4. Über den Einflu
der Schwerkraft auf die
Ausbreitung des Lichtes;
von A. Einstein.
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Die Frage, ob die Ausbreitung des Lichtes durch die
Schwere beinflußt wird,
habe ich schon an einer vor 3 Jahren
erschienenen Abhandlung zu beantworten
gesucht.1) Ich komme
auf dies Thema wieder zurück, weil mich meine damalige
Darstellung des Gegenstandes nicht befriedigt, noch mehr
aber, weil ich nun
nachträglich einsehe, daß eine der wichtigsten
Konsequenzen jener Betrachtung
der experimentellen Prüfung
zugänglich ist. Es ergibt sich nämlich, daß
Lichtstrahlen, die
in der Nähe der Sonne vorbeigehen, durch das Gravitationsfeld
derselben nach der vorzubringenden Theorie eine Ablenkung
erfahren, so daß eine
scheinbare Vergrößerung des Winkel-
abstandes eines nahe an der Sonne
erscheinenden Fixsternes
von dieser im Betrage von fast einer Bogensekunde
eintritt.
Es haben sich bei der Durchführung der Überlegungen
auch noch weitere
Resultate ergeben, die sich auf die Gravi-
tation beziehen. Da aber die
Darlegung der ganzen Be-
trachtung ziemlich unübersichtlich würde, sollen im
folgenden
nur einige ganz elementare Überlegungen gegeben werden, aus
denen man sich bequem über die Voraussetzungen und den
Gedankengang
der Theorie orientieren kann. Die hier ab-
geleiteten Beziehungen sind,
auch wenn die theoretische Grund-
lage zutrifft, nur in erster Näherung
gültig.
§ 1. Hypothese über die physikalische Natur
des Gravitationsfeldes.
In einem homogenen Schwerefeld (Schwerebeschleunigung )
befinde sich ein
ruhendes Koordinatensystem K, das so orien-
tiert sei, daß die Kraftlinien des
Schwerefeldes in Richtung
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1) A. Einstein, Jahrb. f. Radioakt. n. Elektronik IV. 4.
der negativen z-Achse verlaufen. In einem von Gravitations-
feldern freien Raume
befinde sich ein zweites Koordinaten-
system K', das in Richtung seiner positiven
z-Achse eine
gleichförmig beschleunigte Bewegung (Beschleunigung ) aus-
führe.
Um die Betrachtung nicht unnütz zu komplizieren,
sehen wir dabei von der
Relativitätstheorie vorläufig ab, be-
trachten also beide Systeme nach der
gewohnten Kinematik
und in denselben stattfindende Bewegungen nach der
gewöhn-
lichen Mechanik.
Relativ zu K, sowie relativ zu K', bewegen sich materielle
Punkte, die
der Einwirkung anderer materieller Punkte nicht
unterliegen, nach den
Gleichungen:
Dies folgt für das beschleunigte System K' direkt aus dem
Galileischen Prinzip,
für das in einem homogenen Gravi-
tationsfeld ruhende System K aber aus der
Erfahrung, daß
in einem solchen Felde alle Körper gleich stark und gleich-
mäßig
beschleunigt werden. Diese Erfahrung vom gleichen
Fallen aller Körper im
Gravitationsfelde ist eine der all-
gemeinsten, welche die Naturbeobachtung uns
geliefert hat;
trotzdem hat dieses Gesetz in den Fundamenten unseres
physikalischen Weltbildes keinen Platz erhalten.
Wir gelangen aber zu einer sehr befriedigenden Inter-
pretation des
Erfahrungssatzes, wenn wir annehmen, daß die
Systeme K und K' physikalisch
genau gleichwertig sind, d. h.
wenn wir annehmen, man könne das System K
ebenfalls als
in einem von einem Schwerefeld freien Raume befindlich an-
nehmen; dafür müssen wir K dann aber als gleichförmig be-
schleunigt
betrachten. Man kann bei dieser Auffassung ebenso-
wenig von der absoluten
Beschleunigung des Bezugssystems
sprechen, wie man nach der gewöhnlichen
Relativitätstheorie
von der absoluten Geschwindigkeit eines Systems reden kann.1)
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1) Natürlich kann man ein beliebiges Schwerefeld nicht durch einen
Bewegungszustand des Systems ohne Gravitationsfeld ersetzen, ebenso-
wenig, als
man durch eine Relativitätstransformation alle Punkte eines
beliebig bewegten
Mediums auf Ruhe trausformieren kann.
