5. Ueber die thermodynamische Theorie
der
Potentialdifferenz zwischen Metallen und voll-
ständig dissociirten Lösungen ihrer Salze und
über
eine elektrische Methode zur Erforschung der
Molecularkrüfte; von A. Einstein.
----------
§ 1. Eine hypothetische Erweiterung des zweiten Hauptsatzes
der
mechanischen Wärmetheorie.
Der zweite Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie
kann auf solche
physikalische Systeme Anwendung finden, die
im stande sind, mit beliebiger
Annäherung umkehrbare Kreis-
processe zu durchlaufen. Gemäss der Herleitung
dieses Satzes
aus der Unmöglichkeit der Verwandlung latenter Wärme in
mechanische Energie, ist hierbei notwendige Voraussetzung,
dass jene
Processe realisirbar seien. Bei einer wichtigen An-
wendung der mechanischen
Wärmetheorie ist es aber zweifel-
haft, ob dieses Postulat erfüllt ist, nämlich bei
der Ver-
mischung zweier oder mehrerer Gase mit Hülfe von semi-
permeabeln
Wänden. Auf der Voraussetzung der Realisirbarkeit
dieses Vorganges basirt die
thermodynamische Theorie der
Dissociation der Gase und die Theorie der
verdünnten Lösungen.
Die einzuführende Voraussetzung ist bekanntlich folgende:
Zu je zwei Gasen A
und B sind zwei Scheidewände herstell-
bar, sodass die eine durchlässig für A,
nicht aber für B, die
andere durchlässig für B, nicht aber für A ist. Besteht die
Mischung aus mehreren Componenten, so gestaltet sich diese
Voraussetzung noch
complicirter und unwahrscheinlicher. Da
nun die Erfahrung die Resultate der
Theorie vollständig be-
stätigt hat, trotzdem wir mit Processen operirt haben,
deren
Realisirbarkeit wohl bezweifelt werden kann, so erhebt sich
die Frage, ob
nicht vielleicht der zweite Hauptsatz auf ideale
Processe gewisser Art
angewendet werden kann, ohne dass
man mit der Erfahrung in Widerspruch
gerät.
In diesem Sinne können wir auf Grund der gewonnenen
Erfahrung jedenfalls
den Satz aussprechen: Man bleibt im
Einklang mit der Erfahrung, wenn man den
zweiten Haupt-
satz auf physikalische Gemische ausdehnt, deren einzelne
Componenten durch in
gewissen Flächen wirkende conservative
Kräfte auf gewisse Teilräume beschränkt
werden. Diesen Satz
verallgemeinern wir hypothetisch zu folgendem:
Man bleibt im Einklange mit der Erfahrung, wenn man
den zweiten Hauptsatz
auf physikalische Gemische anwendet,
auf deren einzelne Componenten beliebige
conservative Kräfte
wirken.
Auf diese Hypothese werden wir uns im Folgenden stets
stützen, auch wo es
nicht absolut notwendig erscheint.
§ 2. Ueber die Abhängigkeit der elektrischen Potentialdifferenz
einer
vollkommen dissociirten Salzlösung und einer aus dem
Lösungsmetall
bestehenden Elektrode, von der Concentration der
Lösung und vom
hydrostatischen Druck.
In einem cylindrischen Gefässe, dessen Axe zusammen-
falle mit der z-Axe
eines cartesischen Coordinatensystems
befinde sich ein vollkommen dissociirtes
Salz in Lösung. do
sei die Anzahl der Grammmolecüle des Salzes, welche sich
im
Volumenelemente do gelöst finden, m do die Anzahl der
Metallionen, s do die
Anzahl der Säureionen daselbst, wobei
m und s ganzzahlige Vielfache von
sind, sodass die Gleichungen
bestehen:
Ferner sei n..E.do die Grösse der gesamten positiven elektri-
schen Ionenladung
in do, also auch, bis auf unendlich Kleines,
die Grösse der negativen. n ist
dabei die Summe der Wertig-
keiten der Metallionen des Molecüls, E
die Elektricitätsmenge,
welche zur elektrolytischen Ausscheidung eines
Grammmolecüles
eines einwertigen Ions erforderlich ist.
Diese Gleichungen gelten jedenfalls, da die Anzahl der
überzähligen Ionen
einer Gattung zu vernachlässigen sein wird.
Wir wollen ferner annehmen, dass auf die Metall- bez.
