11.Theorie der Opaleszenz von homogenen
Flüssigkeiten und Flüssigkeitsgemischen in der
Nähe
des kritischen Zustandes;
von A. Einstein.
--------
Smoluchowski hat in einer wichtigen theoretischen
Arbeit1) gezeigt, daß die
Opaleszenz bei Flüssigkeiten in der
Nähe des kritischen Zustandes sowie
die Opaleszenz bei Flüssig-
keitsgemischen in der Nähe des kritischen
Mischungsverhält-
nisses und der kritischen Temperatur vom Standpunkte der
Molekulartheorie der Wärme aus in einfacher Weise erklärt
werden kann. Jene
Erklärung beruht auf folgender allge-
meiner Folgerung aus Boltzmanns Entropie
-- Wahrschein-
lichkeitsprinzip: Ein nach außen abgeschlossenes physikalisches
System durchläuft im Laufe unendlich langer Zeit alle Zu-
stände, welche mit
dem (konstanten) Wert seiner Energie ver-
einbar sind. Die statistische
Wahrscheinlichkeit eines Zu-
standes ist hierbei aber nur dann merklich von Null
ver-
schieden, wenn die Arbeit, die man nach der Thermodynamik
zur
Erzeugung des Zustandes aus dem Zustande idealen thermo-
dynamischen
Gleichgewichtes aufwenden müßte, von derselben
Größenordnung ist, wie die
kinetische Energie eines einatomigen
Gasmoleküls bei der betreffenden
Temperatur.
Wenn eine derart kleine Arbeit genügt, um in Flüssig-
keitsräumen von der
Größenordnung eines Wellenlängenkubus
eine von der mittleren Dichte der
Flüssigkeit merklich ab-
weichende Dichte bzw. ein von dem mittleren merklich
ab-
weichendes Mischungsverhältnis herbeizuführen, so muß slso
offenbar die
Erscheinung der Opaleszenz (Tyndallphänomen)
auftreten. Smoluchowski zeigte,
daß diese Bedingung in
der Nähe der kritischen Zustände tatsächlich erfüllt ist; er
hat aber keine exakte Berechnung der Menge des durch Opa-
leszenz seitlich
abgegebenen Lichtes gegeben. Diese Lücke
soll im folgenden ausgefüllt
werden.
----------
1) M. v. Smoluchowski, Ann. d. Phys. 25. p. 205--226. 1908.
§ 1. Allgemeines über das Boltzmannsche Prinzip.
Das Boltzmannsche Prinzip kann durch die Gleichung
| (1) |
formuliert werden. Hierbei bedeutet
Gewöhnlich wird W gleichgesetzt der Anzahl der mög-
lichen verschiedenen
Arten (Kompexionen), in welchen der ins
Auge gefaßte, durch die beobachtbaren
Parameter eines Systems
im Sinne einer Molekulartheorie unvollständig definierte
Zu-
stand realisiert gedacht werden kann. Um W berechnen zu
können, braucht
man eine vollständige Theorie (etwa eine voll-
ständige molekular-mechanische
Theorie) des ins Auge ge-
faßten Systems. Deshalb erscheint es fraglich, ob bei
dieser
Art der Auffassung dem Boltzmannschen Prinzip allein, d. h.
ohne eine
vollständige molekular-mechanische oder sonstige
die Elementarvorgänge
vollständig darstellende Theorie (Ele-
mentartheorie) irgend ein Sinn zukommt.
Gleichung (1) er-
scheint ohne Beigabe einer Elementartheorie oder -- wie man
es
auch wohl ausdrücken kann -- vom phänomenologischen
Standpunkt aus
betrachtet inhaltlos.
Das Boltzmannsche Prinzip erhält jedoch einen Inhalt
unabhängig von jeder
Elementartheorie, wenn man aus der
Molekularkinetik den Satz annimmt und
verallgemeinert, daß
die Nichtumkehrbarkeit der physikalischen Vorgänge nur eine
scheinbare sei.
Es sei nämlich der Zustand eines Systems in phänomeno-
logischem Sinne
bestimmt durch die prinzipiell beobachtbaren
Variabeln 1 ... n. Jedem Zustand
Z entspricht eine Kombi-
nation von Werten dieser Variabeln. Ist das System
nach
außen abgeschlossen, so ist die Energie -- und zwar im all-
gemeinen außer
dieser keine andere Funktion der Variabeln
-- unveränderlich. Wir denken uns alle
mit dem Energie-
wert des Systems vereinbarten Zustände des Systems und be-
zeichnen sie mit
Z1 ... Z Wenn die Nichtumkehrbarkeit der
Vorgänge keine prinzipielle ist, so
werden diese Zustände
Z1 ... Zl im Laufe der Zeit immer wieder vom System
durch-
laufen werden. Unter dieser Annahme kann man in folgen-
dem Sinne von
der Wahrscheinlichkeit der einzelnen Zustände
sprechen. Denkt man sich das
System eine ungeheuer lange
Zeit hindurch beobachtet und den Bruchteil 1
der Zeit
ermittelt, in welchem das System den Zustand Z1 hat, so ist
1 die Wahrscheinlichkeit des Zustandes Z1. Analoges gilt
für die
Wahrscheinlichkeit der übrigen Zustände Z. Wir
haben nach Boltzmann die
scheinbare Nichtumkehrbarkeit
darauf zurückzuführen, daß die Zustände von
verschiedener
Wahrscheinlichkeit sind, und daß das System wahrscheinlich
Zustände größerer Wahrscheinlichkeit annimmt, wenn es sich
gerade in einem
Zustande relativ geringer Wahrscheinlichkeit
befindet. Das scheinbar vollkommen
Gesetzmäßige nichtum-
kehrbarer Vorgänge ist darauf zurückzuführen, daß
die Wahr-
scheinlichkeiten der einzelnen Zustände Z von verschiedener
Größenordnung sind, so daß von allen an einen bestimmten
Zustand Z
angrenzenden Zuständen einer wegen seiner gegen-
über den anderen ungeheuren
Wahrscheinlichkeit praktisch
immer auf den erstgenannten Zustand folgen
wird.
