9.Nachtrag zu meiner Arbeit:
,,Thermodynamische
Begründung des photo-
chemischen Aquivalentgesetzes“;
von A. Einstein.
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In der genannten Arbeit1) wird auf wesentlich thermo-
dynamischem Wege unter
Zugrundelegung gewisser durch die
Erfahrung nahe gelegter Annahmen gezeigt, daß
bei der photo-
chemischen Zersetzung eines Gasmoleküls durch (verdünnte)
Strahlung
von der Frequenz 0 die Strahlungsenergie h0 (im
Mittel) absorbiert wird. Jene
Untersuchung bedarf in einem
wichtigen Punkte der Ergänzung. Es wurde
nämlich bei
jener Betrachtung die Annahme zugrunde gelegt, daß nur ein
unendlich kleiner Frequenzbereich photochemisch auf das Gas
zu wirken
vermöge. Man erhält deshalb keine Antwort auf
die Frage, ob für die Größe
der pro Molekülzerfall absorbierten
Energie die Frequenz der absorbierten
Strahlung oder die
Eigenfrequenz des absorbierenden Moleküls maßgebend
sei.
Eine Antwort auf jene Frage läßt sich nur gewinnen,
wenn man den Fall ins Auge
faßt, daß ein endlicher Frequenz-
bereich auf das Molekül zersetzend zu wirken
vermag. Die
Untersuchung dieses Falles wird mir auch durch persönliche
Mitteilung
des Hrn. Warburg nahe gelegt, der den photo-
chemischen Zerfall von Ozon
untersucht; Hr. Warburg teilte
mir nämlich mit, daß auf das O3-Molekül Strahlung
eines
gegen 0 durchaus nicht verschwindenden Frequenzbereiches
photochemisch
wirksam ist.
Wir legen also jetzt der Betrachtung den Fall zugrunde,
daß auf das betrachtete
Molekül beliebig viele elementare
Frequenzbereiche wirken, die zusammen einen
kontinuierlichen
endlichen Bereich bilden können; , usw. seien die mittleren
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1) A. Einstein, Ann. d. Phys. 37. p. 832. 1912.
Frequenzen dieser Elementarbereiche. Wir fügen den in der
ersten Arbeit gemachten
Voraussetzungen die hinzu, daß die
Anzahl der pro Zeiteinheit zerfallenden Moleküle
gleich sei
die Summe der Anzahl der pro Zeiteinheit zerfallenden Mole-
küle, welche
die Strahlungen der einzelnen Frequenzbereiche
für sich allein liefern würden. Dann
erhalten wir für die Zahl
der in der Zeiteinheit zerfallenden Moleküle erster Art (vgl.
Formel (1) p. 834 der ersten Abhandlung)
| (1a) |
Gleichung (2) für die Anzahl Z' der pro Zeiteinheit statt-
findenden Wiedervereinigungen
bleibt unverändert gültig.
Auch in dem jetzt betrachteten Falle gibt es den Fall
des ,,gewöhnlichen“
thermodynamischen Gleichgewichtes, für
welchen die Strahlung schwarze Strahlung
von der nämlichen
Temperatur ist wie die Temperatur des Gasgemisches. Ebenso
ergeben sich bei gegebener Gastemperatur unendlich viele
Konstitutionen der
Strahlung, für welche ,,außergewöhnliches“
thermodynamisches Gleichgewicht
herrschen muß, falls 2 3 1
einen geeigneten Wert hat. Aber es ist in dem jetzt
unter-
suchten Falle Z = Z' nicht mehr eine hinreichende Bedingung
für das
thermodynamische Gleichgewicht. Damit letzteres vor-
handen sei, muß nämlich
außerdem gefordert werden, daß
für jedes wirksame Elementargebiet der
Strahlungsfrequenz die
pro Zeiteinheit absorbierte gleich der pro Zeiteinheit neu er-
zeugten Strahlungsenergie sei.
