11.Theorie der Opaleszenz von homogenen
Flüssigkeiten und Flüssigkeitsgemischen in der
Nähe des kritischen Zustandes;
von A. Einstein.

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Smoluchowski hat in einer wichtigen theoretischen
Arbeit1) gezeigt, daß die Opaleszenz bei Flüssigkeiten in der
Nähe des kritischen Zustandes sowie die Opaleszenz bei Flüssig-
keitsgemischen in der Nähe des kritischen Mischungsverhält-
nisses und der kritischen Temperatur vom Standpunkte der
Molekulartheorie der Wärme aus in einfacher Weise erklärt
werden kann. Jene Erklärung beruht auf folgender allge-
meiner Folgerung aus Boltzmanns Entropie -- Wahrschein-
lichkeitsprinzip: Ein nach außen abgeschlossenes physikalisches
System durchläuft im Laufe unendlich langer Zeit alle Zu-
stände, welche mit dem (konstanten) Wert seiner Energie ver-
einbar sind. Die statistische Wahrscheinlichkeit eines Zu-
standes ist hierbei aber nur dann merklich von Null ver-
schieden, wenn die Arbeit, die man nach der Thermodynamik
zur Erzeugung des Zustandes aus dem Zustande idealen thermo-
dynamischen Gleichgewichtes aufwenden müßte, von derselben
Größenordnung ist, wie die kinetische Energie eines einatomigen
Gasmoleküls bei der betreffenden Temperatur.

Wenn eine derart kleine Arbeit genügt, um in Flüssig-
keitsräumen von der Größenordnung eines Wellenlängenkubus
eine von der mittleren Dichte der Flüssigkeit merklich ab-
weichende Dichte bzw. ein von dem mittleren merklich ab-
weichendes Mischungsverhältnis herbeizuführen, so muß slso
offenbar die Erscheinung der Opaleszenz (Tyndallphänomen)
auftreten. Smoluchowski zeigte, daß diese Bedingung in
der Nähe der kritischen Zustände tatsächlich erfüllt ist; er
hat aber keine exakte Berechnung der Menge des durch Opa-
leszenz seitlich abgegebenen Lichtes gegeben. Diese Lücke
soll im folgenden ausgefüllt werden.

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1) M. v. Smoluchowski, Ann. d. Phys. 25. p. 205--226. 1908.

§ 1. Allgemeines über das Boltzmannsche Prinzip.

Das Boltzmannsche Prinzip kann durch die Gleichung

     R--
S =  N  lg W  + konst.
(1)

formuliert werden. Hierbei bedeutet

R die Gaskonstante,
N die Zahl der Moleküle in einem Grammolekül,
S die Entropie,
W ist die Größe, welche als die ,,Wahrscheinlichkeit“ desjenigen Zu-
standes bezeichnet zu werden pflegt, welchem der Entropiewert S
zukommt.

Gewöhnlich wird W gleichgesetzt der Anzahl der mög-
lichen verschiedenen Arten (Kompexionen), in welchen der ins
Auge gefaßte, durch die beobachtbaren Parameter eines Systems
im Sinne einer Molekulartheorie unvollständig definierte Zu-
stand realisiert gedacht werden kann. Um W berechnen zu
können, braucht man eine vollständige Theorie (etwa eine voll-
ständige molekular-mechanische Theorie) des ins Auge ge-
faßten Systems. Deshalb erscheint es fraglich, ob bei dieser
Art der Auffassung dem Boltzmannschen Prinzip allein, d. h.
ohne eine vollständige molekular-mechanische oder sonstige
die Elementarvorgänge vollständig darstellende Theorie (Ele-
mentartheorie) irgend ein Sinn zukommt. Gleichung (1) er-
scheint ohne Beigabe einer Elementartheorie oder -- wie man
es auch wohl ausdrücken kann -- vom phänomenologischen
Standpunkt aus betrachtet inhaltlos.

Das Boltzmannsche Prinzip erhält jedoch einen Inhalt
unabhängig von jeder Elementartheorie, wenn man aus der
Molekularkinetik den Satz annimmt und verallgemeinert, daß
die Nichtumkehrbarkeit der physikalischen Vorgänge nur eine
scheinbare sei.

Es sei nämlich der Zustand eines Systems in phänomeno-
logischem Sinne bestimmt durch die prinzipiell beobachtbaren
Variabeln c1 ... cn. Jedem Zustand Z entspricht eine Kombi-
nation von Werten dieser Variabeln. Ist das System nach
außen abgeschlossen, so ist die Energie -- und zwar im all-
gemeinen außer dieser keine andere Funktion der Variabeln
-- unveränderlich. Wir denken uns alle mit dem Energie-

wert des Systems vereinbarten Zustände des Systems und be-
zeichnen sie mit Z1 ... Zn Wenn die Nichtumkehrbarkeit der
Vorgänge keine prinzipielle ist, so werden diese Zustände
Z1 ... Zl im Laufe der Zeit immer wieder vom System durch-
laufen werden. Unter dieser Annahme kann man in folgen-
dem Sinne von der Wahrscheinlichkeit der einzelnen Zustände
sprechen. Denkt man sich das System eine ungeheuer lange
Zeit Q hindurch beobachtet und den Bruchteil t1 der Zeit Q
ermittelt, in welchem das System den Zustand Z1 hat, so ist
t1/Q die Wahrscheinlichkeit des Zustandes Z1. Analoges gilt
für die Wahrscheinlichkeit der übrigen Zustände Z. Wir
haben nach Boltzmann die scheinbare Nichtumkehrbarkeit
darauf zurückzuführen, daß die Zustände von verschiedener
Wahrscheinlichkeit sind, und daß das System wahrscheinlich
Zustände größerer Wahrscheinlichkeit annimmt, wenn es sich
gerade in einem Zustande relativ geringer Wahrscheinlichkeit
befindet. Das scheinbar vollkommen Gesetzmäßige nichtum-
kehrbarer Vorgänge ist darauf zurückzuführen, daß die Wahr-
scheinlichkeiten der einzelnen Zustände Z von verschiedener
Größenordnung sind, so daß von allen an einen bestimmten
Zustand Z angrenzenden Zuständen einer wegen seiner gegen-
über den anderen ungeheuren Wahrscheinlichkeit praktisch
immer auf den erstgenannten Zustand folgen wird.

