3. Statistische Untersuchung der Bewegung eines
Resonators in einem Strahlungsfeld;
von A. Einstein
und L. Hopf.
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§ 1. Gedankengang.
Es ist bereits auf verschiedenen Wegen gezeigt worden
und heute wohl
allgemein anerkannt, daß unsere gegenwärtigen
Anschauungen von der Verteilung
und Ausbreitung der elektro-
magnetischen Energie einerseits, von der
statistischen Energie-
verteilung anderseits, bei richtiger Anwendung in der
Strahlen-
theorie zu keinem anderen als dem sogenannten Rayleigh-
schen
(Jeansschen) Strahlungsgesetz führen können. Da dieses
mit der Erfahrung in
vollkommenem Widerspruch steht, ist
es nötig, an den Grundlagen der zur
Ableitung verwendeten
Theorien eine Änderung vorzunehmen, und man
hat vielfach
vermutet, daß die Anwendung der statistischen Energiever-
teilungsgesetze auf die Strahlung oder auf rasch oszillierende
Bewegungen
(Resonatoren) nicht einwandfrei sei. Die folgende
Untersuchung soll nun
zeigen, daß es einer derartigen zweifel-
haften Anwendung gar nicht bedarf,
und daß es genügt, den
Satz der Äquipartition der Energie nur auf die
fortschreitende
Bewegung der Moleküle und Oszillatoren anzuwenden, um zum
Rayleighschen Strahlungsgesetz zu gelangen. Die Anwen-
dungsfähigkeit des
Satzes auf die fortschreitende Bewegung ist
durch die Erfolge der kinetischen
Gastheorie genügend er-
wiesen; wir werden daher schließen dürfen, daß erst eine
prinzipiellere und tiefer gehende Änderung der grundlegenden
Anschauungen
zu einem der Erfahrung besser entsprechenden
Strahlungsgesetz führen
kann.
Wir betrachten einen beweglichen elektromagnetischen Os-
zillator1), der
einesteils den Wirkungen eines Strahlungsfeldes
unterliegt, andernteils mit einer
Masse m behaftet ist und mit den
im Strahlungsraum vorhandenen Molekülen in
Wechselwirkung
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1) Der Einfachheit halber werden wir annehmen, der Oszillator
schwinge nur
in der z-Richtung und sei nur in der x Richtung beweglich.
tritt. Betände diese letztere Wechselwirkung allein, so wäre
der quadratische
Mittelwert der Bewegungsgröße der fort-
schreitenden Bewegung des Oszillators
durch die statistische
Mechanik vollkommen bestimmt. In unserem Falle besteht
außerdem die Wechselwirkung des Oszillators mit dem Strah-
lungsfelde. Damit
statistisches Gleichgewicht möglich sei,
darf diese letztere Wechselwirkung an
jenem Mittelwerte nichts
ändern. Mit anderen Worten: der quadratische
Mittelwert
der Bewegungsgröße der fortschreitenden Bewegung, welchen
der
Oszillator unter der Einwirkung der Strahlung allein an-
nimmt, muß derselbe sein
wie derjenige, welchen er nach der
statistischen Mechanik unter der mechanischen
Einwirkung der
Moleküle allein annähme. Damit reduziert sich das Problem
auf
dasjenige, den quadratischen Mittelwert (mv)2 der Be-
wegungsgröße zu
ermitteln, den der Oszillator unter der Ein-
wirkung des Strahlungsfeldes allein
annimmt.
Dieser Mittelwert muß zur Zeit t = 0 derselbe sein wie
zur Zeit t = , so daß
man hat:
Für das folgende ist es zweckmäßig, zweierlei Kraft-
wirkungen zu
unterscheiden, durch welche das Strahlungsfeld
den Oszillator beeinflußt,
nämlich
1. Die Widerstandskraft K, welche der Strahlungsdruck
einer geradlinigen
Bewegung des Oszillators entgegenstellt.
Diese ist bei Vernachlässigung der
Glieder von Größenordnung
(v c)2 (c = Lichtgeschwindigkeit) proportional der
Geschwindig-
keit v, wir können also schreiben: K = -P v. Nehmen wir
ferner an,
daß während der Zeit die Geschwindigkeit v sich
nicht merklich ändert, so wird
der von dieser Kraft her-
rührende Impuls = -P v .