Man kann leicht zeigen, daß Fälle des ,,außergewöhnlichen“
thermodynamischen
Gleichgewichtes existieren müssen. Be-
zeichnen wir nämlich mit
die Molekularkonzentrationen, bzw. Strahlungsdichten in einem
Falle ,,gewöhnlichen“
thermodynamischen Gleichgewichtes,
wobei sowohl das Gasgemisch, als auch die
wirksame Strahlung
der einzelnen Elementarbereiche die Temperatur T besitzen,
so
sind
Werte für die Molekülkonzentrationen bzw. für die Strahlungs-
dichten, bei welchen
,,außergewöhnliches“ thermodynamisches
Gleichgewicht bei beliebigem Werte von x
besteht, falls nur
das Gasgemisch die Temperatur T besitzt. Denn es folgt
aus (1a)
und (2), daß die Bedingung Z = Z' erfüllt bleibt; es
ändert sich ferner nichts an
der pro Zeiteinheit erzeugten
Strahlungsenergie z. B. des ersten Bereiches,
weil 2 und 3
ungeändert geblieben sind, und es ändert sich auch nichts
an
der Zeiteinheit z. B. aus der Strahlung des ersten Elementar-
bereiches
absorbierten Energie, weil das Produkt 1 . un-
geändert geblieben
ist.
Diese Zustände außergewöhnlichen thermodynamischen
Gleichgewichtes, welche
zur Gemischtemperatur T gehören,
sind dadurch ausgezeichnet, daß sich die Dichten
, usw.
der Elementarbereiche zueinander verhalten wie die ent-
sprechenden
Dichten 0, 0 usw., welche diesen Bereichen
bei der Gemischtemperatur T
beim gewöhnlichen thermo-
dynamischen Gleichgewichte zukommen. Ist diese
notwendige
Bedingung für das außergewöhnliche thermodynamische Gleich-
gewicht
| (5) |
erfüllt, so kann man (1a) in folgender Weise umformen:
oder endlich in kürzerer Form
| (1b) |
wobei A* nur von T allein (Gemischtemperatur) abhängt.
Unter Benutzung von (1b) und (2) der ersten Arbeit erhält
man statt Gleichnng
(3), p. 835 die entsprechende Gleichung
| (3a) |
Ist diese Gleichung sowie (5) erfüllt, so besteht ,,außer-
gewöhnliches“
thermodynamisches Gleichgewicht.
Haben wir einen Fall außergewöhnlichen thermodyna-
mischen Gleichgewichtes
vor uns, so werden wir uns eine
virtuelle Änderung des Systems als zulässig zu
denken haben,
bei welcher ein Grammol der ersten Molekülart des Gemisches
zersetzt wird unter Absorption der Energie N aus der
Strahlung des ersten
Elementarbereiches derart, daß die
Energiemengen der übrigen Elementarbereiche
der Strahlung
ungeändert bleiben. Bei dieser virtuellen Änderung muß die
Bedingung Stotal = 0 erfüllt sein wie in dem zuerst be-
trachteten Fall, daß
nur Strahlung eines einzigen Elementar-
bereiches photochemisch wirksam
sei.1)
Die rechnerische Durchführung stimmt genau überein mit
derjenigen, welche in
der Arbeit für den monochromatischen
Fall gegeben ist, mit dem einzigen
Unterschiede, daß die auf
die Strahlung sich beziehenden Größen auf den ersten Ele-
mentarbereich zu beziehen sind. Speziell erhalten wir an
Stelle von (5) die
Gleichung
| (5a) |
Es folgt also aus den angedeuteten Überlegungen, daß
die pro Molekülzerfall
absorbierte Energie nicht von der Eigen-
frequenz des absorbierenden Moleküls
sondern von der Frequenz
der den Zerfall bewirkenden Strahlung abhängt.
Sollte dies
bei (5a) aber nicht zutreffen, so müßte man meiner Meinung
nach
daraus schließen, daß Absorption bzw. Emission der
verschiedenen wirksamen
Frequenzbereiche nicht unabhängig
voneinander erfolgen, sondern zwangläufig
miteinander ver-
bunden sind. Es wäre dann eben die von uns betrachtete
virtuelle Verschiebung als eine mit den Elementargesetzen
nicht vereinbare
anzusehen.
Prag, Mai 1912.
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1) Dieser Modus wäre nur dann unzulässig, wenn die elementaren
Gesetze der
Absorption und Emission so beschaffen wären, daß mit der
Absorption bzw. Emission
von Strahlung einer Frequenz Absorption bzw.
Emission anderer Frequenzen
zwangläufig verbunden wäre.
(Eingegangen 12, Mai 1912.)
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