eingeführt werden müssen. Ins-
besondere kann die Frage offen bleiben, ob die Theorie des
elektromagnetischen Feldes und des Gravitationsfeldes zu-
----------

1) Vgl. hierüber D. Hilbert, Nachr. d. K. Gesellsch. d. Wiss. zu
Göttingen, Math.-phys. Klasse. p. 3. 1915.

sammen eine hinreichende Basis für die Theorie der Materie
liefern oder nicht. Das allgemeine Relativitätspostulat kann
uns hierüber im Prinzip nichts lehren. Es muß sich bei dem
Ausbau der Theorie zeigen, ob Elektromagnetik und Gravi-
tationslehre zusammen leisten können, was ersterer allein
nicht gelingen will.

§ 19. Eulersche Gleichungen für reibungslose adiabatische
Flüssigkeiten.

Es seien p und r zwei Skalare, von denen wir ersteren
als den ,,Druck“, letzteren als die ,,Dichte“ einer Flüssigkeit
bezeichnen; zwischen ihnen bestehe eine Gleichung. Der
kontravariante symmetrische Tensor

  ab       ab       d xa  d xb
T    =  - g   p +  r----- -----
                     d s  d s
(58)

sei der kontravariante Energietensor der Flüssigkeit. Zu ihm
gehört der kovariante Tensor

                       d xa-    d-xb-
Tm n =  - gm np +  gma d s  gmb  d s r ,
(58a)

sowie der gemischte Tensor1)

  a        a          d xb d xa
Ts   =  -ds  p +  gsb ----------r .
                      d s  d s
(58b)

Setzt man die rechte Seite von (58b) in (57a) ein, so erhält
man die Eulerschen hydrodynamischen Gleichungen der all-
gemeinen Relativitätstheorie. Diese lösen das Bewegungs-
problem im Prinzip vollständig; denn die vier Gleichungen (57a)
zusammen mit der gegebenen Gleichung zwischen p und r und
der Gleichung

   d xa  d xb
gsb----- -----=  1
    d s  d s

genügen bei gegebenen gab zur Bestimmung der 6 Unbekannten

       d x1  d x2   d x3   d x4
p, r,  ----, ---- , ----,  ---- .
       d s    d s    d s   d s

----------

1) Für einen mitbewegten Beobachter, der im unendlich Kleinen
ein Bezugssystem im Sinne der speziellen Relativitätstheorie benutzt,
ist die Energiedichte T44 gleich r - p. Hierin liegt die Definition von r.
Es ist also r; nicht konstant für eine inkompressible Flüssigkeit.

Sind auch die gmn unbekannt, so kommen hierzu noch die
Gleichungen (53). Dies sind 11 Gleichungen zur Bestimmung
der 10 Funktionen gmn, so daß diese überbestimmt scheinen.
Es ist indessen zu beachten, daß die Gleichungen (57a) in
den Gleichungen (53) bereits enthalten sind, so daß letztere
nur mehr 7 unabhöngige Gleichungen repräsentieren. Diese
Unbestimmtheit hat ihren guten Grund darin, daß die weit-
gehende Freiheit in der Wahl der Koordinaten es mit sich
bringt, daß das Problem mathematisch in solchem Grade
unbestimmt bleibt, daß drei der Raumfunktionen beliebig
gewählt werden können.1)

§ 20. Maxwellsche elektromagnetische Feldgleichungen
für das Vakuum.

Es seien fn die Komponenten eines kovarianten Vierer-
vektors, des Vierervektors des elektromagnetischen Potentials.
Aus ihnen bilden wir gemäß (36) die Komponenten Frs des
kovarianten Sechservektors des elektromagnetischen Feldes
gemäß dem Gleichungssystem

       @ fr     @ fs
Fr s = ----- -  -----.
       @ xs     @ xr
(59)

Aus (59) folgt, daß das Gleichungssystem

@-Frs-+  @-Fst- + @-Ftr- =  0
@ xt      @ xr     @ xr
(60)

erfüllt ist, dessen linke Seite gemäß (37) ein antisymmetrischer
Tensor dritten Ranges ist. Das System (60) enthält also im
wesentlichen 4 Gleichungen, die ausgeschrieben wie folgt lauten:

      @ F23    @ F34    @ F42
      -@ x--+  -@-x--+  @-x---=  0
          4        2        3
      @-F34-+  @-F41-+  @-F13-=  0
{      @ x1     @ x3    @ x4
      @ F41    @ F12    @ F24
      ------+  ------+  ------=  0
       @ x2     @ x4    @ x1
      @-F12-+  @-F23-+  @-F31-=  0 .
       @ x3     @ x1    @ x2
(60a)

----------

1) Bei Verzicht auf die Koordinatenwahl gemäß g = - 1 blieben
vier Raumfunktionen frei wählbar, entsprechend den vier willkürlichen
Funktionen, über die man bei der Koordinatenwahl frei verfügen kann.