Die soeben fortgesetzte Wahrscheinlichkeit, zu deren Defi-
nation es keiner Elementartheorie bedarf, ist es, welche mit
der Entropie in der durch Gleichung (1) ausgedrückten Be-
ziehung steht. Daß Gleichung (1) für die so definierte Wahr-
scheinlichkeit wirklich gelten muß, ist leicht einzusehen. Die
Entropie ist nämlich eine Funktion, welche (innerhalb des
Gültigkeitsbereiches der Thermodynamik) bei keinem Vorgange
abnimmt, bei welchem das System ein isoliertes ist. Es gibt
noch andere Funktionen, welche diese Eigenschaft haben; alle
aber sind, falls die Energie E die einzige zeitlich invariante
Funktion des Systems ist, von der Form f(S, E) , wobei @ f/ @ S
stets positiv ist. Da die Wahrscheinlichkeit W ebenfalls eine
bei keinem Prozesse abnehmende Funktion ist, so ist auch W
eine Funktion von S und E allein, oder -- wenn nur Zu-
stände derselben Energie verglichen werden -- eine Funktion
von S allein. Daß die zwischen S und W in Gleichung (1)

gegebene Beziehung die einzig mögliche ist, kann bekanntlich
aus dem Satze abgeleitet werden, daß die Entropie eines aus
Teilsystemen bestehenden Gesamtsystems gleich ist der Summe
der Entropien der Teilsysteme. So kann Gleichung (1) für
alle Zustände Z bewiesen werden, die zu demselben Wert der
Energie gehören.

Dieser Auffassung des Boltzmannschen Prinzipes steht
zunächst folgender Einwand entgegen. Man kann nicht von
der statistischen Wahrscheinlichkeit eines Zustandes, sondern
nur von der eines Zustandsgebietes reden. Ein solches ist defi-
niert durch einen Teil g der ,,Energiefläche“ E (c  ...c )
  1     n = 0.
W sinkt offenbar mit der Größe des gewählten Teiles der
Energiefläche zu Null herab. Hierdurch würde Gleichung (1)
durchaus bedeutungslos, wenn die Beziehung zwischen S und W
nicht von ganz besonderer Art wäre. Es tritt nämlich in (1)
lg W mit dem sehr kleinen Faktor R/ N multipliziert auf.
Denkt man sich W für ein so großes Gebiet Gw ermittelt, daß
dessen Abmessungen etwa an der Grenze des Wahrnehmbaren
liegen, so wird lg W einen bestimmten Wert haben. Wird
das Gebiet etwa e10 mal verkleinert, so wird die rechte Seite
nur um die verschwindend kleine Größe 10 (R/N  ) wegen der
Verminderung der Gebietsgröße verkleinert. Wenn daher die
Abmessungen des Gebietes zwar klein gewählt werden gegen-
über beobachtbaren Abmessungen, aber doch so groß, daß
R/ N lg Gw/ G numerisch von vernachlässigbarer Größe ist, so
hat Gleichung (1) einen genügend genauen Inhalt.

Es wurde bisher angenommen, daß c1 ...cn den Zustand
des betrachteten Systems im phänomenologischen Sinne voll-
ständig bestimmen. Gleichung (1) behält ihre Bedeutung aber
auch ungeschmälert bei, wenn wir nach der Wahrscheinlich-
keit eines im phänomenologischen Sinne unvollständig be-
stimmten Zustandes fragen. Fragen wir nämlich nach der
Wahrscheinlichkeit eines Zustandes, der durch bestimmte Werte
von c1 ...cn definiert ist (wobei n < n), während wir die
Werte von cn ...cn unbestimmt lassen. Unter allen Zu-
ständen mit den Werten c1 ...cn werden diejenigen Werte
von cn ...cn weitaus die häufigsten sein, welche die Entropie
des Systems bei konstantem c1 ...cn zu einem Maximum
machen. Zwischen diesem Maximalwerte der Energie und

der Wahrscheinlichkeit dieses Zustandes wird in diesem Falle
Gleichung (1) bestehen.

§ 2. Über die Abweichungen von einem Zustande
thermodynamischen Gleichgewichtes.

Wir wollen nun aus Gleichung (1) Schlüsse ziehen über
den Zusammenhang zwischen den thermodynamischen Eigen-
schaften eines Systems und dessen statistischen Eigenschaften.
Gleichung (1) liefert unmittelbar die Wahrscheinlichkeit eines
Zustandes, wenn die Entropie desselben gegeben ist. Wir
haben jedoch gesehen, daß diese Beziehung keine exakte ist;
es kann vielmehr bei bekanntem S nur die Größenordnung
der Wahrscheinlichkeit W des betreffenden Zustandes ermittelt
werden. Trotzdem aber können aus (1) genaue Beziehungen
über das statistische Verhalten eines Systems abgeleitet werden,
und zwar in dem Falle, daß der Bereich der Zustandsvariabeln,
für welchen W in Betracht kommende Werte hat, als unend-
lich klein angesehen werden kann.

Aus Gleichung (1) folgt

W  =  konst.eNR-S .

Diese Gleichung gilt der Größenordnung nach, wenn man
jedem Zustand Z ein kleines Gebiet, von der Größenordnung
wahrnehmbarer Gebiete, zuordnet. Die Konstante bestimmt
sich der Größenordnung nach durch die Erwägung, daß W
für den Zustand des Entropiemaximums (Entropie S0) von der
Größenordnung Eins ist, so daß man der Größenordnung
nach hat

      NR (S-S0)
W  = e        .

Daraus ist zu folgern, daß die Wahrscheinlichkeit dW dafür,
daß die Größen c1 ...cn zwischen c1 und c1 + dc1 ...cn
und cn + dcn liegen, der Größenordnung nach gegeben ist
durch die Gleichung1)

        N-
d W  = eR (S-S0).dc1  ..d cn

----------

1) Wir wollen annehmen, daß Gebiete von Ausdehnungen beob-
achtbarer Größe in den c endlich ausgedehnt sind.

und zwar in dem Falle, daß das System durch die c1 ...cn
(in phänomenologischem Sinne) nur unvollständig bestimmt ist.1)
Genau genommen unterscheidet sich dW von dem gegebenen
Ausdruck noch durch einen Faktor f, so daß zu setzen ist

        N
d W  = eR-(S-S0).f .d c1 ...d cn.