Bei dieser Auffassung ist das gleiche Fallen aller Körper
in einem Gravitationsfelde
selbstverständlich.
Solange wir uns auf rein mechanische Vorgänge aus dem
Gültigkeitsbereich
von Newtons Mechanik beschränken, sind
wir der Gleichwertigkeit der
Systeme K und K' sicher. Unsere
Auffassung wird jedoch nur dann tiefere
Bedeutung haben,
wenn die Systeme K und K' in bezug auf alle physikalischen
Vorgänge gleichwertig sind, d. h. wenn die Naturgesetze in
bezug auf K
mit denen in bezug auf K' vollkommen über-
einstimmen. Indem wir
dies annehmen, erhalten wir ein
Prinzip, das, falls es wirklich zutrifft,
eine große heuristische
Bedeutung besitzt. Denn wir erhalten durch die
theoretische
Betrachtung der Vorgänge, die sich relativ zu einem gleich-
förmig
beschleunigten Bezugssystem abspielen, Aufschluß über
den Verlauf der
Vorgänge in einem homogenen Gravitations-
felde.1) Im folgenden soll
zunächst gezeigt werden, inwiefern
unserer Hypothese vom Standpunkte der
gewöhnlichen Rela-
tivitätstheorie aus eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit zu-
kommt.
§ 2. Über die Schwere der Energie.
Die Relativitätstheorie hat ergeben, daß die träge Masse
eines Körpers mit
dem Energieinhalt desselben wächst;
beträgt der Energiezuwachs E, so ist der
Zuwachs an träger
Masse gleich E/c2, wenn c die Lichtgeschwindigkeit bedeutet.
Entspricht nun aber diesem Zuwachs an träger Masse auch
ein Zuwachs
an gravitierender Masse? Wenn nicht, so fiele
ein Körper in demselben
Schwerefelde mit verschiedener Be-
schleunigung je nach dem Energieinhalte
des Körpers. Das
so befriedigende Resultat der Relativitätstheorie, nach
welchem
der Satz von der Erhaltung der Masse in dem Satze von der
Erhaltung der Energie aufgeht, wäre nicht aufrecht zu er-
halten; denn so wäre
der Satz von der Erhaltung der Masse
zwar für die träge Masse in der
alten Fassung aufzugeben,
für die gravitierende Masse aber aufrecht zu
erhalten.
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1) In einer späteren Abhandlung wird gezeigt werden, daß das hier
in
Betracht kommende Gravitationsfeld nur in erster Annäherung
homogen ist.
Dies muß als sehr unwahrscheinlich betrachtet werden.
Andererseits liefert uns
die gewöhnliche Relativitätstheorie
kein Argument, aus dem wir folgern
könnten, daß das Gewicht
eines Körpers von dessen Energieinhalt abhängt.
Wir werden
aber zeigen, daß unsere Hypothese von der Äquivalenz der
Systeme K und K' die Schwere der Energie als notwendige
Konsequenz
liefert.
Es mögen sich die beiden mit Meßinstrumenten versehenen
körperlichen
Systeme S1 und S2 in der Entfernung h von-
einander auf der z-Achse
von K befinden 1), derart, daß das
Gravitationspotential in S
2 um . h größer
ist, als das in S1. Es
wurde von S2 gegen S1 eine bestimmte Energie-
menge
E in Form von Strahlung gesendet. Die
Energiemengen
mögen dabei in S1 und S2 mit
Vorrichtungen gemessen
werden, die -- an einen
Ort des Systems z gebracht
und dort mit-
einander verglichen -- vollkommen
gleich seien.
Über den Vorgang dieser Energieübertragung
durch Strahlung läßt sich a priori nichts aus-
sagen,
weil wir den Einfluß des Schwerefeldes
auf die Strahlung
und die Meßinstrumente in S1 und S2 nicht
kennen.