Dieses Gleichungssystem entspricht dem zweiten Glei-
chungssystem Maxwells. Man erkennt dies sofort, indem
man setzt

  F   =  h    F   =  e
{  23      x   14     x
  F31 =  hy   F24 =  ey
  F12 =  hz   F34 =  ez .
(61)

Dann kann man statt (60a) in üblicher Schreibweise der drei-
dimensionalen Vektoranalyse setzen

   @ h
{  ----+  rot e =  0
   @ t
       divh  =  0 .
(60b)

Das erste Maxwellsche System erhalten wir durch Ver-
allgemeinerung der von Minkowski angegebenen Form. Wir
führen den zu Fab gehörigen kontravarianten Sechservektor

F mn =  gm a qn b Fa b
(62)

ein sowie den kontravarianten Vierervektor Jm der elektrischen
Vakuumstromdichte; dann kann man das mit Rücksicht auf
(40) gegenüber beliebigen Substitutionen von der Determinante 1
(gemäß der von uns getroffenen Koordinatenwahl) invariante
Gleichungssystem ansetzen:

@-F-mn      m
 @ x   =  J   .
    n
(63)

Setzt man nämlich

   F23 =  hx'  F 14 =  - ex'
{  F31 =  h  ' F 24 =  - e '
    12      y'    34       y'
   F   =  hz   F    =  - ez ,
(64)

welche Größen im Spezialfall der speziellen Relativitätstheorie
den Größen hx . . . . ez gleich sind, und außerdem

 1           2          3          4
J   =  ix,  J   =  iy,  J   =  iz,  J   =  r,

so erhält man an Stelle von (63)

         '    @-e'
{   rot h -   @ t  =  i
            '
       div e  =  r.
(63a)

Die Gleichungen (60), (62) und (63) bilden also die
Verallgemeinerung der Maxwellschen Feldgleichungen des

Vakuums bei der von uns bezüglich der Koordinatenwahl
getroffenen Festsetzung.

Die Energiekomponenten des elektromagnetischen Feldes.
Wir bilden das innere Produkt

xs =  Fsm  Jm .
(65)

Seine Komponenten lauten gemäß (61) in dreidimensionaler
Schreibweise

    x1 =  r ex +  [i, h]x
     .  .  .   .  .  .  .
{
     .  .  .   .  .  .  .
    x  =  -  (i, e) .
     4
(65a)

Es ist xs ein kovarianter Vierervektor, dessen Kompo-
nenten gleich sind dem negativen Impuls bzw. der Energie,
welche pro Zeit- und Volumeinheit auf das elektromagnetische
Feld von den elektrischen Massen übertragen werden. Sind
die elektrischen Massen frei, d. h. unter dem alleinigen Ein-
fluß des elektromagnetischen Feldes, so wird der kovariante
Vierervektor xs verschwinden.

Um die Energiekomponenten Tsn des elektromagnetischen
Feldes zu erhalten, brauchen wir nur der Gleichung xs = 0
die Gestalt der Gleichung (57) zu geben. Aus (63) und (65)
ergibt sich zunächst

          @-F-mn     -@---      mn       mn@-Fsm-
xs =  Fsm  @ x    =  @ x (Fsm F   ) -  F    @ x   .
              n         n                      n

Das zweite Glied der rechten Seite gestattet vermöge (60)
die Umformung

Fm n @-Fsm =  -  1-F mn @-Fmn- =  - 1-gmagn b F  @-Fm-n ,
     @ xn        2       @ xs       2          ab @ xs

welch letzterer Ausdruck aus Symmetriegründen auch in der
Form

    [                                        ]
- 1- gmagn b F   @-Fmn- +  gmagnb @-Fa-b F
  4           ab @ xs              @ xs   m n

geschrieben werden kann. Dafür aber läßt sich setzen

  1   @                       1           @
- -- ---(gm agnb Fa b Fm n) + --Fa b Fmn ---(gm agnb) .
  4  @xs                      4          @xs