Säureionen eine äussere
conservative Kraft wirke, deren Potential
pro Ion die Grösse Pm bez. Ps
besitze. Wir vernachlässigen
ferner die Veränderlichkeit der Dichte des
Lösungsmittels mit
dem Druck und der Dichte des gelösten Salzes, und nehmen
an, dass auf die Teile des Lösungsmittels ebenfalls eine con-
servative Kraft wirke,
deren Potential pro Grammäquivalent
des Lösungsmittels die Grösse P0
besitze, wobei 0 do Gramm-
molecüle des Lösungsmittels in do vorhanden
seien.
Alle die Kräftefunctionen seien lediglich von der z-Coordi-
nate abhängig, und
das System befinde sich im elektrischen,
thermischen und mechanischen
Gleichgewicht. Es werden dann
die Grössen: Concentration , das elektrische
Potential ,
osmotische Drucke der beiden Ionengattungen pm und ps, hydro-
statischer Druck po nur Functionen von z sein.
Es müssen nun an jeder Stelle des Elektrolyten die beiden
Elektronengattungen
für sich im Gleichgewicht sein, was durch
die Gleichungen ausgedrückt
wird:
dabei ist:
wo R eine für alle Ionenarten gemeinsame Constante ist. Die
Gleichungen nehmen
also die Form an:
| (1) |
Sind Pm und Ps für alle z, sowie und für ein bestimmtes z
bekannt, so liefern
die Gleichungen (1) und als Functionen
von z. Auch ergäbe die Bedingung,
dass sich die Lösung als
Ganzes im Gleichgewicht befindet, eine Gleichung zur Be-
stimmung des hydrostatischen Druckes po, die nicht angeschrieben
zu werden
braucht. Wir bemerken nur, dass dpo von d
und d deshalb unabhängig ist, weil
es uns freisteht, beliebige
conservative Kräfte anzunehmen, welche auf die
Molecüle des
Lösungsmittels wirken.
Wir denken uns nun in z = z1 und z = z2 Elektroden in
die Lösung eingeführt,
welche aus dem Lösungsmetalle be-
stehen, und nur einen verschwindend kleinen
Teil des Quer-
schnittes des cylindrischen Gefässes ausfüllen sollen. Lösung
und Elektroden zusammen bilden ein physikalisches System,
welches wir folgenden
umkehrbaren isothermischen Kreisprocess
ausführen lassen:
1. Teilprocess: Wir lassen die Elektricitätsmenge n E un-
endlich langsam
durch die Lösung passiren, indem wir die in
z = z1 bez. z = z2 befindliche
Elektrode als Anode bez. Kathode
verwenden.
2. Teilprocess: Wir bewegen die hierbei elektrolytisch von
z1 nach z2 bewegte
Metallmenge mechanisch in der Lösung
unendlich langsam wieder von z2 nach
z1.
Man ersieht zunächst, dass der Process strenge umkehr-
bar ist, da alle
Vorgänge unendlich langsam vor sich gehend
gedacht werden, derselbe also aus
(idealen) Gleichgewichts-
zuständen zusammengesetzt ist. Der zweite Hauptsatz
ver-
langt für einen solchen Process, dass die Summe der dem
System während des
Kreisprocesses zugeführten Wärmemengen
verschwinde. Der erste Hauptsatz
verlangt in Verbindung mit
dem zweiten, dass die Summe der übrigen
Energien, welche
dem System während des Kreisprocesses zugeführt werden,
verschwinde.
Während des ersten Teilprocesses wird die elektrische
Arbeitsmenge
zugeführt:
wobei 2 und 1 die elektrischen Potentiale der Elektroden
bedeuten.
Während des zweiten Teilprocesses wird:
zugeführt, wobei K die in der positiven z-Richtung wirkende
Kraft bedeutet,
welche notwendig ist, um die zu bewegenden nm
Metallionen, welche sich jetzt im
metallischen Zustande be-
finden, an der beliebigen Stelle z in Ruhe zu erhalten.
Für K
gilt, wie leicht ersichtlich die Gleichung:
Dabei bedeutet vm das Volumen eines Metallions im metalli-
schen Zustande. Jene
Arbeit erhält also den Wert:
wobei der zweite Index die Coordinate der Elektrode bezeichnet.