Die soeben fortgesetzte Wahrscheinlichkeit, zu deren Defi-
nation es keiner
Elementartheorie bedarf, ist es, welche mit
der Entropie in der durch Gleichung
(1) ausgedrückten Be-
ziehung steht. Daß Gleichung (1) für die so definierte Wahr-
scheinlichkeit wirklich gelten muß, ist leicht einzusehen. Die
Entropie ist
nämlich eine Funktion, welche (innerhalb des
Gültigkeitsbereiches der
Thermodynamik) bei keinem Vorgange
abnimmt, bei welchem das System ein
isoliertes ist. Es gibt
noch andere Funktionen, welche diese Eigenschaft
haben; alle
aber sind, falls die Energie E die einzige zeitlich invariante
Funktion des Systems ist, von der Form , wobei S
stets
positiv ist. Da die Wahrscheinlichkeit W ebenfalls eine
bei keinem Prozesse
abnehmende Funktion ist, so ist auch W
eine Funktion von S und E allein,
oder -- wenn nur Zu-
stände derselben Energie verglichen werden --
eine Funktion
von S allein. Daß die zwischen S und W in Gleichung (1)
gegebene Beziehung die einzig mögliche ist, kann bekanntlich
aus dem Satze
abgeleitet werden, daß die Entropie eines aus
Teilsystemen bestehenden
Gesamtsystems gleich ist der Summe
der Entropien der Teilsysteme. So kann
Gleichung (1) für
alle Zustände Z bewiesen werden, die zu demselben Wert der
Energie gehören.
Dieser Auffassung des Boltzmannschen Prinzipes steht
zunächst folgender
Einwand entgegen. Man kann nicht von
der statistischen Wahrscheinlichkeit eines
Zustandes, sondern
nur von der eines Zustandsgebietes reden. Ein solches ist defi-
niert durch einen Teil g der ,,Energiefläche“ E = 0.
W sinkt
offenbar mit der Größe des gewählten Teiles der
Energiefläche zu Null
herab. Hierdurch würde Gleichung (1)
durchaus bedeutungslos, wenn die
Beziehung zwischen S und W
nicht von ganz besonderer Art wäre. Es tritt
nämlich in (1)
lg W mit dem sehr kleinen Faktor R N multipliziert auf.
Denkt man sich W für ein so großes Gebiet Gw ermittelt, daß
dessen
Abmessungen etwa an der Grenze des Wahrnehmbaren
liegen, so wird lg W einen
bestimmten Wert haben. Wird
das Gebiet etwa e10 mal verkleinert, so
wird die rechte Seite
nur um die verschwindend kleine Größe 10
wegen der
Verminderung der Gebietsgröße verkleinert. Wenn daher die
Abmessungen des Gebietes zwar klein gewählt werden gegen-
über beobachtbaren
Abmessungen, aber doch so groß, daß
R N lg Gw G numerisch von
vernachlässigbarer Größe ist, so
hat Gleichung (1) einen genügend genauen
Inhalt.
Es wurde bisher angenommen, daß 1 ...n den Zustand
des betrachteten
Systems im phänomenologischen Sinne voll-
ständig bestimmen. Gleichung (1)
behält ihre Bedeutung aber
auch ungeschmälert bei, wenn wir nach der
Wahrscheinlich-
keit eines im phänomenologischen Sinne unvollständig be-
stimmten Zustandes fragen. Fragen wir nämlich nach der
Wahrscheinlichkeit eines
Zustandes, der durch bestimmte Werte
von 1 ... definiert ist (wobei < n),
während wir die
Werte von ...n unbestimmt lassen. Unter allen Zu-
ständen
mit den Werten 1 ... werden diejenigen Werte
von ...n weitaus die
häufigsten sein, welche die Entropie
des Systems bei konstantem 1 ... zu
einem Maximum
machen. Zwischen diesem Maximalwerte der Energie und
der Wahrscheinlichkeit dieses Zustandes wird in diesem Falle
Gleichung (1)
bestehen.
§ 2. Über die Abweichungen von einem Zustande
thermodynamischen
Gleichgewichtes.
Wir wollen nun aus Gleichung (1) Schlüsse ziehen über
den Zusammenhang
zwischen den thermodynamischen Eigen-
schaften eines Systems und dessen
statistischen Eigenschaften.