Das erste dieser Glieder lautet in kürzerer Schreibweise

- 1- -@--(F mn F  ) ,
  4  @ xs       mn

das zweite ergibt nach Ausführung der Differentiation nach
einiger Umformung

  1   mt      nr @ gs t
- --F    Fmn g   ------.
  2               @ xs

Nimmt man alle drei berechneten Glieder zusammen, so erhält
man die Relation

       @-Tsn-   1-  tm @-gmn-  n
xs  =   @ xn  - 2 g    @ xs  Tt  ,
(66)

wobei

   n            na     1-  n       ab
Ts   =  - Fsa  F    +  4 ds  Fab F   .
(66a)

Die Gleichung (66) ist für verschwindendes xs wegen (30)
mit (57) bzw. (57a) gleichwertig. Es sind also die Tsn die
Energiekomponenten des elektromagnetischen Feldes. Mit
Hilfe von (61) und (64) zeigt man leicht, daß diese Energie-
komponenten des elektromagnetischen Feldes im Falle der
speziellen Relativitätstheorie die wohlbekannten Maxwell-
Pointingschen Ausdrücke ergeben.

Wir haben nun die allgemeinsten Gesetze abgeleitet,
welchen das Gravitationsfeld und die Materie genügen, indem
wir uns konsequent eines Koordinatensystems bedienten, für
welches  V~ ---g- = 1 wird. Wir erzielten dadurch eine erhebliche
Vereinfachung der Formeln und Rechnungen, ohne daß wir
auf die Forderung der allgemeinen Kovarianz verzichtet hätten:
denn wir fanden unsere Gleichungen durch Spezialisierung
des Koordinatensystems aus allgemein kovarianten Gleichungen.

Immerhin ist die Frage nicht ohne formales Interesse,
ob bei entsprechend verallgemeinerter Definition der Energie-
komponenten des Gravitationsfeldes und der Materie auch
ohne Spezialisierung des Koordinatensystems Erhaltungssätze
von der Gestalt der Gleichung (56) sowie Feldgleichungen der
Gravitation von der Art der Gleichungen (52) bzw. (52a)
gelten, derart, daß links eine Divergenz (im gewöhnlichen
Sinne), rechts die Summe der Energiekomponenten der Materie
und der Gravitation steht. Ich habe gefunden, daß beides
in der Tat der Fall ist. Doch glaube ich, daß sich eine Mit-
teilung meiner ziemlich umfangreichen Betrachtungen über
diesen Gegenstand nicht lohnen würde, da doch etwas sach-
lich Neues dabei nicht herauskommt.

E. § 21. Newtons Theorie als erste Näherung.

Wie schon mehrfach erwähnt, ist die spezielle Relativitäts-
theorie als Spezialfall der allgemeinen dadurch charakterisiert,
daß die gmn die konstanten Werte (4) haben. Dies bedeutet
nach dem Vorherigen eine völlige Vernachlässigung der Gravi-
tationswirkungen. Eine der Wirklichkeit näher liegende Ap-
proximation erhalten wir, indem wir den Fall betrachten, daß
die gmn von den Werten (4) nur um (gegen 1) kleine Größen
abweichen, wobei wir kleine Größen zweiten und höheren
Grades vernachlässigen. (Erster Gesichtspunkt der Ap-
proximation.)

Ferner soll angenommen werden, daß in dem betrach-
teten zeiträumlichen Gebiete die gmn im räumlich Unendlichen
bei passender Wahl der Koordinaten den Werten (4) zustreben;
d. h. wir betrachten Gravitationsfelder, welche als ausschließ-
lich durch im Endlichen befindliche Materie erzeugt betrachtet
werden können.