2. Die Schwankungen des elektromagnetischen Im-
pulses, die infolge
der Bewegung elektrischer Massen im un-
geordneten Strahlungsfelde
auftreten. Diese können ebensowohl
positiv, wie negativ sein und sind
von dem Umstande, daß
der Oszillator bewegt ist, in erster Annäherung
unabhängig.
Diese Impulse superponieren sich während der Zeit auf
den Impuls (m)t=0
und unsere Gleichung wird:
| (1) |
Durch Vergrößerung der Masse m können wir jederzeit
erreichen, daß das mit
2 multiplizierte Glied, welches auf der
rechten Seite von Gleichung (1) erscheint,
vernachlässigt werden
darf. Ferner verschwindet das mit v multiplizierte Glied,
da v und voneinander ganz unabhängig sowohl negativ wie
positiv werden
können. Ersetzen wir noch mv2 durch die
Temperatur mittels der aus der
Gastheorie bekannten
Gleichung:
(R = absolute Gaskonstante, N = Loschmidtsche Zahl), so er-
hält Gleichung (1)
die Form:
| (2) |
Wir haben also nur 2 und P (bzw. K) durch elektromagne-
tische Betrachtungen
zu ermitteln, dann liefert Gleichung (2)
das Strahlungsgesetz.
§ 2. Berechnung der Kraft K.1)
| (3) |
Hierbei ist noch eine für die Dämpfung des Oszillators durch
Ausstrahlung
charakteristische Konstante.
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1) Vgl. auch M. Abraham, Ann. d. Phys. 14. p. 273 ff., 1904.
2) M. Planck, Vorl. über die Theorie der Wärmestrahlung p. 113.
Es falle nun eine ebene Welle auf den Oszillator; der
Strahl schließe mit der
z-Achse den Winkel ein, seine Pro-
jektion auf die xy-Ebene mit der x-Achse
den Winkel . Zer-
legen wir diese Welle in zwei senkrecht zueinander polarisierte,
davon die elektrische Kraft der einen in der Strahloszillator-
ebene liege, die der
anderen senkrecht dazu, so ist klar, daß
nur die erstere dem Oszillator ein gewisses
Moment erteilt.
Schreiben wir die elektrische Kraft dieser ersteren Wellen als
Fouriersche Reihe
| (4) |
wobei T eine sehr große Zeit bedeute, so drücken sich die
Richtungskosinus
, , des Strahles durch und in folgen-
der Weise aus:
und die für unsere weitere Rechnung in Betracht kommenden
Komponenten der
elektrischen und der magnetischen Kraft sind:
| (5) |
Die ponderomotorische Kraft, welche auf den Oszillator aus-
geübt wird,
ist
Damit diese Gleichung, sowie Gleichung (3) gültig sei, muß
angenommen
werden, daß die Abmessungen des Oszillators
stets klein seien gegen die in
Betracht kommenden Strahlungs-
wellenlängen. Die x-Komponente kx der
ponderomotorischen
Kraft ist
| (6) |
Durch Auflösung von (3)1) erhalten wir mit Berücksichtigung
von (4) und
(5):
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1) M. Planck, l. c. p. 114.
wobei zur Abkürzung
gesetzt ist und n durch die Gleichung gegeben ist:
Da ferner:
erscheint kx als Doppelsumme:
Bei der Mittelwertbildung kommen wegen der Unabhängigkeit
der Phasenwinkel
voneinander nur die Glieder n = m in Be-
tracht2) und es wird:
| (7) |
Dies ist der Mittelwert der x-Komponente der Kraft, welche
eine in Richtung ,
einfallende Welle auf den ruhenden
Oszillator ausübt.
Bewegt sich der Oszillator in der x-Richtung mit der Ge-
schwindigkeit v, so
ersetzen wir die Winkel , praktischer
durch den Winkel 1 zwischen Strahl
und x-Achse und den
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1) Eigentlich wäre dieser Ausdruck für Gx z ebenso wie der
fü Hy durch
die Komponenten der Welle zu ergänzen, die senkrecht zu
der den Oszillator
erregenden polarisiert ist; doch ist klar, daß diese
Ausdrücke wegen der
Unabhängigkeit ihrer Phasen von denjenigen des
Oszillators nichts zum
Mittelwert der Kraft beitragen.
