3. Lichtgeschwindigkeit
und Statik des
Gravitationsfeldes;
von A. Einstein.
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In einer letztes Jahr erschienenen Arbeit1) habe ich aus
der Hypothese, daß
Schwerefeld und Beschleunigungszustand
des Koordinatensystems physikalisch
gleichwertig seien, einige
Folgerungen gezogen, welche sich den Ergebnissen der
Rela-
tivitätstheorie (Theorie der Relativität der gleichförmigen Be-
wegung) sehr
gut angliedern. Es zeigte sich dabei aber, daß
die Gültigkeit des einen
Grundsatzes jener Theorie, nämlich
des Satzes von der Konstanz der
Lichtgeschwindigkeit, nur
für Raum-Zeitgebiete konstanten Gravitationspotentials
Gültig-
keit beanspruchen kann. Trotzdem dies Resultat die all-
gemeine
Anwendbarkeit der Lorentztransformation ausschließt,
darf es uns nicht von der
weiteren Verfolgung des eingeschla-
genen Weges abschrecken; wenigstens hat
meiner Meinung
nach die Hypothese, daß das ,,Beschleunigungsfeld“ ein
Spezial-
fall des Gravitationsfeldes sei, eine so große Wahrscheinlich-
keit,
insbesondere mit Rücksicht auf die bereits in der ersten
Arbeit gezogenen
Folgerungen betreffend die schwere Masse
des Energieinhaltes, das eine
genauere Durchführung der
Folgerungen jener Äquivalenzhypothese geboten
erscheint.
Seitdem hat A braham eine Theorie der Gravitation auf-
gestellt2), welche die
in meiner ersten Arbeit gezogenen Folge-
rungen als Spezialfälle enthält. Wir
werden aber im folgenden
sehen, daß sich das Gleichungssystem Abrahams mit
der
Äquivalenzhypothese nicht in Einklang bringen läßt, und daß
dessen
Auffassung von Zeit und Raum sich schon vom rein
mathematisch formalen
Standpunkte aus nicht aufrecht er-
halten läßt.
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1) A. Einstein, Ann. d. Phys. 4. P. 35. 1911.
2) M. A braham, Physik. Zeitschr. 13. Nr. 1. 1912.
§ 1. Raum und Zeit im Beschleunigungsfeld.
Das Bezugssystem K (Koordinaten x, y, z) befinde sich im
Zustande
gleichförmiger Beschleunigung in Richtung seiner
x-Koordinate. Diese
Beschleunigung sei eine gleichförmige
im Bornschen Sinne; d. h. die Beschleunigung
seines Anfangs-
punktes, bezogen auf ein beschleunigungsfreies System, in bezug
auf welches die Punkte von K gerade keine, bzw. eine unend-
lich kleine
Geschwindigkeit besitzen, sei eine konstante Größe.
Ein solches System K ist nach
der Äquivalenzhypothese streng
gleichwertig einem ruhenden System, in welchem
ein massen-
freies statisches Gravitationsfeld1) bestimmter Art sich befindet.
Die
räumliche Ausmessung von K geschieht durch Maßstäbe,
welche -- im
Ruhezustande an der nämlichen Stelle von K
miteinander verglichen
-- die gleiche Länge besitzen; es sollen
die Sätze der Geometrie gelten
für so gemessene Längen, also
auch für die Beziehungen zwischen den
Koordinaten x, y, z
und anderen Längen. Dieso Festsetzung ist nicht
selbstver-
ständlich erlaubt, sondern enthält physikalische Annahmen,
die sich eventuell als unrichtig erweisen könnten; sie gelten
z. B. höchst
wahrscheinlich nicht in einem gleichförmig rotie-
renden Systeme, in welchem
wegen der Lorentzkontraktion das
Verhältnis des Kreisumfanges zum
Durchmesser bei Anwendung
unserer Definition für die Längen von
verschieden sein müßte.
Der Maßstab sowie die Koordinatenachsen sind als
starre
Körper aufzufassen. Dies ist erlaubt, trotzdem der starre
Körper
nach der Relativitätstheorie keine reale Existenz be-
sitzen kann. Denn
man kann den starren Meßkörper durch
eine große Anzahl kleiner nicht
starrer Körper ersetzt denken,
die so aneinander gereiht werden, daß sie
aufeinander keine
Druckkräfte ausüben, indem jeder besonders gehalten wird.