Wir erhalten also die Gleichung:
| (2) |
Bezeichnet man mit 1 und 2 die elektrischen Potentiale,
welche in den
Elektrodenquerschnitten im Innern der Lösung
herrschen, so erhält man durch
Integration aus der ersten
Gleichung (1):
wobei sich 1 und 2 wieder auf die Elektrodenquerschnitte
beziehen. Durch
Addition dieser Gleichungen erhält man:
| (3) |
Da die und po vollständig unabhängig voneinander sind,
so enthält
diese Gleichung die Abhängigkeit der Potential-
differenz zwischen
Metall und Lösung von Concentration
und hydrostatischem Druck. Es ist
zu bemerken, dass die
angenommenen Kräfte im Resultat nicht mehr
vorkommen.
Kämen sie vor, so wäre die § 1 aufgestellte Hypothese ad
absurdum geführt. Die gefundene Gleichung lässt sich in
zwei zerlegen,
nämlich:
| (4) |
Man hätte die Endformel (3) auch erhalten, ohne die in § 1
vorgeschlagene
Hypothese, wenn man die äusseren Kräfte mit
der Erdschwere identificirt hätte.
Dann wären aber und po
nicht unabhängig voneinander und eine Zerlegung in
die
Gleichungen (4) wäre nicht erlaubt.
Es soll noch kurz erwähnt werden, dass die Nernst’sche
Theorie der
elektrischen Kräfte im Innern dissociirter Elektro-
lyte in Verbindung mit der ersten der Gleichungen (4) die
elektromotorische Kraft
des Concentrationselementes zu be-
rechnen gestattet. Man gelangt so zu einem
bereits mehrfach
geprüften Resultat, welches bis jetzt aus speciellen Annahmen
hergeleitet wurde.
§ 3. Ueber die Abhängigkeit der Grösse von der Natur
der Säure.
Es seien m(1) Metallionen in der Volumeneinheit, welche
der ersten,
m(2),
welche der zweiten Satzart entsprechen, dann ist:
| (1) |
wobei die unteren Indices die Zugehörigkeit zu Raum I bez.
Raum II
bezeichnet.
In V erhält man aber als Gleichgewichtsbedingung der
Metallionen:
wobei die Wertigkeit des Metallions bedeutet.
Durch Integration über V und Berücksichtigung der
Gleichungen (1) ergiebt
sich:
| (2) |
Wir bilden ferner, nachdem wir in I und II Elektroden aus
Lösungsmetall
eingesetzt denken, folgenden idealen Kreisprocess:
1. Teilprocess: Wir schicken durch das System unendlich
langsam die
Elektricitätsmenge E, indem wir die im Raum I
befindliche Elektrode als
Anode, die andere als Kathode be-
trachten.
2. Teilprocess: Wir führen das so durch Elektrolyse von
z = z1 nach
z = z2 transportirte Metall, welches die Masse
eines Grammäquivalentes
besitzt, mechanisch wieder nach der
in z = z1 befindlichen Elektrode
zurück.
Durch Anwendung der beiden Hauptsätze der mechani-
schen Wärmetheorie
folgert man wieder, dass die Summe der
dem System während des Kreisprocesses
zugeführten mecha-
nischen und elektrischen Energie verschwindet. Da, wie leicht
ersichtlich, der zweite Teilprocess keine Energie erfordert, so
erhält man die
Gleichung
| (3) |
wobei 2 und 1 wieder die Elektrodenpotentiale bedeuten.
Durch Subtraction
der Gleichungen (3) und (2) erhält man:
und also folgenden Satz:
Die Potentialdifferenz zwischen einem Metall und einer
vollständig dissociirten
Lösung eines Salzes dieses Metalles in
einem bestimmten Lösungsmittel ist
unabhängig von der Natur
des elektronegativen Bestandteiles, sie hängt lediglich
von der
Concentration der Metallionen ab. Voraussetzung ist dabei
jedoch, dass
bei den Salzen das Metallion mit derselben Elek-
tricitätsmenge geladen
ist.
§ 4.
Bevor wir dazu übergehen, die Abhängigkeit von ( ) von
der Natur des
Lösungsmittels zu studiren, wollen wir kurz
die Theorie der conservativen
Molecularkräfte in Flüssigkeiten
entwickeln. Ich entnehme dabei die
Bezeichnungsweise einer
früheren Abhandlung über diesen Gegenstand1), welche zugleich
die einzuführenden
Hypothesen einstweilen rechtfertigen soll.