Dabei wird f eine Funktion von c1 ...cn und von solcher
Größenordnung sein, daß es die Größenordnung des Faktors
auf der rechten Seite nicht beeinträchtigt.2)

Wir bilden nun dW für die unmittelbare Umgebung eines
Entropiemaximums. Es ist, falls die Taylorsche Entwicke-
lung in dem in Betracht kommenden Bereich konvergiert, zu
setzen

         1  sum   sum 
S = S0 - 2     ( smn cm) cn + ...
          sum        @ f
f = f0 +    cn   ----   + ...
                 @ cn

falls für den Zustand des Entropiemaximums c1 = c2 = ...cn = 0
ist. Die Doppelsumme im Ausdruck für S ist, weil es sich
um ein Entropiemaximum handelt, wesentlich positiv. Man
kann daher statt der c neue Variable einführen, so daß sich
jene Doppelsumme in eine einfache Summe verwandelt, in der
nur die Quadrate der wieder mit c bezeichneten neuen Varia-
beln auftreten. Man erhält

                N-  sum    2+... [      sum   ( @ f   )]
d W  = konst.e- 2R   sncn   . f0 +       ----cn    d c1 ...d cn.
                                         @ cn

Die im Exponenten auftretenden Glieder erscheinen mit der
sehr großen Zahl N/R multipliziert. Deshalb wird der Expo-
nentialfaktor im allgemeinen bereits für solche Werte der c
praktisch verschwinden, die wegen ihrer Kleinheit keinen vom
Zustand thermodynamischen Gleichgewichtes irgendwie erheb-
lich abweichenden Zuständen des Systems entsprechen. Für
----------

1) Im anderen Falle wäre die Mannigfaltigkeit der möglichen Zu-
stände wegen des Energieprinzipes nur (n - 1) dimensional.

2) Über die Größenordnung der Ableitungen der Funktion f nach
den c wissen wir nichts. Wir wollen aber im folgenden annehmen, daß
die Ableitungen von f der Größenordnung nach der Funktion f selbst
gleich sind.

derartig kleine Werte c wird man stets den Faktor f durch
denjenigen Wert f0 ersetzen können, den er im Zustand des
thermodynamischen Gleichgewichtes hat. In allen diesen Fällen,
in denen die Variablen nur wenig von ihren dem idealen
thermischen Gleichgewicht entsprechenden Werten abweichen,
kann also die Formel durch

                N-
d W  = konst.e- R (S- S0).d c1 ...d cn
(2)

ersetzt werden.

Für derart kleine Abweichungen vom thermodynamischen
Gleichgewicht, wie sie für unseren Fall in Betracht kommen,
hat die Größe S - S0 eine anschauliche Bedeutung. Denkt
man sich die uns interessierenden Zustände in der Nähe des
thermodynamischen Gleichgewichtes durch äußere Einwirkung
in umkehrbarer Weise hergestellt, so gilt nach der Thermo-
dynamik für jeden Elementarvorgang die Energiegleichung

d U = d A + T d S,

falls man mit U die Energie des Systems, mit dA die dem-
selben zugeführte elementare Arbeit bezeichnet. Uns inter-
essieren nur Zustände, welche ein nach außen abgeschlossenes
System annehmen kann, also Zustände, die zu dem nämlichen
Energiewerte gehören. Für den Übergang eines solchen Zu-
standes in einen benachbarten ist dU = 0. Es wird ferner
nur einen vernachlässigbaren Fehler bedingen, wenn wir in
obiger Gleichung T durch die Temperatur T0 des thermo-
dynamischen Gleichgewichtes ersetzen. Obige Gleichung geht
dann über in

d A + T0 dS =  0

oder

 integral 
                   1
   dS =  S - S0 =  --A ,
                   T0
(3)

wobei A die Arbeit bedeutet, welche man nach der Thermo-
dynamik aufwenden müßte, um das System aus dem Zustande
thermodynamischen Gleichgewichtes in den betrachteten Zu-
stand überzuführen. Wir können also Gleichung (2) in der
Form schreiben

               N
dW  =  konst.eR-T0 Ad c1 ...d cn .
(2a)

Die Parameter c denken wir uns nun so gewählt, daß
sie beim thermodynamischen Gleichgewicht gerade verschwin-
den. In einer gewissen Umgebung wird A nach den c nach
dem Taylorschen Satz entwickelbar sein, welche Entwicke-
lung bei passender Wahl der c die Gestalt haben wird
A + 1 2  sum an cn 2 + Glieder höheren als zweiten Grades in den c,
wobei die a n sämtlich positiv sind. Da ferner im Exponenten
der Gleichung (2a) die Größe A mit dem sehr großen Faktor
N/ RT0 multipliziert erscheint, so wird der Exponentialfaktor
im allgemeinen nur für sehr kleine Werte von A, also auch
für sehr kleine Werte der c merkbar von Null abweichen.
Für derart kleine Werte der c werden im allgemeinen die
Glieder höheren als ersten Grades im Ausdruck von A gegen-
über den Gliedern zweiten Grades nur vernachlässigbare
Beiträge liefern. Ist dies der Fall, so können wir für Glei-
chung (2a) setzen

              - 2NRT-  sum  an dn2
d W  = konst.e     0        dc1 ... dcn,
(2b)

eine Gleichung, welche die Form des Gaussschen Fehler-
gesetzes hat.

Auf diesen wichtigsten Spezialfall wollen wir uns in dieser
Arbeit beschränken. Aus (2b) folgt unmittelbar, daß der
Mittelwert der auf den Parameter cn entfallenden Abweichungs-
arbeit An den Wert hat

---    --------   R T0
An  =  12 an cn2 = -----.
                   2N
(4)

Diese mittlere Arbeit ist also gleich dem dritten Teil der
mittleren kinetischen Energie eines einatomigen Gasmoleküls.

§ 3. Über die Abweichungen der räumlichen Verteilung von
Flüssigkeiten und Flüssigkeitsgemischen von der gleichmäßigen
Verteilung.

Wir bezeichnen mit r0 die mittlere Dichte einer homo-
genen Substanz bzw. die mittlere Dichte der einen Kompo-
nente eines binären Flüssigkeitsgemisches. Wegen der Un-
regelmäßigkeit der Wärmebewegung wird die Dichte r in einem
Punkte der Flüssigkeit von r0 im allgemeinen verschieden

sein. Ist die Flüssigkeit in einen Würfel eingeschlossen,
welcher bezüglich eines Koordinatensystems durch

0 < x < L ,

0 < y < L

und

0 < z < L

charakterisiert ist, so können wir für das Innere dieses Würfels
setzen

   r = r  + D ,
{        sum 0  sum   sum 
   D =             Br st cos 2 p r-x-cos 2 ps -y--cos 2 pt -z--.
         r   s  t                2 L          2 L          2 L
(5)

Die Größen r, s, t bedeuten die ganzen positiven Zahlen.
Hierzu ist aber folgendes zu bemerken.

Streng genommen kann man nicht von der Dichte einer
Flüssigkeit in einem Raumpunkte reden, sondern nur von der
mittleren Dichte in einem Raume, dessen Abmessungen groß
sind gegenüber der mittleren Distanz benachbarter Moleküle.
Aus diesem Grunde werden die Glieder der Entwickelung, bei
denen eine der Größen r, s, t oberhalb gewisser Grenzen
liegt, keine physikalische Bedeutung besitzen. Aus dem fol-
genden wird man aber ersehen, daß dieser Umstand für uns
nicht von Bedeutung ist.