Die Zeit t im System K denken wir durch Uhren gemessen
von solcher
Beschaffenheit und solcher fester Anordnung in
den Raumpunkten des
Systems K, daß die Zeitspanne, welche
-- mit ihnen gemessen -- ein
Lichtstrahl braucht, um von
einem Punkt A nach einem Punkte B des Systems
K zu ge-
langen, nicht von dem Zeitpunkt der Aussendung des Licht-
----------
1) Die Massen, welche dies Feld hervorbringen, hat man sich im
Unendlichen
zu denken.
strahles in A abhängig ist. Es wird sich ferner zeigen, daß
widerspruchsfrei die
Gleichzeitigkeit dadurch definiert werden
kann, daß bezüglich des Richtens der
Uhren die Fortsetzung
getroffen wird, daß alle Lichtstrahlen, welche einen
Punkt A
von K passieren, in A dieselbe, von der Richtung unabhängige
Fortpflanzungsgeschwindigkeit besitzen.
Wir denken uns nun das Bezugssystem K (x, y, z, t) von
einem
beschleunigungsfreien Bezugssystem (von konstantem
Gravitationspotential)
(, , , ) aus betrachtet. Wir setzen
voraus, daß die x-Achse dauernd in die
-Achse falle und die
y-Achse dauernd der -Achse, die z-Achse dauernd der
-Achse
parallel sei. Diese Festsetzung ist möglich unter der Annahme,
daß der
Zustand der Beschleunigung auf die Gestalt von K
in bezug auf nicht von
Einfluß sei. Diese physikalische
Annahme legen wir zugrunde. Aus ihr folgt, daß
für be-
liebige
| (1) |
sein muß, so daß wir nur noch die Beziehung aufzusuchen
haben, welche zwischen
und einerseits, x und t anderer-
seits, besteht. Zur Zeit = 0 mögen beide
Bezugssysteme
zusammenfallen; dann müssen die gesuchten Substitutions-
gleichungen jedenfalls von der Form sein
| (2) |
Die Koeffizienten dieser für genügend kleine positive und
negative Werte von t
gültigen Reihen sind als vorläufig un-
bekannte Funktionen von x anzusehen.
Indem wir uns auf
die angeschriebenen Glieder beschränken, erhalten wir durch
Differenziation
| (3) |
Im System denken wir uns die Zeit derart gemessen,
daß die
Lichtgeschwindigkeit gleich 1 wird. Wir können dann
die Gleichung einer Schale,
die sich mit Lichtgeschwindigkeit
von einem beliebigen Raum-Zeitpunkt
ausbreitet, indem wir
uns auf die unendlich kleine Umgebung des Raum-Zeitpunktes
beschränken, in
der Form schreiben
Dieselbe Schale muß im System K die Gleichung haben
Die Substitutionsgleichungen (2) müssen derart sein, daß diese
beiden
Gleichungen äquivalent sind. Dies verlangt wegen (1)
die Identität
| (4) |
Setzt man in die linke Seite dieser Gleichung die Ausdrücke
in dx und dt
vermittelst (3) ein und setzt links und rechts
die Koeffizienten von dx2, dt2 und
dxdt einander gleich, so
erhält man die Gleichungen
Diese Gleichungen gelten in t identisch bis zu so hohen Po-
tenzen von t, daß die
in (2) weggelassenen Terme noch keinen
Einfluß haben, also die erste Gleichung
bis zur zweiten, die
zweite und dritte bis zur ersten Potenz von t. Hieraus fließen
die Gleichungen
Da nicht verschwinden kann, folgt aus der ersten Gleichung
der dritten Zeile
' = 0. ist also eine Konstante, die wir
bei passender Wahl der Anfangspunkte
der Zeit gleich Null
setzen dürfen. Der Koeffizient muß ferner positiv sein; es
ist
also nach der ersten Gleichung der zweiten Zeile
Nach der zweiten Gleichung der zweiten Zeile ist
Weil ' verschwindet, und wir x mit wachsend annehmen
können, so folgt aus
der ersten Gleichung der ersten Zeile
also, wenn für t = 0 und = 0, x = 0 sein soll,
Endlich folgen aus der dritten Gleichung der ersten und der
zweiten Gleichung
der dritten Zeile unter Benutzung der schon
gefundenen Relationen die
Differentialgleichungen
Aus ihnen folgt, wenn wir mit c0 und a Integrationskonstante
bezeichnen
Damit ist die gesuchte Substitution für genügend kleine
Werte von t ermittelt.