Jedem Molecüle einer Flüssigkeit oder einer in einer
Flüssigkeit gelösten
Substanz komme eine gewisse Constante c
zu, sodass der Ausdruck für das
relative Potential der Molecular-
kräfte zweier Molecüle, welche durch die Indices
...1 und ...2
charakterisirt seien, lautet:
| (a) |
wobei (r) eine für alle Molecülarten gemeinsame Function
der Entfernung sei.
Jene Kräfte sollen sich einfach super-
poniren, sodass der Ausdruck des relativen
Potentiales von n
Molecülen die Form habe:
| (b) |
Wären speciell alle Molecüle gleich beschaffen, so erhielten
wir den Ausdruck:
| (c) |
Ferner sei das Wirkungsgesetz und das Verteilungsgesetz
der Molecüle so
beschaffen, dass die Summen in Integrale
verwandelt werden dürfen, dann geht
dieser Ausdruck über in:
N bedeutet dabei die Zahl der Molecüle in der Volumeneinheit.
Bszeichnet N0
die Anzahl der Molecüle in einem Gramm-
äquivalent, so ist N0/N = v
das Molecularvolumen der Flüssig-
keit, und nehmen wir an, dass ein
Grammäquivalent zur Unter-
suchung vorliegt, so geht, wenn wir den
Einfluss der Flüssig-
keitsoberfläche vernachlässigen, unser Ausdruck über
in:
----------
1) A. Eiustein, Ann. d. Phys. 4. p. 513. 1901.
Wir wollen nun die Einheit der c so wählen, dass dieser Aus-
druck übergeht
in
| (d) |
Durch diese Festsetzung gewinnt man für die Grössen c ein
absolutes
Maass. In jener Abhandlung ist gezeigt, dass man
mit der Erfahrung in
Uebereinstimmung bleibt, wenn man
setzt c =
c , wo sich die Grössen
c auf die Atome be-
ziehen, aus denen das Molecül zusammengesetzt
ist.
Wir wollen nun das relative Anziehungspotential des
Grammmolecüls eines
Ions in Bezug auf sein Lösungsmittel
berechnen, wobei wir ausdrücklich die
Annahme machen, dass
die Anziehungsfelder der Molecüle des Lösungsmittels
nicht
auf die elektrischen Ladungen der Ionen wirken. Später zu
entwickelnde
Methoden werden ein Mittel an die Hand geben,
welches über die Zulässigkeit
dieser Voraussetzung zu ent-
scheiden gestattet.
Sei cj die moleculare Constante des Ions, cl die des Lösungs-
mittels, so
hat das Potential eines Molecüles des Ions gegen
das Lösungsmittel die
Form:
wobei Nl die Zahl der Molecüle des Lösungsmittels pro Volumen-
einheit
bedeutet. Da N0/Nl = vl ist, so geht dieser Ausdruck
über in:
Das aber das Grammäquivalent N0 Molecüle des Ions enthält,
so erhalten wir für
das relative Potential des Grammäquivalentes
des Ions:
Führt man die Concentration des Lösungsmittels 1/vl = l ein,
so erhält man die
Form:
| (e) |
Ist das Lösungsmittel eine Mischung mehrerer Flüssigkeiten,
welche wir durch
Indices unterscheiden wollen, erhalten wir
| (e') |
wobei die l die Anzahl der Grammmolecüle der einzelnen
Componenten des
Lösungsmittels pro Volumeneinheit bedeuten.
Die Formel (e') gilt angenähert
auch in dem Falle, dass die
Grössen l mit dem Orte variiren.
§ 5. Ueber die Abhängigkeit der zwischen einem Metall und
einer
vollständig dissociirten Lösung eines Salzes dieses Metalles
herrschenden
elektrischen Potentialdifferenz von der Natur des
Lösungsmittels.
Ein cylindrisches Gefäss zerfalle wieder, wie im § 3 an-
gegeben wurde, in die
Räume I, II und den Verbindungs-
raum V. In I befinde sich ein erstes, in II ein
zweites
Lösungsmittel, in V mögen beide gemischt vorkommen und es
mögen in
diesem Raume auf die Lösungsmittel Kräfte wirken,
welche eine Diffusion
verhindern. In dem Gefässe befinde
sich ein gelöstes Salz im Zustande
vollständiger Dissociation.