Die Größen Br, s, t werden sich mit der Zeit ändern, derart,
daß sie im Mittel gleich Null sind. Wir fragen nach den
statistischen Gesetzen, denen die Größen B unterliegen. Diese
spielen die Rolle der Parameter c des vorigen Paragraphen,
welche den Zustand unseres Systems im phänomenologischen
Sinne bestimmen.

Diese statistischen Gesetze erhalten wir nach dem vorigen
Paragraphen, indem wir die Arbeit A in Funktion der Größen B
ermitteln. Dies ist auf folgende Weise möglich. Bezeichnen
wir mit f(r) die Arbeit, die man aufwenden muß, um die
Masseneinheit von der mittleren Dichte r0 isotherm auf die
Dichte r zu bringen, so hat diese Arbeit für die im Volumen-
element dt befindliche Masse rdt den Wert

r f dt ,

also für den ganzen Flüssigkeitswürfel den Wert

     integral 

A =    r .f.d t .

Wir werden anzunehmen haben, daß die Abweichungen D der
Dichte von der mittleren sehr klein sind und setzen

r = r 0 + D , (    )         (     )
               @ f         1   @2f      2
f =  f (r 0) +  ----   D  + 2   ---2-  D  +  ...
                @ r  0         @ r   0

Hieraus folgt, weil f(r 0) = 0 und  integral D dt = 0 ist,

     (           2  )  integral 
A =    @ f-+ 1r @--f-    D2 d t ,
       @ r   2  @ r2

wobei der Index ,,0“ der Einfachheit halber fortgelassen ist.
Dabei sind im Integranden die Glieder vierten und höheren
Grades weggelassen, was offenbar nur dann erlaubt ist, wenn

           2
@-f-+  1r @-f--
@ r    2  @ r2

nicht allzu klein und die mit D4 usw. multiplizierten Glieder
nicht allzu groß sind. Nach (5) ist aber

 integral             3  sum   sum    sum 
   D2 d t = L--            B2    ,
             8   r   s  t   r,s,t

da die Raumintegrale der Doppelprodukte der Fourierschen
Summenglieder verschwinden. Es ist also

     (               )
       @ f   1  @2 f   L3   sum   sum    sum     2
A  =   @-r-+ 2 r-@ r2  -8-            Br st .
                            r   s  t

Drücken wir die Arbeit, die pro Masseneinheit geleistet werden
muß, um aus dem Zustande thermodynamischen Gleichgewichtes
einen Zustand von bestimmtem r zu erzielen, als Funktion
des spezifischen Volumens 1/ r = v aus, setzt man also

f (r) = y (v),

so erhält man noch einfacher

     L3- 3 @2-y- sum   sum    sum    2
A =  16 v @ v2            B rst ,
                 r  s   t
(6)

wobei die Größen v und @2 y/ @ v2 für den Zustand des idealen
thermodynamischen Gleichgewichtes einzusetzen sind. Wir be-
merken, daß die Koeffizienten B nur quadratisch, nicht aber

als Doppelprodukte im Ausdrucke für A vorkommen. Es sind
also die Größen B Parameter des Systems von der Art, wie
sie in den Gleichungen (2b) und (4) des vorigen Paragraphen
auftreten. Die Größen B befolgen daher (unabhängig von-
einander) das Gausssche Fehlergesetz, und Gleichung (4) er-
gibt unmittelbar

L3   @2 y ------   R T
---v3-----B 2rst =  ----0.
8     @ v2          N
(7)

Die statistischen Eigenschaften unseres Systems sind also
vollkommen bestimmt bzw. auf die thermodynamisch ermittel-
bare Funktion y zurückgeführt.

Wir bemerken, daß die Vernachlässigung der Glieder mit
D3 usw. nur dann gestattet ist, wenn @2 y/ @ v2 für das ideale
thermodynamische Gleichgewicht nicht allzu klein ist, oder gar
verschwindet. Letzteres findet statt bei Flüssigkeiten und
Flüssigkeitsgemischen, die sich genau im kritischen Zustande
befinden. Innerhalb eines gewissen (sehr kleinen) Bereiches
um den kritischen Zustand werden die Formeln (6) und (7)
ungültig. Es besteht jedoch keine prinzipielle Schwierigkeit
gegen eine Vervollständigung der Theorie durch Berücksichti-
gung der Glieder höheren Grades in den Koeffizienten.1)

§ 4. Berechnung des von einem unendlich wenig inhomogenen
absorptionsfreien Medium abgebeugten Lichtes.

Nachdem wir aus dem Boltzmannschen Prinzip das
statistische Gesetz ermittelt haben, nach welchem die Dichte
einer einheitlichen Substanz bzw. das Mischungsverhältnis einer
Mischung mit dem Orte variiert, gehen wir dazu über, den
Einfluß zu untersuchen, den das Medium auf einen hindurch-
gehenden Lichtstrahl ausübt.

r = r0 + D sei wieder die Dichte in einem Punkte des
Mediums, bzw. falls es sich um eine Mischung handelt, die
räumliche Dichte der einen Komponente. Der betrachtete
Lichtstrahl sei monochromatisch. In bezug auf ihn läßt sich
das Medium durch den Brechungsindex g charakterisieren,
oder durch die zu der betreffenden Frequenz gehörige schein-
----------

1) Vgl. M. v. Smoluchowski, l. c., p. 215.

bare Dielektrizitätskonstante e, die durch die Beziehung g =  V~ --
   e
mit dem Brechungsindex verknüpft ist. Wir setzen

        (@  e)
e = e0 +  ---    D =  e0 + i ;
          @ r  0
(8)

wobei i ebenso wie D als unendlich kleine Größe zu be-
handeln ist.