Es gelten bei Vernachlässigung der
dritten und höheren Potenzen von t die
Gleichungen
| (4) |
wobei die Lichtgeschwindigkeit c im System K, welche nur
von x, aber nicht von t
abhängen kann, durch die soeben ab-
geleitete Beziehung
| (5) |
gegeben ist. Die Konstante c0 hängt davon ab, mit einer wie
rasch laufenden Uhr
wir die Zeit im Anfangspunkte von K
messen. Die Bedeutung der Konstante a
ergibt sich in fol-
gender Weise. Die erste und vierte der Gleichungen (4)
liefert
für den Anfangspunkt (x = 0) von K mit Rücksicht auf (5) die
Bewegungsgleichung
a/c0 ist also die Beschleunigung des Anfangspunktes von K in
bezug auf ,
gemessen in dem Zeitmaße, in welchem die
Lichtgeschwindigkeit gleich 1 ist.
§ 2. Differentialgleichung des statischen Gravitationsfeldes, Be-
wegungsgleichung eines materiellen Punktes im statischen Gra-
vitationsfelde.
Aus der früheren Arbeit geht schon hervor, daß im sta-
tischen Gravitationsfeld
eine Beziehung zwischen c und dem
Gravitationspotential existiert, oder mit
anderen Worten, daß
das Feld durch c bestimmt ist. In demjenigen Gravitations-
felde, welches dem im § 1 betrachteten Beschleunigungsfelde
entspricht, ist nach
(5) und dem Äquivalenzprinzip die
Gleichung.
| (5a) |
erfüllt, und es liegt die Annahme nahe, daß wir diese Gleichung
als in jedem
massenfreien statischen Gravitationsfelde gültig an-
zusehen haben.1) Jedenfalls
ist diese Gleichung die einfachste
mit (5) vereinbare.
Es ist leicht, diejenige vermutlich gültige Gleichung auf-
zustellen, welche
derjenigen von Poisson entspricht. Es folgt
nämlich aus der Bedeutung von c
unmittelbar, daß c nur bis
auf einen konstanten Faktor bestimmt ist, der
davon abhängt,
mit einer wie beschaffenen Uhr man t im Anfangspunkte
von
K mißt. Die der Poissonschen Gleichung entsprechende muß
also
in c homogen sein. Die einfachste Gleichung dieser Art
ist die lineare
Gleichung
| (5b) |
wenn unter k die (universelle) Gravitationskonstante, unter
die Dichte der
Materie verstanden wird. Letztere muß so
definiert sein, daß sie durch
die Massenverteilung bereits ge-
geben, d. h. bei gegebener Materie im
Raumelement von c
unabhängig ist. Dies erzielen wir, indem wir die Masse eines
Kubikzentimeter Wasser gleich 1 setzen, in was für einem
Gravitationspotential er
sich auch befinden möge; ist dann
das Verhältnis der im Kubikzentimeter
enthaltenen Masse zu
dieser Einheit.
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1) In einer in kurzem nachfolgender Arbeit wird gezeigt werden,
daß die
Gleichung (5a) und (5b) noch nicht exakt richtig sein können.
In dieser Arbeit
sollen sie vorläufig benutzt werden.
Wir suchen nun das Bewegungsgesetz eines materiellen
Punktes im statischen
Schwerefeld zu ermitteln. Zu diesem
Zwecke suchen wir das Bewegungsgesetz eines
kräftefrei be-
wegten materiellen Punktes in dem im § 1 betrachteten Be-
schleunigungsfelde. Im System ist dies Bewegungsgesetz
wobei die A und B Konstante sind. Diese Gleichungen gehen
vermöge (4) in die
für genügend kleine t gültigen Gleichungen
über:
Durch einmaliges und nochmaliges Differenzieren erhält man
aus der
ersten Gleichung, indem man in dieselben t = 0 ein-
setzt, die beiden
Gleichungen1)
Aus diesen beiden Gleichungen folgt durch Eliminieren von A1
oder die Gleichung
Auf analoge Weise resultieren für die beiden anderen Kompo-
nenten die
Gleichungen
Diese drei Gleichungen gelten zunächst im Augenblick t = 0.
Sie gelten aber
allgemein, weil dieser Zeitpunkt durch nichts
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1) Die in (2) weggelassenen Glieder machen sich bei dieser zwei-
maligen
Differenziation und nachherigem Nullsetzen von t im Resultat
nicht bemerkbar.
von den übrigen ausgezeichnet ist als dadurch, daß wir ihn
zum Anfangspunkt
unserer Reihenentwickelung gemacht haben.