Nach unserer Voraussetzung von der Äquivalenz von K
und K' können wir
aber an Stelle des im homogenen Schwere-
felde befindlichen Systems K das
schwerefreie, im Sinne der
positiven z gleichförmig beschleunigt bewegte System
K' setzen,
mit dessen z-Achse die körperlichen Systeme S1 und S2 fest
verbunden
sind.
Den Vorgang der Energieübertragung durch Strahlung
von S2 auf S1
beurteilen wir von einem System K0 aus, das
beschleunigungsfrei sei. In bezug auf
K0 besitze K' in dem
Augenblick die Geschwindigkeit Null, in welchem die Strah-
lungsenergie E2 von S2 gegen S1 abgesendet wird. Die Strah-
lung wird in S1
ankommen, wenn die Zeit h/c verstrichen ist
(in erster Annäherung). In
diesem Momente besitzt aber S1
in bezug auf K0 die Geschwindigkeit
.h/c = v. Deshalb
besitzt nach der gewöhnlichen Relativitätstheorie die in S1
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1) S1 und S2 werden als gegenüber h unendlich klein betrachtet.
ankommende Strahlung nicht die Energie E2, sondern eine
größere Energie
E1, welche mit E2 in erster Annäherung durch
die Gleichung verknüpft
ist1):
| (1) |
Nach unserer Annahme gilt genau die gleiche Beziehung,
falls derselbe
Vorgang in dem nicht beschleunigten, aber mit
Gravitationsfeld versehenen
System K stattfindet. In diesem
Falle können wir .h ersetzen durch das Potential
des
Gravitationsvektors in S2, wenn die willkürliche Konstante
von in S1
gleich Null gesetzt wird. Es gilt also die
Gleichung:
| (1 a) |
Diese Gleichung spricht den Energiesatz für den ins Auge
gefaßten Vorgang
aus. Die in S1 ankommende Energie E1 ist
größer als die mit gleichen
Mitteln gemessene Energie E2,
welche in S2 emittiert wurde, und zwar um
die potentielle
Energie der Masse E2/c2 im Schwerefelde. Es zeigt sich
also, daß man, damit das Energieprinzip erfüllt sei, der
Energie E vor
ihrer Aussendung in S2 eine potentielle Energie
der Schwere zuschreiben
muß, die der (schweren) Masse E/c2
entspricht. Unsere Annahme der
Äquivalenz von K und K'
hebt also die am Anfang dieses Paragraphen
dargelegte Schwierig-
keit, welche die gewöhnliche Relativitätstheorie übrig
läßt.
Besonders deutlich zeigt sich der Sinn dieses Resultates
bei Betrachtung des
folgenden Kreisprozesses:
1. Man sendet die Energie E (in S2 gemessen) in Form
von Strahlung in S2 ab
nach S1, wo nach dem soeben er-
langten Resultat die Energie E(1 + h/c2)
aufgenommen wird
(in S1 gemessen).
2. Man senkt einen Körper W von der Masse M von S2
nach S1, wobei die
Arbeit M h nach außen abgegeben wird.
3. Man überträgt die Energie E von S1 auf den Körper W,
während sich W in
S1 befindet. Dadurch ädere sich die
schwere Masse M, so daß sie den Wert M'
erhält.
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1) A. Einstein, Ann. d. Phys. 17. p. 913 u. 914. 1905.
4. Man hebe W wieder nach S2, wobei die Arbeit M' h
aufzuwenden
ist.
5. Man übertrage E von W wieder auf S2.
Der Effekt dieses Kreisprozesses besteht einzig darin,
daß S1 den Energiezuwachs
E( h/c2) erlitten hat, und daß
dem System die Energiemenge
in Form von mechanischer Arbeit zugeführt wurde. Nach
dem Energieprinzip muß
also
oder
| (1 b) |
sein. Der Zuwachs an schwerer Masse ist also gleich E/c2,
also gleich dem aus der
Relativitätstheorie sich ergebenden
Zuwachs an träger Masse.