Auf die Säureionen desselben sollen in V Kräfte
wirken, deren
Potential Ps heisse und so gewählt sei, dass das Salz in I
und II
gleiche Concentration besitze. Wir stellen nun die
Bedingung für das
Gleichgewicht der Metallionen auf. Die
z-Axe führen wir wieder || der Cylinderaxe
von I nach II.
Als Ausdruck der auf das Grammäquivalent wirkenden
Kraft elektrischen
Ursprunges ergiebt sich:
Die auf das Aequivalent vom osmotischen Druck ausgeübte
Kraft ist:
Die auf das Aequivalent ausgeübte Wirkung der Molecular-
kräfte ist:
wobei sich die oberen Indices auf die Lösungsmittel beziehen.
Die gesuchte
Gleichgewichtsbedingung ist also:
Integrirt man durch V hindurch und berücksichtigt, dass
in I und II identisch
ist, und dass l(2) in I und
l(1) in II nach
unserer Voraussetzung verschwindet, so
erhält man:
wobei sich die oberen Indices auf Raum I bez. II beziehen.
Wir denken uns nun in I und II Elektroden angebracht,
welche aus dem
gelösten Metall bestehen, und bilden einen
Kreisprocess, indem wir die
Electricitätsmenge n/nm E durch
das System schicken, und dann die transportirte
Metallmenge
mechanisch wieder zurückbewegen, was keine Arbeit erfordert,
wenn
wir annehmen, dass in I und II der hydrostatische
Druck der nämliche sei.
Durch Anwendung der beiden Haupt-
sätze der Wärmetheorie erhält
man:
Durch Subtraction beider Resultate ergiebt sich:
Ist jedes der beiden Lösungsmittel eine Mischung mehrerer
nichtleitender
Flüssigkeiten, so erhält man etwas allgemeiner:
in welcher Formel l die Zahl der Grammmolecüle einer
Componente des
Lösungsmittels in einem Volumelemente des
gemischten Lösungsmittels
bezeichnet.
Die Potentialdifferenz ist also von der Natur des
Lösungsmittels
abhängig. Auf diese Abhängigkeit lässt sich
eine Methode zur Erforschung der
Molecularkräfte gründen.
§ 6. Methode zur Bestimmung der Constanten c für Metallionen
und
Lösungsmittel.
In einem cylindrischen Gefässe seien zwei vollständig
dissociirte Salzlösungen
in Diffusion begriffen; diese Salze
seien durch untere Indices bezeichnet. Das Lösungsmittel sei
im ganzen Gefäss
dasselbe und werde durch den oberen Index
bezeichnet. Das Gefäss zerfalle wieder
in die Räume I, II
und den Verbindungsraum V. Im Raume I sei nur das
erste,
im Raume II nur das zweite Salz vorhanden; im Raume V
finde
Diffusion beider Salze statt. In die Räume I und II
seien Elektroden
eingeführt, welche aus dem betreffenden
Lösungsmetalle bestehen und die
elektrischen Potentiale II1
bez. II2 ' besitzen; an die zweite Elektrode sei
ein Stück des
ersten Elektrodenmetalles angelötet, dessen Potential II2
sei.
Wir bezeichnen ausserdem die elektrischen Potentiale im
Innern der
unvermischten, in I und II befindlichen Lösungen,
mit 1 und 2, dann
ist:
Stellt man ganz dieselbe Anordnung her, mit dem einzigen
Unterschiede, dass
man ein anderes Lösungsmittel benutzt, das
durch den oberen Index(2) bezeichnet
werde, so hat man:
Durch Subtraction dieser beiden Ausdrücke erhält man mit
Berücksichtigung des
in § 5 gefundenen Resultates:
Die erforderliche Erweiterung für den Fall, dass die
Lösungsmittel Mischungen
sind, erhält man leicht wie in § 5.
Die Werte der linken Seite dieser Gleichung ergeben sich
unmittelbar durch
das Experiment. Mit der Bestimmung des
ersten Gliedes der rechten Seite werden
wir uns im folgenden
Paragraph beschäftigen; es sei einstweilen gesagt, dass man
dies Glied aus den angewandten Concentrationen und den
molecularen
Leitfähigkeiten der betreffenden Ionen für das
betreffende Lösungsmittel
berechnen kann, wenn man die An-
ordnung in geeigneter Weise wählt. Die
Gleichung erlaubt
daher die Berechnung des zweiten Gliedes der rechten
Seite.