Gleichung (1) liefert unmittelbar die Wahrscheinlichkeit
eines
Zustandes, wenn die Entropie desselben gegeben ist. Wir
haben jedoch
gesehen, daß diese Beziehung keine exakte ist;
es kann vielmehr bei bekanntem S
nur die Größenordnung
der Wahrscheinlichkeit W des betreffenden Zustandes
ermittelt
werden. Trotzdem aber können aus (1) genaue Beziehungen
über das statistische Verhalten eines Systems abgeleitet werden,
und zwar
in dem Falle, daß der Bereich der Zustandsvariabeln,
für welchen W in
Betracht kommende Werte hat, als unend-
lich klein angesehen werden
kann.
Aus Gleichung (1) folgt
Diese Gleichung gilt der Größenordnung nach, wenn man
jedem Zustand
Z ein kleines Gebiet, von der Größenordnung
wahrnehmbarer Gebiete,
zuordnet. Die Konstante bestimmt
sich der Größenordnung nach durch die
Erwägung, daß W
für den Zustand des Entropiemaximums (Entropie S0)
von der
Größenordnung Eins ist, so daß man der Größenordnung
nach
hat
Daraus ist zu folgern, daß die Wahrscheinlichkeit dW dafür,
daß die Größen
1 ...n zwischen 1 und 1 + d1 ...n
und n + dn liegen, der Größenordnung
nach gegeben ist
durch die Gleichung1)
----------
1) Wir wollen annehmen, daß Gebiete von Ausdehnungen beob-
achtbarer
Größe in den endlich ausgedehnt sind.
und zwar in dem Falle, daß das System durch die 1 ...n
(in phänomenologischem
Sinne) nur unvollständig bestimmt ist.1)
Genau genommen unterscheidet sich dW
von dem gegebenen
Ausdruck noch durch einen Faktor f, so daß zu setzen
ist
Dabei wird f eine Funktion von 1 ...n und von solcher
Größenordnung
sein, daß es die Größenordnung des Faktors
auf der rechten Seite nicht
beeinträchtigt.2)
Wir bilden nun dW für die unmittelbare Umgebung eines
Entropiemaximums.
Es ist, falls die Taylorsche Entwicke-
lung in dem in Betracht kommenden Bereich
konvergiert, zu
setzen
falls für den Zustand des Entropiemaximums 1 = 2 = ...n = 0
ist. Die
Doppelsumme im Ausdruck für S ist, weil es sich
um ein Entropiemaximum
handelt, wesentlich positiv. Man
kann daher statt der neue Variable einführen,
so daß sich
jene Doppelsumme in eine einfache Summe verwandelt, in der
nur die
Quadrate der wieder mit bezeichneten neuen Varia-
beln auftreten. Man
erhält
Die im Exponenten auftretenden Glieder erscheinen mit der
sehr großen Zahl N/R
multipliziert. Deshalb wird der Expo-
nentialfaktor im allgemeinen bereits für
solche Werte der
praktisch verschwinden, die wegen ihrer Kleinheit keinen vom
Zustand thermodynamischen Gleichgewichtes irgendwie erheb-
lich abweichenden
Zuständen des Systems entsprechen. Für
----------
1) Im anderen Falle wäre die Mannigfaltigkeit der möglichen Zu-
stände wegen
des Energieprinzipes nur (n - 1) dimensional.
2) Über die Größenordnung der Ableitungen der Funktion f nach
den
wissen wir nichts. Wir wollen aber im folgenden annehmen, daß
die
Ableitungen von f der Größenordnung nach der Funktion f selbst
gleich sind.
derartig kleine Werte wird man stets den Faktor f durch
denjenigen Wert f0
ersetzen können, den er im Zustand des
thermodynamischen Gleichgewichtes hat.
In allen diesen Fällen,
in denen die Variablen nur wenig von ihren dem idealen
thermischen Gleichgewicht entsprechenden Werten abweichen,
kann also die
Formel durch
| (2) |
ersetzt werden.
Für derart kleine Abweichungen vom thermodynamischen
Gleichgewicht, wie
sie für unseren Fall in Betracht kommen,
hat die Größe S - S0 eine anschauliche
Bedeutung. Denkt
man sich die uns interessierenden Zustände in der Nähe des
thermodynamischen Gleichgewichtes durch äußere Einwirkung
in umkehrbarer
Weise hergestellt, so gilt nach der Thermo-
dynamik für jeden Elementarvorgang
die Energiegleichung
falls man mit U die Energie des Systems, mit dA die dem-
selben zugeführte
elementare Arbeit bezeichnet. Uns inter-
essieren nur Zustände, welche ein nach
außen abgeschlossenes
System annehmen kann, also Zustände, die zu dem
nämlichen
Energiewerte gehören. Für den Übergang eines solchen Zu-
standes in
einen benachbarten ist dU = 0. Es wird ferner
nur einen vernachlässigbaren
Fehler bedingen, wenn wir in
obiger Gleichung T durch die Temperatur T0 des
thermo-
dynamischen Gleichgewichtes ersetzen. Obige Gleichung geht
dann über
in
oder
| (3) |
wobei A die Arbeit bedeutet, welche man nach der Thermo-
dynamik aufwenden
müßte, um das System aus dem Zustande
thermodynamischen Gleichgewichtes in
den betrachteten Zu-
stand überzuführen. Wir können also Gleichung (2) in der
Form schreiben
| (2a) |
Die Parameter denken wir uns nun so gewählt, daß
sie beim
thermodynamischen Gleichgewicht gerade verschwin-
den. In einer gewissen
Umgebung wird A nach den nach
dem Taylorschen Satz entwickelbar sein,
welche Entwicke-
lung bei passender Wahl der die Gestalt haben wird
A + 1
2
a 2 + Glieder höheren als zweiten Grades in den ,
wobei die a
sämtlich positiv sind. Da ferner im Exponenten
der Gleichung (2a) die Größe A
mit dem sehr großen Faktor
N RT0 multipliziert erscheint, so wird der
Exponentialfaktor
im allgemeinen nur für sehr kleine Werte von A, also
auch
für sehr kleine Werte der merkbar von Null abweichen.