Noch unmittelbarer ergibt sich das Resultat aus der
Äquivalenz der Systeme K
und K', nach welcher die schwere
Masse in bezug auf K der trägen Masse in
bezug auf K' voll-
kommen gleich ist; es muß deshalb die Energie eine schwere
Masse besitzen, die ihrer trägen Masse gleich ist. Hängt man
im System K' eine
Masse M0 an einer Federwaage auf, so
wird letztere wegen der Trägheit von M0
das scheinbare Ge-
wicht M0 anzeigen. Überträgt man die Energiemenge E
auf M0, so wird die Federwaage nach dem Satz von der Träg-
heit der
Energie anzeigen. Nach unserer Grund-
annahme muß ganz
dasselbe eintreten bei Wiederholung des
Versuches im System K, d. h. im
Gravitationsfelde.
§ 3. Zeit und Lichtgeschwindigkeit im Schwerefelde.
Wenn die im gleichförmig beschleunigten System K' in
S2 gegen S1
emittierte Strahlung mit Bezug auf die in S2 be-
findliche Uhr die Frequenz 2
besaß, so besitzt sie in bezug
auf S1 bei ihrer Ankunft in S1 in bezug
auf die in S1 befindliche
gleich beschaffene Uhr nicht mehr die Frequenz
2 sondern
eine größere Frequenz 1, derart, daß in erster Annäherung
| (2) |
Führt man nämlich wieder das beschleunigungsfreie Bezugs-
system K0 ein,
relativ zu welchem K' zur Zeit der Lichtaus-
sendung keine Geschwindigkeit
besitzt, so hat S1 in bezug auf K0
zur Zeit der Ankunft der Strahlung in S1 die
Geschwindigkeit
(h/c), woraus sich die angegebene Beziehung vermöge des
Dopplerschen Prinzipes unmittelbar ergibt.
Nach unserer Voraussetzung von der Äquivalenz der
Systeme K' und
K gilt diese Gleichung auch für das ruhende,
mit einem gleichförmigen
Schwerefeld versehene Koordinaten-
system K, falls in diesem die geschilderte
Strahlungsüber-
tragung stattfindet. Es ergibt sich also, daß ein bei be-
stimmtem
Schwerepotential in S2 emittierter Lichtstrahl, der
bei seiner Emission -- mit
einer in S2 befindlichen Uhr ver-
glichen -- die Frequenz 2 besitzt, bei seiner
Ankunft in S1
eine andere Frequenz 1 esitzt, falls letztere mittels einer
in S1
befindlichen gleich beschaffenen Uhr gemessen wird.
Wir ersetzen h durch das
Schwerepotential von S2 in
bezug auf S1 als Nullpunkt und nehmen an, daß
unsere für
das homogene Gravitationsfeld abgeleitete Beziehung auch für
anders
gestaltete Felder gelte; es ist dann
| (2 a) |
Dies (nach unserer Ableitung in erster Näherung gültige) Resul-
tat gestattet
zunächst folgende Anwendung. Es sei 0 die
Schwingungszahl eines elementaren
Lichterzeugers, gemessen
mit einer an demselben Orte gemessenen Uhr U. Diese
Schwingungszahl ist dann unabhängig davon, wo der Licht-
erzeuger samt der Uhr
aufgestellt wird. Wir wollen uns beide
etwa an der Sonnenoberfläche angeordnet
denken (dort befindet
sich unser S2). Von dem dort emittierten Lichte gelangt ein
Teil zur Erde (S1), wo wir mit einer Uhr U von genau gleicher
Beschaffenheit als
der soeben genannten die Frequenz des
ankommenden Lichtes messen Dann ist
nach (2a)
wobei die (negative) Gravitationspotentialdifferenz zwischen
Sonnenoberfläche
und Erde bedeutet. Nach unserer Auffassung
müssen also die Spektrallinien des Sonnenlichtes gegenüber
den entsprechenden
Spektrallinien irdischer Lichtquellen etwas
nach dem Rot verschoben sein, und
zwar um den relativen
Betrag
Wenn die Bedingungen, unter welchen die Sonnenlinien ent-
stehen, genau
bekannt wären, wäre diese Verschiebung noch
der Messung zugänglich. Da aber
anderweitige Einflüsse
(Druck, Temperatur) die Lage des Schwerpunktes der