Dies benutzen wir zur Bestimmung der Constanten c für
Metallionen und zur
Prüfung unserer Hypothesen. Wir be-
nutzen zu einer Reihe von Experimenten
der geschilderten
Art immer dieselben beiden Lösungsmittel. Für die ganze
Untersuchungsreihe ist
dann die Grösse
Setzt man n1/nm1 = E1 etc. gleich der Wertigkeit des
ersten etc. Metallions,
so ist also das berechnete letzte Glied
der rechten Seite ein relatives Maass für die
Grösse
Untersucht man so Combinationen aller Elektrodenmetalle
zu Paaren, so
erhält man in relativem Maass die Grössen
Man erhält in demselben Maasse die Grössen cm/ selbst,
wenn man bei einem
Metall eine analoge Untersuchung in der
Weise ausführt, dass man Salze und
Elektroden in I und II
von demselben Metall wählt, sodass jedoch , d. h. die
Wertig-
keit (elektrische Ladung) des Metallions auf beiden Seiten
verschieden ist.
Es sind dann in jenem Maasse die Werte für
die Grössen cm der einzelnen Metalle
selbst ermittelbar. Eine
Reihe von solchen Untersuchungen führt also auf die Ver-
hältnisse der cm, d. h. der Constanten für die Molecularattraction
der
Metallionen. Diese Reihe der cm muss unabhängig sein
von der Natur der
benutzten Salze, und die Verhältnisse der
so erhaltenen cm unabhängig von
der Natur der beiden
Lösungsmittel, welche wir für die Untersuchung zu
Grunde
legten. Ferner muss verlangt werden, dass cm unabhängig von
der elektrischen Ladung (Wertigkeit), in welcher ein Ion auf-
tritt, sich
herausstelle. Ist dies der Fall, so ist die oben ge-
machte Voraussetzung richtig,
dass die Molecularkräfte nicht
auf die elektrischen Ladungen der Ionen
wirken.
Will man den Wert der Grössen cm wenigstens angenähert
absolut bestimmen,
so kann man dies, indem man die Grösse k
angenähert für die beiden
Lösungsmittel aus den Resultaten
der oben angeführten Abhandlung entnimmt,
indem man die
Formel c =
c anwendet. Freilich ist hier zu bemerken,
dass sich
gerade für die als Lösungsmittel am meisten nahe-
liegenden Flüssigkeiten, Wasser
und Alkohol, die Gültigkeit
des Attractionsgesetzes aus den Erscheinungen der Capillarität,
Verdampfung und
Compressibilität nicht hat darthun lassen.
Es lässt sich auf Grund unseres Ergebnisses aber ebenso-
gut eine Erforschung
der Constanten cl von Lösungsmitteln
gründen, indem man der Untersuchung
zwei Metallionen zu
Grunde legt und das Lösungsmittel variiren lässt, sodass nun
die Grösse
als constant zu betrachten ist. Indem man auch Mischungen
als Lösungsmittel
zulässt, kann so die Untersuchung auf alle
elektrisch nicht leitenden Flüssigkeiten
ausgedehnt werden.
Es lassen sich aus solchen Versuchen relative Werte für die
Grössen c herausrechnen, welche den die Flüssigkeitsmolecüle
bildenden Atomen
zukommen. Auch hier bietet sich eine Fülle
von Prüfungen für die Theorie, indem
die ca beliebig über-
bestimmt werden können. Ebenso muss das Resultat unab-
hängig sein von der Wahl der Metallionen.
§ 7. Berechnung von (2 - 1).
Wir haben nun noch den Diffusionsvorgang im Raume V
genauer zu studiren.
Die variabeln Grössen seien nur von z
abhängig, wobei die z-Axe des von uns
gewählten cartesischen
Coordinatensystems mit der Richtung der Axe
unseres Ge-
fässes zusammenfalle. m1, s1, m2, s2 seien die von z ab-
hängigen Concentrationen (Grammäquivalente pro Volumen-
einheit) der
vier Ionengattungen, m1 E, -s1 E, m2 E, -s2 E
die elektrischen
Ladungen, welche dieselben tragen; ; sei das
elektrische Potential. Da
nirgends beträchtliche elektrische
Ladungen auftreten, so ist für alle z
nahezu:
| () |
Ausserdem erhalten wir für jede Ionenart eine Gleichung,
welche ausdrückt,
dass die Vermehrung der Zahl der in einem
Volumenelement befindlichen Ionen
bestimmter Gattung pro
Zeiteinheit gleich ist der Differenz der in dieser Zeit ins
Volumenelement eintretenden und der in derselben Zeit aus
ihm austretenden
Molecüle:
| () |
wobei v mit dem betreffenden Index die constante Ge-
schwindigkeit bedeutet,
welche die mechanische Krafteinheit
dem Grammäquivalent des betreffenden Ions
in der Lösung
erteilt.