In jedem Punkte des Mediums gelten die Maxwellschen
Gleichungen, welche -- da wir den Einfluß der Geschwindig-
keit der zeitlichen Änderung von e auf das Licht vernach-
lässigen können, die Form annehmen

e-@ G-= curl H ,         div H  =  0,
c @ t

1-@ H-
c @ t =  - curlG,      div (eG) =  0,

Hierin bedeutet G die elektrische, H die magnetische Feld-
stärke, c die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit. Durch Eliminieren
von H erhält man daraus

-e @2G--
c2 @ t2 = D  G - grad divG  ,
(9)

div (e G) = 0
(10)

Es sei nun G0 das elektrische Feld einer Lichtwelle, wie
es verlaufen würde, wenn e nicht mit dem Orte variierte, wir
wollen sagen ,,das Feld der erregenden Lichtwelle“. Das
wirkliche Feld (Gesamtfeld) G wird sich von G0 unendlich
wenig unterscheiden um das Opaleszenzfeld e, so daß zu
setzen ist

G =  G  + e .
      0
(11)

Setzt man die Ausdrücke für e und G aus (8) und (11)
in (9) und (10) ein, so erhält man bei Vernachlässigung von
unendlich Kleinem zweiter Ordnung, indem man berücksichtigt,
daß G0 die Maxwellschen Gleichungen mit konstanter Dielek-
trizitätskonstante e0 befriedigt,

e  @2e            1   @2G
-02 --2--  D e = - -2 t---20-- grad dive ,
c  @ t            c    @ t
(9a)

div (tG0) + div (e0e) = 0 .
(10a)

Entwickelt man (10a), und berücksichtigt man dabei, daß
div G0 = 0 und grad e0 = 0 ist, so erhält man

          1
div e = - --G0 grad i.
          e0

Setzt man dies in (9a) ein, so ergibt sich

e  @2 e            1  @2 G     1
-02 ---2-  D e = - -2 t----20+  --grad {G0 grad i}=  a,
c  @ t            c    @ t     e0
(9b)

wobei die rechte Seite ein als bekannt anzusehender Vektor
ist, der zur Abkürzung mit ,,a“ bezeichnet ist. Zwischen dem
Opaleszenzfelde e und dem Vektor a besteht also eine Be-
ziehung von derselben Form wie zwischen dem Vektorpotential
und der elektrischen Strömung. Die Lösung lautet bekanntlich

         integral  {a}    r-
e = -1-    ----t0--V-d t ,
    4 p        r
(12)

wobei r die Entfernung von dt vom Aufpunkt, V = c/ ---
 V~  e0 die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Lichtwellen bedeutet. Das
Raumintegral ist über den ganzen Raum auszudehnen, in
welchem das erregende Lichtfeld G0 von Null verschieden ist.
Erstreckt man es nur über einen Teil dieses Raumes, so er-
hält man den Teil des Opaleszenzfeldes, welchen die erregende
Lichtwelle dadurch erzeugt, daß sie den betreffenden Raumteil
durchsetzt.

Wir stellen uns die Aufgabe, denjenigen Teil des Opales-
zenzfeldes zu ermitteln, der von einer erregenden ebenen mono-
chromatischen Lichtwelle im Innern des Würfels

0 < x <  l,

0 < y < l ,
0 < z < l

erzeugt wird. Dabei sei die Kantenlänge l dieses Würfels
klein gegenüber der Kantenlänge L des früher betrachteten
Würfels.

Die erregende ebene Lichtwelle sei gegeben durch

                 (       )
                      n-r
G0 =  A cos 2p n   t-  V   ,
(13)

wobei n den Einheitsvektor der Wellennormale (Komponenten
a, b, g) und r den vom Koordinatenursprung gezogenen Radius-
vektor (Komponenten x, y, z) bedeute. Den Aufpunkt wählen
wir der Einfachheit halber in einer gegen l unendlich großen
Entfernung D auf der X-Achse unseres Koordinatensystems.
Für einen solchen Aufpunkt nimmt Gleichung (12) die Form an:

           integral 
    --1---
e = 4 pD     {a}t1+ xV-d t .
(12a)

Es ist nämlich

     r        D  - x
t0-  --=  t0- ------ .
     V           V

zu setzen, wobei zur Abkürzung

     D-
t0-  V  = t1

gesetzt ist, und man kann den Faktor 1/ r des Integranden
durch den bis auf relativ unendlich Kleines gleichen konstanten
Faktor 1/ D ersetzen.

Wir haben nun das über unsern Würfel von der Kanten-
länge l erstreckte, in (12a) auftretende Raumintegral zu be-
rechnen, indem wir den Ausdruck für a aus (9b) einsetzen.
Diese Rechnung erleichtern wir uns durch die Einführung des
folgenden Symbols. Ist f ein Skalar oder Vektor, der Funktion
ist von x, y, z mit t, so setzen wir

  (               )
                x-      *
f   x, y, z, t1 + V =  f ,

so daß also fx nur von x, y und z abhängig ist. Daraus
folgt für einen Skalar f sofort die Gleichung

                          (    )*
gradf* =  (gradf)* + i 1-  @-f-   ,
                       V    @ t

woraus folgt

                                        (    )
 integral         *        integral       *        1  integral    @ f  *
  (grad f)  dt =    grad f  dt - i --     ----   dt ,
                                   V      @ t

wobei i den Einheitsvektor in Richtung der X-Achse bedeutet.
Das erste der Integrale auf der rechten Seite läßt sich durch
partielle Integration umformen. Bedeutet  R die äußere Ein-
heitsnormale der Oberfläche des Integrationsraumes, ds das
Oberflächenelement, so ist

 integral               integral 
  grad f* dt =    f*  R  ds .

Man hat also

 integral                  integral                 integral  (    )*
           *          *         -1      @ f-
   (gradf)  d t =    f   R  ds - iV      @ t    dt.
(14)

Ist f eine Funktion undulatorischen Charakters, so wird
das Flächenintegral der rechten Seite unserer Gleichung keinen
dem Volum des Integrationsraumes proportionalen, überbaupt
keinen für uns in Betracht kommenden Beitrag leisten. In
diesem Falle kann also ein Integral von der Gestalt

 integral 
   (grad f)* dt

nur zur X-Komponente einen Beitrag liefern.

Bildet man nun die beiden Integrale, welche durch Ein-
setzen von a (Gleichung (9b)) in das in (12a) auftretende
Integral

 integral 
   a*d t

entstehen, so ersieht man, daß das zweite dieser Integrale die
Gestalt der linken Seite von (14) hat, wobei f = G0 grad i ist.
Da dies tatsächlich eine Funktion undulatorischen Charakters
ist, welche zudem verschwindet, wenn grad i an der Oberfläche
verschwindet, so kann nach (14) dies zweite Integral nur zur
X-Komponente von e einen in Betracht kommenden Anteil
liefern. Eine genauere Rechnung lehrt, daß dies zweite Inte-
gral gerade die X-Komponente des ersten Integrales kompensiert.
Wir brauchen dies nicht eigens zu beweisen, weil ex wegen
der Transversalität des Lichtes verschwinden muß. Vermöge
des soeben Gesagten folgt aus (12a) und (9b)

   ex = 0,         integral   (       )
             1          @2G0 y  *
{  ey = - 4p-D-c2-  i   -@-t2--   dt ,
                   integral   (       )*
          ---1----      @2G0-z-
   ez = - 4pD  c2   i    @ t2     dt .
(12b)