2) Diese Unabhängigkeit folgt aus dem Endergebnis der vorher-
gehenden
Abhandlung.
3) M. Planck, l. c. p. 122.
Winkel 1 zwischen der Projektion des Strahles auf die y z-
Ebene und der
y - Achse. Es gelten dann die Beziehungen:
Zum Werte der Kraft kx', welche auf den bewegten Oszillator
wirkt, führen uns die
Transformationsformeln der Relativitäts-
theorie1)
Es wird:
Nun ist, wenn Glieder mit (v c)2 vernachlässigt werden:
oder, da wir alles auf die Eigenschwingung 0' des bewegten
Oszillators zu
beziehen haben:
Wir drücken weiterhin die Größe A2 T durch die mittlere
Strahlungsdichte aus.
Die mittlere Energie einer ebenen
Welle, welche aus einer bestimmten Richtung
kommt, setzen
wir gleich der Energiedichte in einem Kegel vom Öffnungs-
winkel
dx. Nehmen wir noch Rücksicht auf die Gleichheit
der elektrischen und
magnetischen Kraft und auf die beiden
Polarisationsebenen, so gelangen wir zu
der Beziehung:
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1) A. Einstein, Ann. d. Phys. 17. p. 914. 1905.
Unser Kraftausdruck wird:
| (8) |
Integrieren wir schließlich noch über alle Öffnungswinkel, so
erhalten wir die
gesuchte Gesamtkraft:
| (9) |
§ 3. Berechnung der Impulsschwankungen 2 .
Die Berechnung der Impulsschwankungen läßt sich gegen-
über der
Kraftberechnung bedeutend vereinfachen, da eine
Transformation nach der
Relativitätstheorie unnötig ist.1) Es
genügt, die elektrische und magnetische Kraft
im Anfangs-
punkt, als nur von der Zeit abhängig, in eine Fourierreihe zu
entwickeln, wenn man nur den Beweis führen kann, daß die
einzelnen in
diesem Ausdruck auftretenden Kraftkomponenten
voneinander unabhängig
sind.
Der Impuls, welchen der Oszillator in der Zeit in der
x-Richtung erfährt,
ist:
Partielle Integration ergibt:
Der erste Summand verschwindet, wenn man passend wählt,
bzw. wenn groß
genug ist. Setzt man noch -- nach der
Maxwellschen Gleichung
so gelangt man zu dem einfachen Ausdruck:
| (10) |
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1) Die von den Unregelmäßigkeiten des Strahlungsvorganges her-
rührenden
Impulse wechselnden Vorzeichens können nämlich für einen
ruhenden Resonator
ermittelt werden.
Nun treten in unserem Ausdruck nur die Komponente Ez und
ihre Ableitung
Gz x auf. Deren Unabhängkeit läßt sich
aber leicht nachweisen. Denn
betrachten wir nur zwei sich
entgegenkommende Wellenzüge (vom gleichen
Öffnungswinkel),
so können wir schreiben:
Die Größen an + an', a
n - an' sind aber voneinander unab-
hängig
und vom selben Charakter, wie die in der vorangehen-
den Abhandlung
mit S bezeichneten; für solche ist dort nach-
gewiesen, daß sich das
Wahrscheinlichkeitsgesetz einer Kombi-
nation darstellt als Produkt von
Gaussschen Fehlerfunktionen
der einzelnen Größen. Aus dem Gesagten
schließt man leicht,
daß zwischen den Koeffizienten der Entwickelungen
von Gz und
Gz/ x keinerlei Wahrscheinlichkeitsbeziehung bestehen
kann.