Man könnte annehmen, daß diese Vernachlässigungen auf
Newtons Theorie hinführen müßten. Indessen bedarf es
hierfür noch der approximativen Behandlung der Grund-
gleichungen nach einem zweiten Gesichtspunkte. Wir fassen
die Bewegung eines Massenpunktes gemäß den Gleichungen (46)
ins Auge. Im Falle der speziellen Relativitätstheorie können
die Komponenten

d x1   d-x2   d-x3
d s ,   d s ,  d s

beliebige Werte annehmen; dies bedeutet, daß beliebige Ge-
schwindigkeiten

       V~ -------------------------
        d-x12    d-x22     d-x32
v  =     d x4 +   d x4  +  d x4

auftreten können, die kleiner sind als die Vakuumlichtgeschwin-
digkeit (v < 1). Will man sich auf den fast ausschließlich
der Erfahrung sich darbietenden Fall beschränken, daß v
gegen die Lichtgeschwindigkeit klein ist, so bedeutet dies,
daß die Komponenten

d x    d x    d x
---1,  ---2,  ---3
d s     d s    d s

als kleine Größen zu behandeln sind, während dx4/ ds bis
auf Größen zweiter Ordnung gleich 1 ist (zweiter Gesichts-
punkt der Approximation).

Nun beachten wir, daß nach dem ersten Gesichtspunkte
der Approximation die Größen Gmnt alle kleine Größen mindestens
erster Ordnung sind. Ein Blick auf (46) lehrt also, daß in dieser
Gleichung nach dem zweiten Gesichtspunkt der Approximation
nur Glieder zu berücksichtigen sind, für welche m = n = 4
ist. Bei Beschränkung auf Glieder niedrigster Ordnung erhält
man an Stelle von (46) zunächst die Gleichungen

d-2 xt      t
 d t2  =  G44 ,

wobei ds = dx4 = dt gesetzt ist, oder unter Beschränkung
auf Glieder, die nach dem ersten Gesichtspunkte der Ap-
proximation erster Ordnung sind:

           |_     _| 
            44
d-2 xt
 d t2  =   |_  t _|  (t =  1, 2, 3)

             |_    _| 
d 2 x         44
----4- =  -  |_  4  _|  .
 d t2

Setzt man außerdem voraus, daß das Gravitationsfeld ein
quasi statisches sei, indem man sich auf den Fall beschränkt,
daß die das Gravitationsfeld erzeugende Materie nur langsam
(im Vergleich mit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des
Lichtes) bewegt ist, so kann man auf der rechten Seite Ab-
leitungen nach der Zeit neben solchen nach den örtlichen
Koordinaten vernachlässigen, so daß man erhält

  2
d--xt- =  - 1-@-g44(t  =  1, 2, 3).
 d t2       2  @ xt
(67)

Dies ist die Bewegungsgleichung des materiellen Punktes nach
Newtons Theorie, wobei g44/ 2 die Rolle des Gravitations-
potentiales spielt. Das Merkwürdige an diesem Resultat ist,
daß nur die Komponente g44 des Fundamentaltensors allein
in erster Näherung die Bewegung des materiellen Punktes
bestimmt.

Wir wenden uns nun zu den Feldgleichungen (53). Dabei
ist zu berücksichtigen, daß der Energietensor der ,,Materie“
fast ausschließlich durch die Dichte r der Materie im engeren
Sinne bestimmt wird, d. h. durch das zweite Glied der rechten
Seite von (58) [bzw. (58a) oder (58b)]. Bildet man die uns
interessierende Näherung, so verschwinden alle Komponenten
bis auf die Komponente

T44 =  r =  T .

Auf der linken Seite von (53) ist das zweite Glied klein von
zweiter Ordnung; das erste liefert in der uns interessierenden
Näherung

        |_     _|           |_     _|           |_     _|           |_     _| 
    @    m n       @     m n       @     m n       @     mn
+ ----  |_  1  _|  +  ----  |_  2  _|  +  ----  |_  3  _|  -  ----  |_  4  _|  .
  @ x1            @ x2            @ x3            @ x4

Dies liefert für m = n = 4 bei Weglassung von nach der Zeit
differenzierten Gliedern

     (  2         2        2    )
- 1-   @-g-44+  @--g44 +  @--g44   =  - 1 D g   .
  2    @ x12     @ x22    @ x32         2     44

Die letzte der Gleichungen (53) liefert also

D g    =  x r .
    44
(68)

Die Gleichungen (67) und (68) zusammen sind äquivalent
dem Newtonschen Gravitationsgesetz.

Für das Gravitationspotential ergibt sich nach (67) und
(68) der Ausdruck

      integral 
  -x-   r-d-t
- 8p      r   ,
(68a)

während Newtons Theorie bei der von uns gewählten Zeit-
einheit

   K   integral  r d t
-  -2-   -----
   c      r

ergibt, wobei K die gewöhnlich als Gravitationskonstante
bezeichnete Konstante 6,7 . 10-8 bedeutet. Durch Vergleich
ergibt sich

x  =  8-p-K- =  1,87 .10-27.
        c2
(69)

§ 22. Verhalten von Masstäben und Uhren im statischen
Gravitationsfelde. Krümmung der Lichtstrahlen.
Perihelbewegung der Planetenbahnen.