Wir berechnen nun ey, indem wir in die zweite dieser Glei-
chungen aus Gleichung (13)

(@2 G0 y )*                         (      x    a x + b y + g z)
  ----2--   = - Ay (2 pn)2 cos 2 pn   t1 + ---  ---------------
   @ t                                     V          V

einsetzen. Ferner ersetzen wir i mittels der Gleichungen (8)

und (5). Wir erhalten so, indem wir Summen- und Integrations-
zeichen vertauschen,

              2                       integral  integral   integral       (                          )
e  = Ay--(2pn)- @-e  sum    sum   sum   B           cos2pn   t +  (1---a)x---b-y---g-z-
 y     4p D c2  @ r              rst                 1            V
                     r   s   t

    (      x )       (      y  )     (       z )
cos  2 pr 2-L-  .cos  2 ps 2-L- ; cos  2p t 2L-- d xd y dz ,

wobei das Raumintegral über den Würfel von der Kanten-
länge l zu erstrecken ist. Das Raumintegral ist von der Form

         integral   integral  integral 
                                       '       '       '
Jr st =       cos (c x + m y + n z) cos c x cos m y cos n z dx dy dz ,

wobei zu berücksichtigen ist, daß c, m, n, c', m', n' als sehr
große Zahlen zu betrachten sind.1) In diesem Falle ist zu
setzen

          (  )3    sin (c - c') l-  sin (m - m') l-  sin (n - n') l-
   J    =   1-  l3 ------------2-. ------------2- .-------------2
{   rst     2        (c---c') l      (m---m')-l       (n---n')-l-
                         2               2                2
                       (                 '           '            '  )
                   cos   2p n t1 + (c---c-)-l+  (m---m-) l-+ (n---n-)-l .
                                       2           2           2
(15)

Neben diesem Ausdruck sind bei der Integration solche Aus-
drücke vernachlässigt, welche eine oder mehrere der sehr
großen Größen (c + c') usw. im Nenner haben. Man sieht,
daß J nur für solche rs t merklich von Null abweicht, für
welche die Differenzen        '
(c - c ) usw. nicht sehr groß sind. Wir
merken an, daß hierbei gesetzt ist

              1-  a            p r
  c =    2p n ------,     c'=  ----,
                V               L
{ m =  - 2p n b-,         m'=  p-s-,
              V                 L
  n =  -2 p n n-,         n'=  p-t .
              V                 L
(15a)

----------

1) Es ist im folgenden so gerechnet, wie wenn c, m, n positiv wären.
Ist dies nicht der Fall, so ändern sich ein oder mehrere Vorzeichen
in (15). Das Endresultat ist aber stets das gleiche.

Setzen wir zur Abkürzung

         2
Ay-(2p-n)--- -@ e = A ,
 4 p D c2    @ r

so ist

         sum   sum    sum 
ey = A             Br st Jr st .
         r   s  t
(12c)

Diese Gleichung ergibt in Verbindung mit (15) und (15a)
den Momentanwert des Opaleszenzfeldes für jeden Moment
t0 = t1 + D/ V an der Stelle x = D, y = z = 0. Uns interessiert
besonders die mittlere Intensität des Opaleszenzlichtes, wobei
der Mittelwert zu nehmen ist sowohl hinsichtlich der Zeit als
auch hinsichtlich der auftretenden opaleszenz-erregenden Dichte-
schwankungen. Als Maß für diese mittlere Intensität kann
der Mittelwert von e2 = e y2 + e z2 dienen. Es ist

          sum    sum    sum   sum    sum    sum 
ey2 = A2                       Br s t Br's't'Jrst Jr's't',
           r  s   t  r'  s'  t'

wobei die Summe über alle Kombinationen der Indizes r, s, t,
r', s', t' zu erstrecken ist -- stets für denselben Wert von t1
Wir bilden nun den Mittelwert dieser Größe in bezug auf die
verschiedenen Dichteverteilungen. Aus (15) ersieht man, daß
die Größen Jrs t von der Dichteverteilung nicht abhängen,
ebensowenig die Größe A. Bezeichnen wir also den Mittel-
wert einer Größe durch einen darüber gesetzten Strich, so
erhalten wir

---       sum    sum    sum   sum    sum    sum  ------------
ey2 = A2                       Br s t Br's't'Jrst Jr's't'.

Da aber gemäß § 3 die Größen B voneinander unab-
hängig das Gausssche Fehlergesetz erfüllen (wenigstens soweit
die von uns verfolgte Annäherung reicht), so ist, falls nicht r = r',
s = s' und t = t' ist

------------
Br st Br's't'= 0 .

Unser Ausdruck für ey2 reduziert sich deshalb auf

---        sum   sum    sum   ------
ey2 = A2             B2rs t Jr2s t .

Dieser Mittelwert ist aber noch nicht der gesuchte. Es muß
auch bezüglich der Zeit der Mittelwert genommen werden.
Diese tritt lediglich auf im letzten Faktor des Ausdruckes

für Jrs t. Berücksichtigt man, daß der zeitliche Mittelwert
dieses Faktors den Wert 1_ 2 hat und setzt man zur Abkürzung

         '
   (c---c-)-l=  q,
       2
{  (m---m') l
       2     = j ,
   (n-  n') l
   ----------= z ,
       2
(16)

so erhält man für den endgültigen Mittelwert ey2 den Ausdruck

---         (   )6         ------    2     2      2
ty2 = 1A2  .  l-    sum   sum   sum  B2   -sin--q  sin--j-sin--z.
      2       2              rst   q2     j2     z2

Nach (7) ist ferner Brs t2 von rs t unabhängig, kann also vor
die Summenzeichen gestellt werden. Es unterscheiden sich
ferner die q, welche zu aufeinanderfolgenden Werten von r
gehören, nach (16) und (15a) um p
--
2 l
--
L, also um eine unend-
lich kleine Größe. Deshalb kann man die auftretende drei-
fache Summe in ein dreifaches Integral verwandeln. Da nach
dem Gesagten für das Intervall D q zweier aufeinanderfolgen-
der q-Werte in dreifacher Summe die Beziehung