Die so gefundenen Gleichungen sind
die gesuchten Bewegungs-
gleichungen des kräftefrei bewegten Punktes im
konstanten
Beschleunigungsfelde. Berücksichtigen wir, daß a = c/ x,
und daß
( c/ y) = ( c/ z) = 0 ist, so können wir diese Glei-
chungen auch in der Form
schreiben:
| (6) |
In dieser Form der Gleichungen ist die x-Richtung nicht mehr
ausgezeichnet; beide
Seiten haben Vektorcharakter. Wir haben
diese Gleichungen deshalb wohl auch
als die Bewegungs-
gleichungen eines materiellen Punktes im statischen Gravi-
tationsfelde aufzufassen, falls der Punkt nur der Einwirkung
der Schwere
unterliegt.
Aus (6) folgt zunächst, in welcher Beziehung die in (5b)
auftretende Konstante
k zu der Gravitationskonstante K im ge-
wöhnlichen Sinne steht. Im Falle gegen c
kleiner Geschwindig-
keiten ist nämlich nach (6)
so daß (5b) bei Vernachlässigung gewisser Glieder in
übergeht. Es ist also
Die Gravitationskonstante K ist also keine universelle Kon-
stante, sondern nur
der Quotient K/c2.
Multiplizieren wir die Gleichungen (6) der Reihe nach mit
ẋ/c2, ẏ/2, ż/c2,
und addieren wir, so ergibt sich, wenn
gesetzt wird,
oder
oder
| (7) |
Diese Gleichung enthält das Energieprinzip für den im statio-
nären Gravitationsfeld
bewegten materiellen Punkt. Die linke
Seite dieser Gleichung hängt von q genau
in derselben Weise
ab, wie die Energie des materiellen Punktes nach der gewöhn-
lichen Relativitätstheorie von q abhängt. Wir haben daher
die linke Seite
der Gleichung bis auf einen (nur vom Massen-
punkt selbst abhängigen)
Faktor als die Energie E des Punktes
anzusehen. Dieser Faktor ist offenbar
gleich der Masse m
im obigen festgesetzten Sinne zu setzen, weil jene
Definition
die Masse unabhängig vom Gravitationspotential festlegt. Es
ist
also
| (8) |
oder angenähert
| (8a) |
Aus dem zweiten Gliede dieser Entwickelung geht zunächst
hervor, daß die von
uns als Energie bezeichnete Größe eine
von der gewohnten abweichende
Dimension besitzt. Dem-
entsprechend wird auch die Maßzahl der einzelnen
Energie-
größe eine andere, nämlich eine c mal kleinere als in dem
uns geläufigen
System. Es hängt ferner die ,,kinetische
Energie“, welche allerdings nach (8)
genau genommen von der
Gravitationsenergie nicht getrennt werden kann, nicht
nur von
m und q, sondern auch von c, d. h. vom Gravitationspotential
ab. Aus (8)
folgt ferner das wichtige Resultat, daß die Energie
des im Schwerefeld ruhenden
Punktes mc ist. Wenn wir
somit an der Beziehung
festhalten wollen, so ist die auf den ruhenden materiellen
Punkt im Schwerefelde
ausgeübte Kraft
Wir wollen nun die Bewegungsgleichungen des materiellen
Punktes in einem
beliebigen statischen Schwerefelde für den
Fall ableiten, daß außer der Schwere
noch andere Kräfte auf
den Punkt wirken. Wir bemerken, daß die Gleichungen (6)
den in der Relativitätsmechanik geltenden Bewegungsgleichungen
nicht ähnlich
sind. Multiplizieren wir sie aber mit der linken
Seite von (7), so erhalten wir die
den Gleichungen (6) äqui-
valenten Gleichungen:
| (6a) |
Die linke Seite hat, abgesehen von dem in der gewöhnlichen
Relativitätstheorie
belanglosen, im Zähler auftretenden Fak-
tor 1/c genau dieselbe Form wie in der
gewöhnlichen Rela-
tivitätstheorie. Wir werden deshalb die Klammergröße
als
x-Komponente der Bewegungsgröße zu bezeichnen haben (für
einen
Punkt der Masse 1). Wir haben ferner soeben gezeigt,
daß - c/ x als
x-Komponente der vom Gravitationsfeld auf
einen unbewegten Massenpunkt
ausgeübten Kraft aufzufassen
ist. Die auf einen beliebig bewegten Massenpunkt
von der
Masse 1 vom Schwerefeld ausgeübte Kraft kann sich hiervon
nur
durch einen mit q verschwindenden Faktor unterscheiden.