Um die Newton sche Theorie als erste Näherung zu er-
halten, brauchten wir von den 10 Komponenten des Gravi-
tationspotentials gmn nur g44 zu berechnen, da nur diese Kom-
ponente in die erste Näherung (67) der Bewegungsgleichung
des materiellen Punktes im Gravitationsfelde eingeht. Man
sieht indessen schon daraus, daß noch andere Komponenten
der gmn von den in (4) angegebenen Werten in erster Näherung
abweichen müssen, daß letzteres durch die Bedingung g = - 1
verlangt wird.

Für einen im Anfangspunkt des Koordinatensystems be-
findlichen felderzeugenden Massenpunkt erhält man in erster
Näherung die radialsymmetrische Lösung

                       xr-xs-
    grs  =  - drs  - a   r3   (r und s zwischen 1 und 3)
{   g    =  g   =  0 (r zwischen 1 und 3)
      r4     4r
     g44 =  1 -  a- .
                  r
(70)

drs ist dabei 1 bzw. 0, je nachdem r = s oder r s, r ist die
Größe

   V~ ------------------
+   x12 +  x22  + x32 .

Dabei ist wegen (68a)

      x-M--
a  =   8 p ,
(70a)

wenn mit M die felderzeugende Masse bezeichnet wird. Daß
durch diese Lösung die Feldgleichungen (außerhalb der Masse)
in erster Näherung erfüllt werden, ist leicht zu verifizieren.

Wir untersuchen nun die Beeinflussung, welche die metri-
schen Eigenschaften des Raumes durch das Feld der Masse M
erfahren. Stets gilt zwischen den ,,lokal“ (§ 4) gemessenen
Längen und Zeiten ds einerseits und den Koordinatendifferenzen
d xv andererseits die Beziehung

d s2 =  gm n d xm d xn .

Für einen ,,parallel“ der x-Achse gelegten Einheitsmaßstab
wäre beispielsweise zu setzen

d s2 =  - 1;  d x2 =  d x3 =   d x4 =  0 ,

also

-1  =  g11 d x12 .

Liegt der Einheitsmaßstab außerdem auf der x-Achse, so
ergibt die erste der Gleichungen (70)

         (      a )
g11 =  -   1 +  --  .
                r

Aus beiden Relationen folgt in erster Näherung genau

            -a-
d x =  1 -  2 r .
(71)

Der Einheitsmaßstab erscheint also mit Bezug auf das Ko-
ordinatensystem in dem gefundenen Betrage durch das Vor-
handensein des Gravitationsfeldes verkürzt, wenn er radial
angelegt wird.

Analog erhält man seine Koordinatenlänge in tangentialer
Richtung, indem man beispielsweise setzt

d s2 =  - 1; d x  =   d x  =   d x  =  0 ; x  =  r,  x  =  x   =  0 .
                1        3        4         1         2     3

Es ergibt sich

               2          2
- 1  =  g22 d x2 =  - d x2 .
(71a)

Bei tangentialer Stellung hat also das Gravitationsfeld des
Massenpunktes keinen Einfluß auf die Stablänge.

Es gilt also die Euklidische Geometrie im Gravitations-
felde nicht einmal in erster Näherung, falls man einen und
denselben Stab unabhängig von seinem Ort und seiner Orien-
tierung als Realisierung derselben Strecke auffassen will.
Allerdings zeigt ein Blick auf (70a) und (69), daß die zu er-
wartenden Abweichungen viel zu gering sind, um sich bei
der Vermessung der Erdoberfläche bemerkbar machen zu
können.

Es werde ferner die auf die Zeitkoordinate untersuchte
Ganggeschwindigkeit einer Einheitsuhr untersucht, welche in
einem statischen Gravitationsfelde ruhend angeordnet ist. Hier
gilt für eine Uhrperiode

d s = 1;  d x1 =   d x2 =  d x3  =  0 .