D q .2--L- = 1
      p  l

ist, so ist

             sum   sum    sum   sin2 q sin2 j sin2 z
                       ---2-----2-- ---2--
   (     )2              q     j      z
     2-L-    sum    sum   sum   sin2-q sin2-j-sin2-z-
=    p l                 q2    j2     z2  D q D j D z ,

welche letztere Summe ohne weiteres als dreifaches Integral
geschrieben werden kann. Aus (16) und (15a) schließt man,
daß dies Integral praktisch zwischen den Grenzen - oo
und +  oo zu nehmen ist, so daß es in ein Produkt dreier
Integrale zerfällt, deren jedes den Wert p hat. Berücksichtigt
man dies, so erhält man endlich mit Hilfe von (7) und durch
Einsetzen des Ausdruckes für A für ey2 den Ausdruck

             (    )2
               @-e    (      )
---   R T0     @ r      2p n  4    l3    Ay2
ey2 = ------ ----2---   -----   -------2 ----
       N      v2 @-y-     c     (4p D)    2
                @ v2

oder, wenn man konsequent das spezifische Volumen v ein-
führt und c/ n durch die Wellenlänge c des erregenden Lichtes
ersetzt:

             (    )
               @ e  2
---         v  ---    (    )4             2
ey2 = R--T0 ---@-v----  2p-   ---P---- Ay--.
        N     @2-y-     c     (4 pD)2   2
              @ v2
(17)

Hierbei ist das durchstrahlte opaleszenzerregende Volumen,
auf dessen Gestalt es nicht ankommt, mit P bezeichnet. Eine
analoge Formel gilt bezüglich der z-Komponente, während
seine x-Komponente von e verschwindet. Man sieht daraus,
daß für Intensität und Polarisationszustand des nach einer
bestimmten Richtung entsandten Opaleszenzlichtes die Projektion
des elektrischen Vektors des erregenden Lichtes auf die Normal-
ebene zum Opaleszenzstrahl maßgebend ist, welches auch die
Fortpflanzungsrichtung des erregenden Lichtes sein mag.1) Be-
zeichnet J e die Intensität des erregenden Lichtes, J0 die des
Opaleszenzlichtes in der Distanz D von der Erregerstelle in
bestimmter Richtung, f den Winkel zwischen elektrischem
Vektor des Erregerlichtes und der Normalebene zum be-
trachteten Opaleszenzstrahl, so ist nach (17)

             (    )2
               @ e
J0    R T0 v   @ v   (2  p)4     P
---=  ---------2-----  ---    -------2 cos2 f .
Je     N      @-y--     c     (4p D)
              @ v2
(17a)

Wir berechnen noch die scheinbare Absorption infolge Opales-
zenz durch Integration des Opaleszenzlichtes über alle Rich-
tungen. Man erhält, wenn man mit d die Dicke der durch-
strahlten Schicht, mit a die Absorptionskonstante bezeichnet
(e-nd = Schwächungsfaktor der Intensität):

               (    )2
                 @ e   (    )
     1  R T0 v   @ v     2 p  4
a = --- ---------2-----  ---    .
    6 p  N      @-y--     c
                @ v2
(18)

----------

1) Daß unser Opaleszenzlicht diese Eigenschaft mit demjenigen
Opaleszenzlicht gemein hat, das durch gegen die Wellenlänge des Lichtes
kleine suspendierte Körper veranlaßt wird, kann nicht auffallen. Denn
in beiden Fällen handelt es sich um unregelmäßige, örtlich rasch ver-
änderliche Störungen der Homogenität der durchstrahlten Substanz.

Es ist von Bedeutung, daß das Hauptresultat unserer
Untersuchung, das durch Formel (17a) gegeben ist, eine exakte
Bestimmung der Konstante N, d. h. der absoluten Größe der
Moleküle gestattet. Im folgenden soll dies Resultat auf den
Spezialfall der homogenen Substanz sowie auf den flüssiger
binärer Gemische in der Nähe des kritischen Zustandes an-
gewendet werden.

§ 5. Homogene Substanz.

Im Falle einer homogenen Substanz haben wir zu setzen

       integral 
y = -    p dv ,

also

@2 y      @ p
---2-=  - ---.
 @ v      @ v

Ferner ist nach der Beziehung von Clausius-Mosotti-
Lorentz

e--1-
e + 2 v = konst.,

also

(    )
  @ e  2   (e-  1)2 (e + 2)2
  @-v   =  ------9-v2------.

Setzt man diese Werte in (17a) ein, so erhält man

                            (    )
J0-   R-T0-(e---1)2-(e-+-2)2   2p- 4 ---P----    2
J  =   N         (  @-p)      c            2 cos  f .
 e            9v  - @ v             (4 pD)
(17b)

In dieser Formel, welche das Verhältnis der Intensität des
Opaleszenzlichtes zum erregenden Licht ergibt, falls letzteres
in der Distanz D vom primär bestrahlten Volumen P ge-
messen wird, bedeutet:

R die Gaskonstante,
T die absolute Temperatur,
N die Zahl der Moleküle in einem Grammolekül,
e das Quadrat des Brechungsexponenten für die Wellenlänge c,
v das spezifische Volumen,
@p
@v den isotbermen Differentialquotienten des Druckes nach dem Vo-
lumen,
f den Winkel zwischen dem elektrischen Feldvektor der erregenden
Welle und der Normalebene zum betrachteten Opaleszenzstrahl.

Daß @ p/@ v der isotherm und nicht etwa der adiabatisch
genommene Differentialquotient ist, hängt damit zusammen,
daß von allen Zuständen, die zu einer gegebenen Dichtever-
teilung gehören, der Zustand gleicher Temperatur bei ge-
gebener Gesamtenergie der Zustand größter Entropie, also
auch größter statistischer Wahrscheinlichkeit ist.

Ist die Substanz, um welche es sich handelt, ein ideales
Gas, so ist nahe e + 2 = 3 zu setzen. Man erhält für diesen Fall

J0    R T0 (e-  1)2 (2 p )4    P
---=  -------------  ---    -------2 cos2 f.
Je     N      p       c     (4p D)
(17c)

Diese Formel vermag, wie eine Überschlagsrechnung zeigt,
sehr wohl die Existenz des von dem bestrahlten Luftmeer
ausgesandten vorwiegend blauen Lichtes zu erklären.1) Dabei
ist bemerkenswert, daß unsere Theorie nicht direkt Gebrauch
macht von der Annahme einer diskreten Verteilung der Materie.

§ 6. Flüssigkeitsgemisch.

Auch im Falle eines Flüssigkeitsgemisches gilt der Her-
leitung gemäß Gleichung (17a), wenn man setzt

v = spezifisches Volumen der Masseneinheit der ersten Komponente,
y=Arbeit, welche man braucht, um auf umkehrbarem Wege die
Masseneinheit der ersten Komponente bei konstanter Temperatur
auf umkehrbarem Wege vom spezifischen Volumen des Tem-
peraturgleichgewichtes auf ein bestimmtes anderes spezifisches
Volumen zu bringen.