Für derart
kleine Werte der werden im allgemeinen die
Glieder höheren als ersten
Grades im Ausdruck von A gegen-
über den Gliedern zweiten Grades nur
vernachlässigbare
Beiträge liefern. Ist dies der Fall, so können wir für Glei-
chung
(2a) setzen
| (2b) |
eine Gleichung, welche die Form des Gaussschen Fehler-
gesetzes hat.
Auf diesen wichtigsten Spezialfall wollen wir uns in dieser
Arbeit beschränken.
Aus (2b) folgt unmittelbar, daß der
Mittelwert der auf den Parameter
entfallenden Abweichungs-
arbeit A den Wert hat
| (4) |
Diese mittlere Arbeit ist also gleich dem dritten Teil der
mittleren kinetischen
Energie eines einatomigen Gasmoleküls.
§ 3. Über die Abweichungen der räumlichen Verteilung von
Flüssigkeiten
und Flüssigkeitsgemischen von der gleichmäßigen
Verteilung.
Wir bezeichnen mit 0 die mittlere Dichte einer homo-
genen Substanz bzw.
die mittlere Dichte der einen Kompo-
nente eines binären Flüssigkeitsgemisches.
Wegen der Un-
regelmäßigkeit der Wärmebewegung wird die Dichte in einem
Punkte der Flüssigkeit von 0 im allgemeinen verschieden
sein. Ist die Flüssigkeit in einen Würfel eingeschlossen,
welcher bezüglich eines
Koordinatensystems durch
und
charakterisiert ist, so können wir für das Innere dieses Würfels
setzen
| (5) |
Die Größen , , bedeuten die ganzen positiven Zahlen.
Hierzu ist aber
folgendes zu bemerken.
Streng genommen kann man nicht von der Dichte einer
Flüssigkeit
in einem Raumpunkte reden, sondern nur von der
mittleren Dichte in
einem Raume, dessen Abmessungen groß
sind gegenüber der mittleren
Distanz benachbarter Moleküle.
Aus diesem Grunde werden die Glieder
der Entwickelung, bei
denen eine der Größen , , oberhalb gewisser
Grenzen
liegt, keine physikalische Bedeutung besitzen. Aus dem fol-
genden
wird man aber ersehen, daß dieser Umstand für uns
nicht von Bedeutung
ist.
Die Größen B, , werden sich mit der Zeit ändern, derart,
daß sie im Mittel
gleich Null sind. Wir fragen nach den
statistischen Gesetzen, denen die
Größen B unterliegen. Diese
spielen die Rolle der Parameter des vorigen
Paragraphen,
welche den Zustand unseres Systems im phänomenologischen
Sinne
bestimmen.
Diese statistischen Gesetze erhalten wir nach dem vorigen
Paragraphen, indem
wir die Arbeit A in Funktion der Größen B
ermitteln. Dies ist auf folgende Weise
möglich. Bezeichnen
wir mit die Arbeit, die man aufwenden muß, um die
Masseneinheit von der mittleren Dichte 0 isotherm auf die
Dichte zu bringen,
so hat diese Arbeit für die im Volumen-
element d befindliche Masse d den
Wert
also für den ganzen Flüssigkeitswürfel den Wert
Wir werden anzunehmen haben, daß die Abweichungen der
Dichte von der
mittleren sehr klein sind und setzen
Hieraus folgt, weil = 0 und d = 0 ist,
wobei der Index ,,0“ der Einfachheit halber fortgelassen ist.
Dabei sind im
Integranden die Glieder vierten und höheren
Grades weggelassen, was offenbar nur
dann erlaubt ist, wenn
nicht allzu klein und die mit 4 usw. multiplizierten Glieder
nicht allzu groß sind.
Nach (5) ist aber
da die Raumintegrale der Doppelprodukte der Fourierschen
Summenglieder
verschwinden. Es ist also
Drücken wir die Arbeit, die pro Masseneinheit geleistet werden
muß, um aus dem
Zustande thermodynamischen Gleichgewichtes
einen Zustand von bestimmtem
zu erzielen, als Funktion
des spezifischen Volumens 1 = v aus, setzt man
also
so erhält man noch einfacher
| (6) |
wobei die Größen v und 2 v2 für den Zustand des idealen
thermodynamischen
Gleichgewichtes einzusetzen sind. Wir be-
merken, daß die Koeffizienten B nur
quadratisch, nicht aber
als Doppelprodukte im Ausdrucke für A vorkommen. Es sind
also die Größen B
Parameter des Systems von der Art, wie
sie in den Gleichungen (2b) und (4) des
vorigen Paragraphen
auftreten. Die Größen B befolgen daher (unabhängig
von-
einander) das Gausssche Fehlergesetz, und Gleichung (4) er-
gibt
unmittelbar
| (7) |
Die statistischen Eigenschaften unseres Systems sind also
vollkommen
bestimmt bzw. auf die thermodynamisch ermittel-
bare Funktion zurückgeführt.