Also ist

                 1 =  g44 dx42 ;

d x4 =    V~ 1-- =   V~ -------1--------- =  1 -  g-44----1
          g 44       1 +  (g 44 -  1)             2

oder

                 integral 
d x4 =  1 + -x--   r-d-t-.
            8 p      r
(72)

Die Uhr läuft also langsamer, wenn sie in der Nähe ponde-
rabler Massen aufgestellt ist. Es folgt daraus, daß die Spektral-
linien von der Oberfläche großer Sterne zu uns gelangenden
Lichtes nach dem roten Spektralende verschoben erscheinen
müssen.1)

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1) Für das Bestehen eines derartigen Effektes sprechen nach
E. Freundlich spektrale Beobachtungen an Fixsternen bestimmter
Typen. Eine endgültige Prüfung dieser Konsequenz steht indes noch aus.

Wir untersuchen ferner den Gang der Lichtstrahlen im
statischen Gravitationsfeld. Gemäß der speziellen Relativitäts-
theorie ist die Lichtgeschwindigkeit durch die Gleichung

      2       2       2       2
- d x1  - d x2  - d x3  + d x4  =  0

gegeben, also gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie durch
die Gleichung

d s2 =  gmn dxm d xn =  0.
(73)

Ist die Richtung, d. h. das Verhältnis d x1 : d x2 : d x3 ge-
geben, so liefert die Gleichung (73) die Größen

d x1   d x2   d x3
----,  ----,  ----
dx4    d x4   d x4

und somit die Geschwindigkeit

 V~  -----------------------------------
   (     )2     (     )2    (     )2
     d-x1    +    dx2-   +    d-x3    =  g ,
     d x4         dx4         d x4

im Sinne der Euklidischen Geometrie definiert. Man erkennt
leicht, daß die Lichtstrahlen gekrümmt verlaufen müssen mit
Bezug auf das Koordinatensystem, falls die gmn nicht konstant
sind. Ist n eine Richtung senkrecht zur Lichtfortpflanzung,
so ergibt das Huggenssche Prinzip, daß der Lichtstrahl [in
der Ebene (g, n) betrachtet] die Krümmung -dg/ @ n besitzt. PIC

Wir untersuchen die Krümmung, welche ein Lichtstrahl
erleidet, der im Abstand D an einer Masse M vorbeigeht.
Wählt man das Koordinatensystem gemäß der vorstehenden
Skizze, so ist die gesamte Biegung B des Lichtstrahles (positiv
gerechnet, wenn sie nach dem Ursprung hin konkav ist) in
genügender Näherung gegeben durch

       + integral  oo 
B  =      @-g--d x ,
          @ x1    2
      - oo

während (73) und (70) ergeben

       V~ ------             (         )
          g-44-         -a-        x22-
g  =    - g 22  =  1 +  2 r  1  +  r2   .

Die Ausrechnung ergibt

B  =  2a- =   x-M--.
       D      4p D
(74)

Ein an der Sonne vorbeigehender Lichtstrahl erfährt dem-
nach eine Biegung von 1, 7'', ein am Planeten Jupiter vorbei-
gehender eine solche von etwa 0, 02''.

Berechnet man das Gravitationsfeld um eine Größen-
ordnung genauer, und ebenso mit entsprechender Genauig-
keit die Bahnbewegung eines materiellen Punktes von relativ
unendlich kleiner Masse, so erhält man gegenüber den Kepler-
Newtonschen Gesetzen der Planetenbewegung eine Abwei-
chung von folgender Art. Die Bahnellipse eines Planeten er-
fährt in Richtung der Bahnbewegung eine langsame Drehung
vom Betrage

         3------a2------
e =  24 p T 2 c2(1 - e2)
(75)

pro Umlauf. In dieser Formel bedeutet a die große Halbachse,
c die Lichtgeschwindigkeit in üblichem Maße, e die Exzentrizität,
T die Umlaufszeit in Sekunden.1)

Die Rechnung ergibt für den Planeten Merkur eine Drehung
der Bahn um 43'' pro Jahrhundert, genau entsprechend der
Konstatierung der Astronomen (Leverrier); diese fanden
nämlich einen durch Störungen der übrigen Planeten nicht
erklärbaren Rest der Perihelbewegung dieses Planeten von
der angegebenen Größe.

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1) Bezüglich der Rechnung verweise ich auf die Originalabhand-
lungen A. Einstein, Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d. Wiss. 47. p. 831.
1915. -- K. Schwarzschild, Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d. Wiss. 7.
p. 189. 1916.

(Eingegangen 20. März 1916.)

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