Wir setzen nun Gz und Gz/ x als Fourierreihen an:
Dann wird:
und
Bei der Integration über t ergeben sich zwei Summanden mit
den Faktoren
1/n + m und 1/n - m; da n und m sehr große
Zahlen sind, ist der erstere
sehr klein, kann also vernach-
lässigt werden. Man gelangt so zu dem
Ausdruck:
| (11) |
mit der Abkürzung:
J2 erscheint dann als vierfache Summe über n, m und zwei
weitere Variable n'
und m'. Bilden wir den Mittelwert J2, so
haben wir darauf zu achten, daß die
Winkel mn und m'n'
vollkommen voneinander unabhängig sind, daß also bei
der
Mittelwertbildung nur die Terme in Betracht kommen, bei
denen
diese Unabhängigkeit aufgehoben ist. Ersichtlich ist
dies nur der Fall,
wenn
gelangen wir zu dem gesuchten Mittelwert:
da
und
wird:
| (12) |
Nun ist:
und da die Mittelwerte und verschwinden, gibt Aus-
druck (12) den Wert der
Impulsschwankungen 2 selbst an.
Es erübrigt noch die Mittelwerte der Amplituden B0 T 2 und
C
0 T 2 durch die
Strahlungsdichte 0 auszudrücken.
Zu diesem Zweck müssen wir wieder die von den ver-
schiedenen Richtungen
herkommende Strahlung betrachten und,
wie oben, die Amplitude der aus einer
bestimmten Richtung
kommenden Strahlung mit der Energiedichte in Beziehung
setzen durch die Gleichung:
Die Amplitude:
über alle Einfallswinkel, also
| (13) |
Analog ergibt sich:
| (14) |
So erhalten wir schließlich durch Einsetzen von (13) und (14)
in (12):
| (15) |
§ 5. Das Strahlungsgesetz.
Wir haben jetzt nur noch die gefundenen Werte (9)
und (15) in unsere
Gleichung (2) einzusetzen, so gelangen wir
zu der das Strahlungsgesetz
enthaltenden Differentialgleichung:
welche integriert ergibt:
| (16) |
Dies ist das wohlbekannte Rayleighsche Strahlungsgesetz,
welches mit der
Erfabrung im grellsten Widerspruche steht.
In den Grundlagen unserer Ableitung
muß also eine Aussage
stecken, welche sich mit den wirklichen Erscheinungen bei
der Temperaturstrahlung nicht im Einklang befindet.
Betrachten wir darum diese Grundlagen kritisch näher:
Man hat den Grund dafür, daß alle exakten statistischen
Betrachtungen im
Gebiete der Strahlungslehre zum Rayleigh-
schen Gesetze führen, in der Anwendung dieser Betrachtungs-
weise auf die
Strahlung selbst finden wollen. Planck1) hält
dies Argument mit einem gewissen
Recht der Jeansschen
Ableitung entgegen. Bei der obigen Ableitung war aber von
einer irgendwie willkürlichen Übertragung statistischer Be-
trachtungen auf die
Strahlung gar nicht die Rede; der Satz
von der Äquipartition der Energie
wurde nur auf die fort-
schreitende Bewegung der Oszillatoren angewandt.
Die Er-
folge der kinetischen Gastheorie zeigen aber, daß für die fort-
schreitende Bewegung dieser Satz als durchaus bewiesen an-
gesehen werden
kann.
Das bei unserer Ableitung benutzte theoretische Funda-
ment, das eine
unzutreffende Annahme enthalten muß, ist
also kein anderes, als das der
Dispersionstheorie des Lichtes
bei vollkommen durchsichtigen Körpern zugrunde
liegende.
Die wirklichen Erscheinungen unterscheiden sich von den aus
diesem
Fundament zu erschließenden Resultaten dadurch, daß
bei ersteren noch
Impulsschwankungen anderer Art sich be-
merkbar machen, die bei kurzwelliger
Strahlung von geringer
Dichte die von der Theorie gelieferten ungeheuer
überwiegen.3)
Zürich, August 1910.
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1) M. Planck, 1. c. p. 178.
2) Vgl. A. Einstein, Phys. Zeitschr. 10. p. 185 ff. Das wesentlich
Neue der
vorliegenden Arbeit besteht darin, daß die Impulsschwankungen
zum erstenmal
exakt ausgerechnet wurden.
(Eingegangen 29. August 1910.)
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