Wir bemerken, daß die Vernachlässigung der Glieder mit
3 usw. nur dann
gestattet ist, wenn 2 v2 für das ideale
thermodynamische Gleichgewicht nicht
allzu klein ist, oder gar
verschwindet. Letzteres findet statt bei Flüssigkeiten und
Flüssigkeitsgemischen, die sich genau im kritischen Zustande
befinden. Innerhalb
eines gewissen (sehr kleinen) Bereiches
um den kritischen Zustand werden die
Formeln (6) und (7)
ungültig. Es besteht jedoch keine prinzipielle Schwierigkeit
gegen eine Vervollständigung der Theorie durch Berücksichti-
gung der Glieder
höheren Grades in den Koeffizienten.1)
§ 4. Berechnung des von einem unendlich wenig inhomogenen
absorptionsfreien Medium abgebeugten Lichtes.
Nachdem wir aus dem Boltzmannschen Prinzip das
statistische Gesetz
ermittelt haben, nach welchem die Dichte
einer einheitlichen Substanz bzw. das
Mischungsverhältnis einer
Mischung mit dem Orte variiert, gehen wir dazu über,
den
Einfluß zu untersuchen, den das Medium auf einen hindurch-
gehenden
Lichtstrahl ausübt.
= 0 + sei wieder die Dichte in einem Punkte des
Mediums, bzw. falls es
sich um eine Mischung handelt, die
räumliche Dichte der einen Komponente. Der
betrachtete
Lichtstrahl sei monochromatisch. In bezug auf ihn läßt sich
das
Medium durch den Brechungsindex g charakterisieren,
oder durch die zu der
betreffenden Frequenz gehörige schein-
----------
1) Vgl. M. v. Smoluchowski, l. c., p. 215.
bare Dielektrizitätskonstante , die durch die Beziehung g =
mit dem
Brechungsindex verknüpft ist. Wir setzen
| (8) |
wobei ebenso wie als unendlich kleine Größe zu be-
handeln ist.
In jedem Punkte des Mediums gelten die Maxwellschen
Gleichungen, welche --
da wir den Einfluß der Geschwindig-
keit der zeitlichen Änderung von auf das
Licht vernach-
lässigen können, die Form annehmen
Hierin bedeutet G die elektrische, H die magnetische Feld-
stärke, c die
Vakuum-Lichtgeschwindigkeit. Durch Eliminieren
von H erhält man daraus
| (9) |
| (10) |
Es sei nun G0 das elektrische Feld einer Lichtwelle, wie
es verlaufen
würde, wenn nicht mit dem Orte variierte, wir
wollen sagen ,,das Feld der
erregenden Lichtwelle“. Das
wirkliche Feld (Gesamtfeld) G wird sich von G0
unendlich
wenig unterscheiden um das Opaleszenzfeld e, so daß zu
setzen
ist
| (11) |
Setzt man die Ausdrücke für und G aus (8) und (11)
in (9) und (10) ein, so
erhält man bei Vernachlässigung von
unendlich Kleinem zweiter Ordnung, indem
man berücksichtigt,
daß G0 die Maxwellschen Gleichungen mit konstanter Dielek-
trizitätskonstante 0 befriedigt,
| (9a) |
| (10a) |
Entwickelt man (10a), und berücksichtigt man dabei, daß
div G0 = 0 und grad
0 = 0 ist, so erhält man
Setzt man dies in (9a) ein, so ergibt sich
| (9b) |
wobei die rechte Seite ein als bekannt anzusehender Vektor
ist, der zur
Abkürzung mit ,,a“ bezeichnet ist. Zwischen dem
Opaleszenzfelde e und dem
Vektor a besteht also eine Be-
ziehung von derselben Form wie zwischen
dem Vektorpotential
und der elektrischen Strömung. Die Lösung lautet
bekanntlich
| (12) |
wobei r die Entfernung von d vom Aufpunkt, V = c/ die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Lichtwellen bedeutet. Das
Raumintegral ist
über den ganzen Raum auszudehnen, in
welchem das erregende Lichtfeld G0 von
Null verschieden ist.
Erstreckt man es nur über einen Teil dieses Raumes, so er-
hält man den Teil des Opaleszenzfeldes, welchen die erregende
Lichtwelle dadurch
erzeugt, daß sie den betreffenden Raumteil
durchsetzt.
Wir stellen uns die Aufgabe, denjenigen Teil des Opales-
zenzfeldes zu
ermitteln, der von einer erregenden ebenen mono-
chromatischen Lichtwelle im
Innern des Würfels
erzeugt wird. Dabei sei die Kantenlänge l dieses Würfels
klein gegenüber der
Kantenlänge L des früher betrachteten
Würfels.
Die erregende ebene Lichtwelle sei gegeben durch
| (13) |
wobei n den Einheitsvektor der Wellennormale (Komponenten
, , ) und r
den vom Koordinatenursprung gezogenen Radius-
vektor (Komponenten
x, y, z) bedeute. Den Aufpunkt wählen
wir der Einfachheit halber in
einer gegen l unendlich großen
Entfernung D auf der X-Achse unseres
Koordinatensystems.