Die Größe y läßt sich in dem Falle, daß der mit dem be-
trachteten Flüssigkeitsgemisch koexistierende Dampf als Ge-
misch idealer Gase betrachtet werden kann, und daß die
Mischung als inkompressibel anzusehen ist, durch der Er-
fahrung zugängliche Größen ersetzen. Wir finden dann y
durch folgende elementare Betrachtung.

Der Masseneinheit der ersten Komponente sei die Masse k
der zweiten Komponente zugemischt. k ist dann ein Maß für
die Zusammensetzung des Gemisches, dessen Gesamtmasse
----------

1) Gleichung (17c) kann man auch erhalten, indem man die Aus-
strahlungen der einzelnen Gasmoleküle summiert, wobei diese als voll-
kommen unregelmäßig verteilt angesehen werden. (Vgl. Rayleigh,
Phil. Mag. 47. p. 375. 1899 und Papers 4. p. 400.)

1 + k ist. Dies Gemisch besitze eine Dampfphase, und es
sei p'' der Partialdruck, v'' das spezifische Volumen der zweiten
Komponente in der Dampfphase. Dies System sei in eine
Hülle eingeschlossen, welche einen semipermeabeln Wandteil
besitzt, durch den die zweite Komponente, nicht aber die erste
in Gasform aus- und eingeführt werden kann. In eine zweite,
relativ unendlich große Hülle sei eine relativ unendlich große
Menge des Gemisches eingeschlossen von derjenigen Zusammen-
setzung (charakterisiert durch k0), für welche wir die Opales-
zenz berechnen wollen. Dies zweite Gemisch besitze auch
einen Dampfraum mit semipermeabler Wand, und es sei Par-
tialdruck - spezifisches Volumen der zweiten Komponente im
Dampfraum mit p0'', v0'' bezeichnet. Im Innern beider Hüllen
möge die Temperatur T0 herrschen. Wir berechnen nun die
Arbeit dy, welche nötig ist, um durch Transportieren der
Masse dk der zweiten Komponente von dem zweiten Behälter
in den ersten in Gasform auf umkehrbarem Wege das Kon-
zentrationsmaß k im ersten Behälter um dk zu erhöhen. Diese
Arbeit setzt sich aus folgenden drei Teilen zusammen:

   dk
- ----p 0''v0''       (Arbeit bei der Entnahme  aus dem  zweiten Beha¨lter)
  M  ''
              ''     (Isothermische Kompression  bis auf den Partialdruck
-dk-        -p--                im  ersten Beh alter)
M  ''R  T0 lg p 0''                              ¨

   dk
+ ---''p''v''         (Arbeit beim  Einf¨uhren in den ersten Beha¨lter) .
  M

Hierbei ist das Flüssigkeitsvolumen neben dem Gasvolumen
vernachlässigt. M'' ist das Molekulargewicht der zweiten
Komponente in der Dampfphase. Da sich das erste und dritte
Glied nach dem Gesetz von Mariotte wegheben, erhalten wir

                   ''
d y = R-T0-d k lg  p--.
       M ''       p0''

Die Funktion y ist also unmittelbar aus Konzentrationen und
Partialdrucken berechenbar. Wir haben nun @2 y/ @ v2 zu er-
mitteln für denjenigen Zustand, den wir durch den Index ,,0
bezeichnet haben. Es ist

  (     )      (             )
    -p''-             p''---p0''-                     p2-
lg  p  ''  =  lg   1 +   p  ''     = lg (1 + p) = p - 2  ...,
      0                  0

wobei p die relative Druckänderung der zweiten Komponente

gegenüber dem Ursprungszustande bezeichnet. Aus den beiden
letzten Gleichungen folgt

                 p2-
@-y-   R-T0-p----2--...
 @ v =  M ''     @ v    .
                ---
                @ k

Differenziert man noch einmal nach v und berücksichtigt, daß

       -@-
-@-   -@ k
@ v =  @ v
       @ k

ist, so erhält man, wenn man im Resultat p = 0 setzt:

(     )            @ p            1--@ p''
  @2y       R T0   ----     R T0  p'' @ k
  ---2-  =  ---''-(-@-k)2- = ---''-(----)2- .
  @ v   0   M      @-v       M     @-v
                   @ k             @ k

Berücksichtigen wir dies, und ebenso, daß

      @-e
@ e   @-k-
@ v = @ v ,
      @-k

so geht die Formel (17a) über in

           (    )
             @-e  2
J    M  '' v  @ k    (2 p )4     P
-0-= ---- -------''--  ---    -------2 cos2 f .
Je    N   @-(lg-p-)    c     (4p D)
             @ k
(17d)

Diese Formel, welche nur noch dem Experiment zugäng-
liche Größen enthält, bestimmt die Opaleszenzeigenschaften
von binären Flüssigkeitsgemischen, insoweit man deren ge-
sättigte Dämpfe als ideale Gase behandeln darf, vollkommen
bis auf ein kleines Gebiet in unmittelbarer Nähe des kri-
tischen Punktes. Hier aber dürfte wegen der starken Licht-
absorption und deren großer Temperaturabhängigkeit eine
quantitative Untersuchung ohnehin ausgeschlossen sein. Wir
wiederholen hier die Bedeutungen der in der Formel auf-
tretenden Zeichen, soweit sie nicht bei Formel (17b) angegeben
sind; es ist

M'' das Molekulargewicht der zweiten Komponente in der Dampf-
phase,
v das Volumen des Flüssigkeitsgemisches, in welchem die Massen-
einheit der ersten Komponente enthalten ist,
k die Masse zweiter Komponente, welche auf die Masseneinheit erster
Komponente entfällt,
p'' der Dampfdruck der zweiten Komponente.

Damit es nicht wunderlich erscheine, daß in (17d) die beiden
Komponenten eine verschiedene Rolle spielen, bemerke ich,
daß die bekannte thermodynamische Beziehung

 1  d p''      1    1 dp'
--''--''- = - --' . ----'-
M    p       M     k  p

besteht. Aus dieser kann man schließen, daß es gleichgültig
ist, welche Komponente man als erste bzw. zweite behandelt.

Eine quantitative experimentelle Untersuchung der hier
behandelten Erscheinungen wäre von großem Interesse. Denn
einerseits wäre es wertvoll, zu wissen, ob das Boltzmann-
sche Prinzip wirklich die hier in Betracht kommenden Er-
scheinungen richtig ergibt, andererseits könnte man durch
solche Untersuchungen zu genauen Werten für die Zahl N
gelangen.

Zürich, Oktober 1910.

(Eingegangen 8. Oktober 1910.)

----------