Spektral-
linien beeinflussen, ist es schwer zu konstatieren, ob der hier
abgeleitete
Einfluß des Gravitationspotentials wirklich existiert.1)
Bei oberflächlicher Betrachtung scheint Gleichung (2)
bzw. (2a) eine
Absurdität auszusagen. Wie kann bei bestän-
diger Lichtübertragung von S2 nach
S1 in S1 eine andere An-
zahl von Perioden pro Sekunde ankommen, als in S2
emittiert
wird? Die Antwort ist aber einfach. Wir können 2 bzw. 1
nicht als
Frequenzen schlechthin (als Anzahl Perioden pro
Sekunde) ansehen, da
wir eine Zeit im System K noch nicht
festgelegt haben. 2 bedeutet die
Anzahl Perioden, bezogen
auf die Zeiteinheit der Uhr U in S2, 1 die
Anzahl Perioden,
bezogen auf die Zeiteinheit der gleich beschaffenen Uhr U
in S1. Nichts zwingt uns zu der Annahme, daß die in ver-
schiedenen
Gravitationspotentialen befindlichen Uhren U als
gleich rasch gehend aufgefaßt
werden müssen. Dagegen müssen
wir die Zeit in K sicher so definieren, daß die
Anzahl der
Wellenberge und Wellentäler, die sich zwischen S2 und S1 be-
finden, von dem Absolutwerte der Zeit unabhängig ist; denn
der ins Auge
gefaßte Prozeß ist seiner Natur nach ein statio-
närer. Würden wir diese
Bedingung nicht erfüllen, so kämen
wir zu einer Zeitdefinition, bei deren
Anwendung die Zeit
explizite in die Naturgesetze einginge, was sicher
unnatürlich
und unzweckmäßig wäre. Die Uhren in S1 und S2 geben also
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1) L. F. Jewell (Journ. de phys. 6. p. 84. 1897) und insbesondere
Ch. Fabry
u. H. Boisson (Compt. rend. 148. p. 688--690. 1909) haben
derartige
Verschiebungen feiner Spektrallinien nach dem roten Ende des
Spektrums
von der hier berechneten Größenordnung tatsächlich kon-
statiert, aber
einer Wirkung des Druckes in der absorbierenden Schicht
zugeschrichen.
nicht beide die ,,Zeit“ richtig an. Messen wir die Zeit in S1
mit der Uhr U, so
müssen wir die Zeit in S2 mit einer Uhr
messen, die 1 + /c2 mal langsamer läuft
als die Uhr U, falls
sie mit der Uhr U an derselben Stelle verglichen wird. Denn
mit einer solchen Uhr gemessen ist die Frequenz des oben
betrachteten
Lichtstrahles bei seiner Aussendung in S2
also nach (2a) gleich der Frequenz 1 desselben Lichtstrahles
bei dessen Ankunft
in S1.
Hieraus ergibt sich eine Konsequenz von für diese Theorie
fundamentaler
Bedeutung. Mißt man nämlich in dem be-
schleunigten, gravitationsfeldfreien
System K' an verschiedenen
Orten die Lichtgeschwindigkeit unter Benutzung
gleich be-
schaffener Uhren U, so erhält man überall dieselbe Größe.
Dasselbe gilt
nach unserer Grundannahme auch für das
System K. Nach dem soeben
Gesagten müssen wir aber an
Stellen verschiedenen Gravitationspotentials uns
verschieden
beschaffener Uhren zur Zeitmessung bedienen. Wir müssen
zur
Zeitmessung an einem Orte, der relativ zum Koordinaten-
ursprung das
Gravitationspotential besitzt, eine Uhr ver-
wenden, die -- an den
Koordinatenursprung versetzt --
(1 + /c2) mal langsamer läuft als jene Uhr, mit
welcher am
Koordinatenursprung die Zeit gemessen wird. Nennen wir c0
die
Lichtgeschwindigkeit im Koordinatenanfangspunkt, so wird
daher die
Lichtgeschwindigkeit c in einem Orte vom Gravi-
tationspotential durch die
Beziehung
| (3) |
gegeben sein. Das Prinzip von der Konstanz der Licht-
geschwindigkeit gilt
nach dieser Theorie nicht in derjenigen
Fassung, wie es der gewöhnlichen
Relativitätstheorie zugrunde
gelegt zu werden pflegt.