Für einen solchen Aufpunkt nimmt Gleichung (12) die Form
an:
| (12a) |
Es ist nämlich
zu setzen, wobei zur Abkürzung
gesetzt ist, und man kann den Faktor 1 r des Integranden
durch den bis auf
relativ unendlich Kleines gleichen konstanten
Faktor 1 D ersetzen.
Wir haben nun das über unsern Würfel von der Kanten-
länge l erstreckte, in
(12a) auftretende Raumintegral zu be-
rechnen, indem wir den Ausdruck für a aus
(9b) einsetzen.
Diese Rechnung erleichtern wir uns durch die Einführung des
folgenden Symbols. Ist ein Skalar oder Vektor, der Funktion
ist von x, y, z mit
t, so setzen wir
so daß also x nur von x, y und z abhängig ist. Daraus
folgt für einen Skalar
sofort die Gleichung
woraus folgt
wobei i den Einheitsvektor in Richtung der X-Achse bedeutet.
Das erste der
Integrale auf der rechten Seite läßt sich durch
partielle Integration umformen.
Bedeutet die äußere Ein-
heitsnormale der Oberfläche des Integrationsraumes,
ds das
Oberflächenelement, so ist
Man hat also
| (14) |
Ist eine Funktion undulatorischen Charakters, so wird
das Flächenintegral
der rechten Seite unserer Gleichung keinen
dem Volum des Integrationsraumes
proportionalen, überbaupt
keinen für uns in Betracht kommenden Beitrag leisten.
In
diesem Falle kann also ein Integral von der Gestalt
nur zur X-Komponente einen Beitrag liefern.
Bildet man nun die beiden Integrale, welche durch Ein-
setzen von a
(Gleichung (9b)) in das in (12a) auftretende
Integral
entstehen, so ersieht man, daß das zweite dieser Integrale die
Gestalt der
linken Seite von (14) hat, wobei = G0 grad ist.
Da dies tatsächlich eine
Funktion undulatorischen Charakters
ist, welche zudem verschwindet, wenn
grad an der Oberfläche
verschwindet, so kann nach (14) dies zweite
Integral nur zur
X-Komponente von e einen in Betracht kommenden Anteil
liefern. Eine genauere Rechnung lehrt, daß dies zweite Inte-
gral gerade die
X-Komponente des ersten Integrales kompensiert.
Wir brauchen dies
nicht eigens zu beweisen, weil ex wegen
der Transversalität des Lichtes
verschwinden muß. Vermöge
des soeben Gesagten folgt aus (12a) und
(9b)
| (12b) |
Wir berechnen nun ey, indem wir in die zweite dieser Glei-
chungen aus Gleichung
(13)
einsetzen. Ferner ersetzen wir mittels der Gleichungen (8)
und (5). Wir erhalten so, indem wir Summen- und Integrations-
zeichen
vertauschen,
wobei das Raumintegral über den Würfel von der Kanten-
länge l zu erstrecken
ist. Das Raumintegral ist von der Form
wobei zu berücksichtigen ist, daß , , , ', ', ' als sehr
große Zahlen zu
betrachten sind.1) In diesem Falle ist zu
setzen
| (15) |
Neben diesem Ausdruck sind bei der Integration solche Aus-
drücke vernachlässigt,
welche eine oder mehrere der sehr
großen Größen usw. im Nenner haben.
Man sieht,
daß J nur für solche merklich von Null abweicht, für
welche die
Differenzen usw. nicht sehr groß sind. Wir
merken an, daß hierbei gesetzt
ist
| (15a) |
----------
1) Es ist im folgenden so gerechnet, wie wenn , , positiv wären.
Ist dies
nicht der Fall, so ändern sich ein oder mehrere Vorzeichen
in (15). Das
Endresultat ist aber stets das gleiche.
Setzen wir zur Abkürzung
so ist
| (12c) |
Diese Gleichung ergibt in Verbindung mit (15) und (15a)
den Momentanwert des
Opaleszenzfeldes für jeden Moment
t0 = t1 + D V an der Stelle x = D, y = z = 0.
Uns interessiert
besonders die mittlere Intensität des Opaleszenzlichtes, wobei
der
Mittelwert zu nehmen ist sowohl hinsichtlich der Zeit als
auch hinsichtlich der
auftretenden opaleszenz-erregenden Dichte-
schwankungen. Als Maß für diese
mittlere Intensität kann
der Mittelwert von e2 = e
y2 + e
z2 dienen. Es
ist
wobei die Summe über alle Kombinationen der Indizes , , ,
', ', ' zu
erstrecken ist -- stets für denselben Wert von t1
Wir bilden nun den Mittelwert
dieser Größe in bezug auf die
verschiedenen Dichteverteilungen. Aus (15) ersieht
man, daß
die Größen J von der Dichteverteilung nicht abhängen,
ebensowenig
die Größe A. Bezeichnen wir also den Mittel-
wert einer Größe durch einen
darüber gesetzten Strich, so
erhalten wir
Da aber gemäß § 3 die Größen B voneinander unab-
hängig das Gausssche
Fehlergesetz erfüllen (wenigstens soweit
die von uns verfolgte Annäherung reicht),
so ist, falls nicht = ',
= ' und = ' ist
Unser Ausdruck für ey2 reduziert sich deshalb auf
Dieser Mittelwert ist aber noch nicht der gesuchte. Es muß
auch bezüglich der Zeit
der Mittelwert genommen werden.