Die soeben
aufgestellte Gleichung führt dazu, diese Kraft g
gleich - zu
setzen. Die rechte Seite der aufgestellten
Gleichung wird dann g. Es
ist also die zeitliche Ableitung
des Impulses gleich der wirkenden Kraft.
Wirkt auf den
Punkt noch eine andere Kraft , so werden wir auf der
rechten Seite der Gleichung noch ein Glied /m zu addieren
haben, so
daß die Bewegungsgleichung eines Punktes von der
Masse m die Form
annimmt:
| (6b) |
Diese Gleichung ist aber nur dann zulässig, wenn das Energie-
prinzip in der
Form
erfüllt ist. Dies läßt sich in folgender Weise dartun.
Schreibt man (6b) in der Form
und multipliziert man diese Gleichungen der Reihe nach mit
ẋ/c2 usw., und
addiert dieselben, so findet man
Hieraus ergibt sich die gesuchte Relation, wenn man berück-
sichtigt, daß wegen
(8)
und
ist. Die Beziehungen der Kraft zum Impuls- und Energiesatz
bleiben also
erhalten.
§ 3. Bemerkungen über die physikalische Bedeutung des
statischen
Schwerepotentials.
Messen wir in einem Raume von nahezu konstantem
Schwerepotential die
Lichtgeschwindigkeit, indem wir mittels
einer bestimmten Uhr die Zeit
messen, welche das Licht zum
Durchlaufen eines geschlossenen Weges von
bestimmter Länge
braucht, so erhalten wir für die Lichtgeschwindigkeit immer
dieselbe Zahl, ganz unabhängig davon, in einem Raume von
wie großem
Schwerepotential wir diese Messung ausführen.1)
Es folgt dies unmittelbar aus
dem Äquivalenzprinzip. Wenn
wir sagen, daß die Lichtgeschwindigkeit in einem
Punkte P
c/c0 mal größer sei als in einem Punkte P0, so bedeutet dies
----------
1) Die zur Zeitmessung benutzte Uhr ist dabei immer die näm-
liche;
sie wird immer an die Stelle gebracht, für die c ermittelt werden soll.
also, daß wir uns in P zur Zeitmessung1) einer Uhr bedienen
müssen, welche c/c
0
mal langsamer läuft als die zur Zeit-
messung in P0 zu benutzende Uhr,
falls der Gang beider
Uhren an demselben Orte miteinander verglichen
wird. Anders
ausgedrückt: eine Uhr läuft desto schneller, an eine Stelle
von je größerem c wir sie bringen. Diese Abhängigkeit der
Raschheit des
zeitlichen Ablaufes vom Gravitationspotential (c)
gilt für den zeitlichen
Ablauf beliebiger Vorgänge. Dies wurde
bereits in der früheren Arbeit
dargelegt.
Ebenso hängt die Spannkraft einer in bestimmter Weise
gespannten Feder,
überhaupt die Kraft bzw. die Energie eines
beliebigen Systems stets davon ab, an
einem Orte von wie
großem c sich das System befindet. Dies geht leicht aus
folgender elementaren Überlegung hervor. Wenn wir nach-
einander in mehreren
kleinen Raumteilen von verschiedenem c
experimentieren und uns stets
derselben Uhr, derselben Maß-
stäbe usw. bedienen, so finden wir überall --
abgesehen von
etwaigen Verschiedenheiten der Intensität des Schwerefeldes --
dieselben Gesetzmäßigkeiten mit denselben Konstanten. Dies
folgt aus dem
Äquivalenzprinzip. Als Uhr können wir uns
dabei etwa zweier Spiegel von der
Distanz 1 cm bedienen,
indem wir die Zahl der Hin- und Hergänge eines
Lichtsignals
zählen; wir operieren dann mit einer Art Lokalzeit, welche
A
braham mit l bezeichnet. Diese steht dann mit der univer-
sellen Zeit in der
Relation
Messen wir die Zeit durch l, so wird man mittels der Defor-
mationsenergie
einer bestimmten, in einer bestimmten Weise
gespannten Feder einer
Masse m eine bestimmte Geschwin-
digkeit dx/dl erteilen, unabhängig
davon, an einem Orte von
wie großem c dieser Prozeß vor sich geht. Es
ist
wobei a von c unabhängig ist. Nach (8) kann aber die dieser
Bewegung
entsprechende kinetische Energie gleich
----------
1) Nämlich zur Messung der in den Gleichungen mit ,,t“ be-
zeichneten Zeit.
gesetzt werden. Die Energie der Feder ist also c propor-
tional, und es gilt ein
Gleiches für Energie und Kräfte irgend
eines Systems.