Diese vier Gleichungen bestimmen im Verein mit den
Grenzbedingungen den
stattfindenden Vorgang vollständig, da
sie für jeden Zeitmoment die fünf
Grössen
in eindeutiger Weise zu berechnen gestatten. Die allgemeine
Behandlung des
Problemes wäre aber mit sehr grossen
Schwierigkeiten verknüpft, zumal
Gleichungen () nicht linear
in den Unbekannten sind. Uns kommt es aber nur auf
die
Bestimmung von 2 - 1 an. Wir multipliciren daher die
Gleichungen () der
Reihe nach mit m1, -s1, m2, -s2 und
erhalten mit Rücksicht auf
()
wobei
Durch Integration dieser Gleichung nach z ergiebt sich
unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass überall, wo keine
Diffusion stattfindet,
verschwinden:
Da die Zeit als constant zu betrachten ist, lässt sich
schreiben:
Der Ausdruck rechts ist im allgemeinen kein vollständiges
Differential, was
bedeutet, dass nicht nur durch die an
den diffusionslosen Bereichen
herrschenden Concentrationen,
sondern auch durch den Charakter des
Diffusionsvorganges
bestimmt wird. Es gelingt indessen durch einen Kunstgriff
in
der Anordnung, die Integration zu ermöglichen.
Wir denken uns den Raum V in drei Teile, Raum (1),
Raum (2) und Raum (3)
eingeteilt und dieselben vor Beginn
des Experimentes durch zwei Scheidewände
voneinander ge-
trennt. (1) communicire mit I, (3) mit II, in (2) seien beide
Salze
gleichzeitig gelöst, mit genau denselben Concentrationen
wie in I bez. II. Vor
Beginn des Experimentes befindet sich
also in I und (1) nur das erste, in II und
(3) nur das zweite
Salz in Lösung, in (2) eine Mischung beider. Die Concentration
ist dabei allenthalben constant. Bei Beginn des Experimentes
werden die
Scheidewände weggenommen und gleich darauf die
Potentialdifferenz zwischen
den Elektroden gemessen. Für
diese Zeit ist aber die Integration über die
diffundirenden
Schichten möglich, da in der ersten diffundirenden Schicht
m1 und s1, in der zweiten m2 und s2 constant sind. Die
Integration
liefert:
Eine Vereinfachung der Methode lässt sich erzielen, wenn
es möglich ist, in I
und II gleiches Säureion von gleicher
Concentration zu wählen. Verbindet man
nämlich in diesem
Falle Raum I mit Raum II direct, so ist für den Anfang des
Diffusionsvorganges zu setzen:
Ebenso ist nach Voraussetzung:
Gleichung (1) geht dann über in
| (1') |
Von den Gleichungen (2) bleibt die erste und dritte un-
verändert bestehen,
aus der zweiten und vierten ergiebt sich
durch Addition:
Eliminirt man aus den so veränderten Gleichungen (2)
vermittelst der
Gleichung (1') die Ableitungen nach der Zeit,
so erhält man wie vorhin einen
Ausdruck für d, welcher ein
vollständiges Differential ist. Durch Integration
desselben er-
hält man:
wobei sich jetzt die Zahlenindices auf die Integrationsgrenzen
beziehen. Infolge der
Beziehung
erhalten wir noch einfacher
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Zum Schlusse empfinde ich noch das Bedürfnis, mich zu
entschuldigen, dass ich
hier nur einen dürftigen Plan für eine
mühevolle Untersuchung entwerfe, ohne
selbst zur experi-
mentellen Lösung etwas beizutragen; ich bin jedoch dazu nicht
in der Lage. Doch hat diese Arbeit ihr Ziel erreicht, wenn
sie einen Forscher
veranlasst, das Problem der Molecularkräfte
von dieser Seite her in Angriff zu
nehmen.
Bern, April 1902.
(Eingegangen 30. April 1902.)
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