Diese tritt lediglich auf im letzten Faktor des
Ausdruckes
für J . Berücksichtigt man, daß der zeitliche Mittelwert
dieses Faktors den Wert
1_
2 hat und setzt man zur Abkürzung
| (16) |
so erhält man für den endgültigen Mittelwert ey2 den Ausdruck
Nach (7) ist ferner B 2 von unabhängig, kann also vor
die Summenzeichen
gestellt werden. Es unterscheiden sich
ferner die , welche zu aufeinanderfolgenden
Werten von
gehören, nach (16) und (15a) um , also um eine unend-
lich kleine Größe. Deshalb kann man die auftretende drei-
fache Summe
in ein dreifaches Integral verwandeln. Da nach
dem Gesagten für das
Intervall zweier aufeinanderfolgen-
der -Werte in dreifacher Summe die
Beziehung
ist, so ist
welche letztere Summe ohne weiteres als dreifaches Integral
geschrieben werden
kann. Aus (16) und (15a) schließt man,
daß dies Integral praktisch zwischen den
Grenzen -
und + zu nehmen ist, so daß es in ein Produkt dreier
Integrale
zerfällt, deren jedes den Wert hat. Berücksichtigt
man dies, so erhält man
endlich mit Hilfe von (7) und durch
Einsetzen des Ausdruckes für A für ey2 den
Ausdruck
oder, wenn man konsequent das spezifische Volumen v ein-
führt und c n durch
die Wellenlänge des erregenden Lichtes
ersetzt:
| (17) |
Hierbei ist das durchstrahlte opaleszenzerregende Volumen,
auf dessen Gestalt es
nicht ankommt, mit bezeichnet. Eine
analoge Formel gilt bezüglich der
z-Komponente, während
seine x-Komponente von e verschwindet. Man sieht
daraus,
daß für Intensität und Polarisationszustand des nach einer
bestimmten
Richtung entsandten Opaleszenzlichtes die Projektion
des elektrischen Vektors des
erregenden Lichtes auf die Normal-
ebene zum Opaleszenzstrahl maßgebend
ist, welches auch die
Fortpflanzungsrichtung des erregenden Lichtes sein
mag.1) Be-
zeichnet J
e die Intensität des erregenden Lichtes, J0 die des
Opaleszenzlichtes in der Distanz D von der Erregerstelle in
bestimmter
Richtung, den Winkel zwischen elektrischem
Vektor des Erregerlichtes
und der Normalebene zum be-
trachteten Opaleszenzstrahl, so ist nach
(17)
| (17a) |
Wir berechnen noch die scheinbare Absorption infolge Opales-
zenz durch
Integration des Opaleszenzlichtes über alle Rich-
tungen. Man erhält, wenn man
mit die Dicke der durch-
strahlten Schicht, mit die Absorptionskonstante
bezeichnet
(e-n = Schwächungsfaktor der Intensität):
| (18) |
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1) Daß unser Opaleszenzlicht diese Eigenschaft mit demjenigen
Opaleszenzlicht
gemein hat, das durch gegen die Wellenlänge des Lichtes
kleine suspendierte
Körper veranlaßt wird, kann nicht auffallen. Denn
in beiden Fällen handelt es sich
um unregelmäßige, örtlich rasch ver-
änderliche Störungen der Homogenität der
durchstrahlten Substanz.
Es ist von Bedeutung, daß das Hauptresultat unserer
Untersuchung, das durch
Formel (17a) gegeben ist, eine exakte
Bestimmung der Konstante N, d.
h. der absoluten Größe der
Moleküle gestattet. Im folgenden soll dies
Resultat auf den
Spezialfall der homogenen Substanz sowie auf den flüssiger
binärer Gemische in der Nähe des kritischen Zustandes an-
gewendet
werden.
§ 5. Homogene Substanz.
Im Falle einer homogenen Substanz haben wir zu setzen
also
Ferner ist nach der Beziehung von Clausius-Mosotti-
Lorentz
also
Setzt man diese Werte in (17a) ein, so erhält man
| (17b) |
In dieser Formel, welche das Verhältnis der Intensität des
Opaleszenzlichtes zum
erregenden Licht ergibt, falls letzteres
in der Distanz D vom primär bestrahlten
Volumen ge-
messen wird, bedeutet:
Daß p v der isotherm und nicht etwa der adiabatisch
genommene
Differentialquotient ist, hängt damit zusammen,
daß von allen Zuständen, die zu
einer gegebenen Dichtever-
teilung gehören, der Zustand gleicher Temperatur bei
ge-
gebener Gesamtenergie der Zustand größter Entropie, also
auch größter
statistischer Wahrscheinlichkeit ist.