Diese Abhängigkeit bat eine unmittelbare physikalische
Bedeutung. Denke ich
mir z. B. einen masselosen Faden
zwischen zwei Punkten P1 und P2 verschiedenen
Gravitations-
potentials gespannt. Eine von zwei vollkommen gleich be-
schaffenen
Federn ziehe in P1, die zweite in P2 an dem Faden,
derart, daß Gleichgewicht
besteht. Die Verlängerungen l1
und l2, welche die beiden Federn dabei erfahren,
werden aber
nicht gleich sein, sondern die Gleichgewichtsbedingung wird
lauten1)
Schließlich sei noch erwähnt, daß mit diesem allgemeinen
Ergebnis auch die
Gleichung (5b) in Übereinstimmung ist.
Aus dieser Gleichung und aus dem
Umstande, daß die auf
eine Masse m wirkende Gravitationskraft gleich -- m grad
c
ist, folgt nämlich, daß die Kraft , mit der sich zwei im Po-
tential c in der
Entfernung r befindliche Massen anziehen,
in erster Annäherung gegeben ist
durch
Es ist also auch diese Kraft c proportional. Denken wir uns
ferner eine
,,Gravitationsuhr“ bestehend aus einer Masse m,
die um eine festgehaltene Masse
m' bei konstantem Abstand R
unter alleiniger Wirkung der Gravitationskraft von
m' um-
läuft, so geschieht dies nach (6b) in erster Näherung nach
den
Gleichungen
Hieraus folgt
Die Ganggeschwindigkeit der Gravitationsuhr ist also c pro-
portional, wie dies
für Uhren jeder Art der Fall sein soll.
----------
1) Hierbei ist allerdings vorausgesetzt, daß auf den gespannten
masselosen
Faden im Gravitationsfeld keine Kraft wirkt. Dies wird in
einer bald folgenden
Arbeit begründet werden.
§ 4. Allgemeine Bemerkungen über Raum und Zeit.
In was für einem Verhältnis steht nun die vorstehende
Theorie zu der alten
Relativitätstheorie (d. h. zu der Theorie
des universellen c)? Nach Abrahams
Meinung sollen die
Transformationsgleichungen von Lorentz nach wie vor im
unendlich Kleinen gelten, d. h. es soll eine x-t-Transformation
geben, so
daß
gelten. dx' und dt' müssen vollständige Differentiale sein.
Es sollen also die
Gleichungen gelten
Es sei nun im ungestrichenen System das Gravitationsfeld ein
statisches.
Dann ist c eine beliebig gegebene Funktion von x,
von t aber unabhängig.
Soll das gestrichene System ein
,,gleichförmig“ bewegtes sein, so muß v
bei festgehaltenem x
jedenfalls von t unabhängig sein. Es müssen daher
die linken
Seiten der Gleichungen, somit auch die rechten Seiten ver-
schwinden. Letzteres ist aber unmöglich, da bei beliebig in
Funktionen von x
gegebenem c nicht beide rechten Seiten
zum Verschwinden gebracht werden
können, indem man v in
Funktion von x passend wählt. Damit ist also
erwiesen, daß
man auch für unendlich kleine Raum-Zeitgebiete nicht an der
Lorentztransformation festhalten kann, sobald man die uni-
verselle Konstanz von
c aufgibt.
Mir scheint das Raum-Zeitproblem wie folgt zu liegen.
Beschränkt man sich
auf ein Gebiet von konstantem Gravi-
tationspotential, so werden die Naturgesetze von ausgezeichnet
einfacher und
invarianter Form, wenn man sie auf ein Raum-
Zeitsystem derjenigen
Mannigfaltigkeit bezieht, welche durch
die Lorentztransformationen mit
konstantem c miteinander ver-
knüpft sind. Beschränkt man sich nicht auf Gebiete
von kon-
stantem c, so wird die Mannigfaltigkeit der äquivalenten
Systeme,
sowie die Mannigfaltigkeit der die Naturgesetze un-
geändert lassenden
Transformationen eine größere werden, aber
es werden dafür die Gesetze
komplizierter werden.
Prag, Februar 1912.
(Eingegangen 26. Februar 1912.)
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