§ 4. Krümmung der Lichtstrahlen im Gravitationsfeld.
Aus dem soeben bewiesenen Satze, daß die Lichtgeschwin-
digkeit im
Schwerefelde eine Funktion des Ortes ist, läßt sich
leicht mittels des Huygensschen
Prinzipes schließen, daß quer
zu einem Schwerefeld sich fortpflanzende Lichtstrahlen eine
Krümmung erfahren
müssen. Sei nämlich eine Ebene gleicher
Phase einer ebenen Lichtwelle zur Zeit
t, P1 und P2 zwei
Punkte in ihr, welche den Abstand 1 besitzen. P1 und P2
liegen
in der Papierebene, die so gewählt ist, daß der in der
Richtung ihrer Normale
genommene Differentialquotient von
also auch von c verschwindet. Die
entsprechende Ebene
gleicher Phase bzw. deren Schnitt mit der Papierebene,
zur
Zeit t + dt erhalten wir, indem wir um die Punkte P1 und P2
mit
den Radien c1 dt bzw. c2 dt Kreise und an diese die
Tangente legen,
wobei c1 bzw. c2 die Lichtgeschwindigkeit in
den Punkten P1 bzw. P2
bedeutet. Der Krümmungswinkel
des Lichtstrahles auf dem Wege c dt ist
also
falls wir den Krümmungswinkel positiv rechnen, wenn der
Lichtstrahl nach der
Seite der wachsenden n' hin gekrümmt
wird. Der Krümmungswinkel pro Wegeinheit des Lichtstrahles
ist also
oder nach (3) gleich
Endlich erhalten wir für die Ablenkung , welche ein Licht-
strahl auf einem
beliebigen Wege (s) nach der Seite n' er-
leidet, den Ausdruck
| (4) |
Dasselbe Resultat hätten wir erhalten können durch unmittel-
bare Betrachtung
der Fortpflanzung eines Lichtstrahles in
dem gleichförmig beschleunigten System
K' und Übertragung
des Resultates auf das System K und von hier auf den Fall,
daß das Gravitationsfeld beliebig gestaltet ist.
Nach Gleichung (4) erleidet ein an einem Himmelskörper
vorbeigehender
Lichtstrahl eine Ablenkung nach der Seite
sinkenden Gravitationspotentials, also
nach der dem Himmels-
körper zugewandten Seite von der Größe
wobei k die Gravitationskonstante, M die Masse des Himmels-
körpers,
den Abstand des Lichtstrahles vom Mittelpunkt
des Himmelskörpers bedeutet.
Ein an der Sonne vorbeigehender
Lichtstrahl erlitte demnach eine Ablenkung
vom Betrage 4 . 10-6
= 0, 83 Bogensekunden. Um diesen Betrag er-
scheint
die Winkeldistanz des Sternes vom Sonnen-
mittelpunkt
durch die Krümmung des Strahles
vergrößert. Da
die Fixsterne der der Sonne
zugewandten Himmelspartien
bei totalen Sonnen-
finsternissen sichtbar werden,
ist diese Kon-
sequenz der Theorie mit der Erfahrung ver-
gleichbar. Beim Planeten Jupiter erreicht die
zu erwartende
Verschiebung etwa 1 /100 des an-
gegebenen Betrages. Es
wäre dringend zu
wünschen, daß sich Astronomen der hier
auf-
gerollten Frage annähmen, auch wenn die im vorigen
ge-
gebenen Überlegungen ungenügend fundiert oder gar
aben-
teuerlich erscheinen sollten. Denn abgesehen von jeder
Theorie
muß man sich fragen, ob mit den heutigen Mitteln ein Einfluß
der Gravitationsfelder auf die Ausbreitung des Lichtes sich
konstatieren
läßt.
Prag, Juni 1911.
(Eingegangen 21. Juni 1914.)
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