Ist die Substanz, um welche es sich handelt, ein ideales
Gas, so ist nahe
+ 2 = 3 zu setzen. Man erhält für diesen Fall
| (17c) |
Diese Formel vermag, wie eine Überschlagsrechnung zeigt,
sehr wohl die
Existenz des von dem bestrahlten Luftmeer
ausgesandten vorwiegend blauen
Lichtes zu erklären.1) Dabei
ist bemerkenswert, daß unsere Theorie nicht
direkt Gebrauch
macht von der Annahme einer diskreten Verteilung der
Materie.
§ 6. Flüssigkeitsgemisch.
Auch im Falle eines Flüssigkeitsgemisches gilt der Her-
leitung gemäß
Gleichung (17a), wenn man setzt
Die Größe läßt sich in dem Falle, daß der mit dem be-
trachteten
Flüssigkeitsgemisch koexistierende Dampf als Ge-
misch idealer Gase betrachtet
werden kann, und daß die
Mischung als inkompressibel anzusehen ist, durch der
Er-
fahrung zugängliche Größen ersetzen. Wir finden dann
durch folgende
elementare Betrachtung.
Der Masseneinheit der ersten Komponente sei die Masse k
der zweiten
Komponente zugemischt. k ist dann ein Maß für
die Zusammensetzung des
Gemisches, dessen Gesamtmasse
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1) Gleichung (17c) kann man auch erhalten, indem man die Aus-
strahlungen
der einzelnen Gasmoleküle summiert, wobei diese als voll-
kommen unregelmäßig
verteilt angesehen werden. (Vgl. Rayleigh,
Phil. Mag. 47. p. 375. 1899 und Papers
4. p. 400.)
1 + k ist. Dies Gemisch besitze eine Dampfphase, und es
sei p'' der
Partialdruck, v'' das spezifische Volumen der zweiten
Komponente in der
Dampfphase. Dies System sei in eine
Hülle eingeschlossen, welche einen
semipermeabeln Wandteil
besitzt, durch den die zweite Komponente, nicht aber
die erste
in Gasform aus- und eingeführt werden kann. In eine zweite,
relativ
unendlich große Hülle sei eine relativ unendlich große
Menge des Gemisches
eingeschlossen von derjenigen Zusammen-
setzung (charakterisiert durch k0), für
welche wir die Opales-
zenz berechnen wollen. Dies zweite Gemisch besitze auch
einen Dampfraum mit semipermeabler Wand, und es sei Par-
tialdruck -
spezifisches Volumen der zweiten Komponente im
Dampfraum mit p0'', v0''
bezeichnet. Im Innern beider Hüllen
möge die Temperatur T0 herrschen. Wir
berechnen nun die
Arbeit d, welche nötig ist, um durch Transportieren der
Masse dk der zweiten Komponente von dem zweiten Behälter
in den ersten in
Gasform auf umkehrbarem Wege das Kon-
zentrationsmaß k im ersten
Behälter um dk zu erhöhen. Diese
Arbeit setzt sich aus folgenden drei Teilen
zusammen:
Hierbei ist das Flüssigkeitsvolumen neben dem Gasvolumen
vernachlässigt. M''
ist das Molekulargewicht der zweiten
Komponente in der Dampfphase. Da sich
das erste und dritte
Glied nach dem Gesetz von Mariotte wegheben, erhalten
wir
Die Funktion ist also unmittelbar aus Konzentrationen und
Partialdrucken
berechenbar. Wir haben nun 2 v2 zu er-
mitteln für denjenigen Zustand, den
wir durch den Index ,,0“
bezeichnet haben. Es ist
wobei die relative Druckänderung der zweiten Komponente
gegenüber dem Ursprungszustande bezeichnet. Aus den beiden
letzten
Gleichungen folgt
Differenziert man noch einmal nach v und berücksichtigt, daß
ist, so erhält man, wenn man im Resultat = 0 setzt:
Berücksichtigen wir dies, und ebenso, daß
so geht die Formel (17a) über in
| (17d) |
Diese Formel, welche nur noch dem Experiment zugäng-
liche Größen enthält,
bestimmt die Opaleszenzeigenschaften
von binären Flüssigkeitsgemischen,
insoweit man deren ge-
sättigte Dämpfe als ideale Gase behandeln darf,
vollkommen
bis auf ein kleines Gebiet in unmittelbarer Nähe des kri-
tischen
Punktes. Hier aber dürfte wegen der starken Licht-
absorption und deren
großer Temperaturabhängigkeit eine
quantitative Untersuchung ohnehin
ausgeschlossen sein. Wir
wiederholen hier die Bedeutungen der in der Formel auf-
tretenden Zeichen, soweit sie nicht bei Formel (17b) angegeben
sind; es ist
Damit es nicht wunderlich erscheine, daß in (17d) die beiden
Komponenten eine
verschiedene Rolle spielen, bemerke ich,
daß die bekannte thermodynamische
Beziehung
besteht. Aus dieser kann man schließen, daß es gleichgültig
ist, welche
Komponente man als erste bzw. zweite behandelt.
Eine quantitative experimentelle Untersuchung der hier
behandelten
Erscheinungen wäre von großem Interesse. Denn
einerseits wäre es wertvoll,
zu wissen, ob das Boltzmann-
sche Prinzip wirklich die hier in Betracht
kommenden Er-
scheinungen richtig ergibt, andererseits könnte man durch
solche
Untersuchungen zu genauen Werten für die Zahl N
gelangen.
Zürich, Oktober 1910.
(Eingegangen 8. Oktober 1910.)
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