3. Zur Elektrodynamik bewegter Körper;
von A.
Einstein.
--------
Daß die Elektrodynamik Maxwells -- wie dieselbe gengen-
wärtig aufgefaßt zu
werden pflegt -- in ihrer Anwendung auf
bewegte Körper zu Asymmetrien führt,
welche den Phänomenen
nicht anzuhaften scheinen, ist bekannt. Man denke
z. B. an
die elektrodynamische Wechselwirkung zwischen einem Mag-
neten und einem Leiter. Das beobachtbare Phänomen hängt
hier nur
ab von der Relativbewegung von Leiter und Magnet,
während nach der
üblichen Auffassung die beiden Fälle, daß
der eine oder der andere dieser
Körper der bewegte sei, streng
voneinander zu trennen sind. Bewegt sich
nämlich der Magnet
und ruht der Leiter, so entsteht in der Umgebung
des Magneten
ein elektrisches Feld von gewissem Energiewerte, welches
an
den Orten, wo sich Teile des Leiters befinden, einen Strom
erzeugt.
Ruht aber der Magnet und bewegt sich der Leiter,
so entsteht in der
Umgebung des Magneten kein elektrisches
Feld, dagegen im Leiter eine
elektromotorische Kraft, welcher
an sich keine Energie entspricht, die
aber -- Gleichheit der
Relativbewegung bei den beiden ins Auge gefaßten
Fällen
vorausgesetzt -- zu elektrischen Strömen von derselben Größe
und
demselben Verlaufe Veranlassung gibt, wie im ersten Falle
die elektrischen
Kräfte.
Beispiele ähnlicher Art, sowie die mißlungenen Versuche,
eine Bewegung der
Erde relativ zum ,,Lichtmedium“ zu kon-
statieren, führen zu der Vermutung, daß
dem Begriffe der
absoluten Ruhe nicht nur in der Mechanik, sondern auch in
der
Elektrodynamik keine Eigenschaften der Erscheinungen ent-
sprechen, sondern
daß vielmehr für alle Koordinatensysteme,
für welche die mechanischen
Gleichungen gelten, auch die
gleichen elektrodynamischen und optischen Gesetze
gelten, wie
dies für die Größen erster Ordnung bereits erwiesen ist. Wir
wollen
diese Vermutung (deren Inhalt im folgenden ,,Prinzip
der Relativität“ genannt
werden wird) zur Voraussetzung er-
heben und außerdem die mit ihm nur
scheinbar unverträgliche
Voraussetzung einführen, daß sich das Licht im leeren Raume
stets mit
einer bestimmten, vom Bewegungszustande des emit-
tierenden Körpers
unabhängigen Geschwindigkeit V fortpflanze.
Diese beiden Voraussetzungen
genügen, um zu einer einfachen
und widerspruchsfreien Elektrodynamik
bewegter Körper zu ge-
langen unter Zugrundelegung der Maxwellschen
Theorie für
ruhende Körper. Die Einführung eines ,,Lichtäthers“ wird sich
insofern als überflüssig erweisen, als nach der zu entwickelnden
Auffassung
weder ein mit besonderen Eigenschaften ausgestatteter
,,absolut ruhender
Raum“ eingeführt, noch einem Punkte des
leeren Raumes, in welchem
elektromagnetische Prozesse statt-
finden, ein Geschwindigkeitsvektor zugeordnet
wird.
Die zu entwickelnde Theorie stützt sich -- wie jede andere
Elektrodynamik
-- auf die Kinematik des starren Körpers, da
die Aussagen einer jeden
Theorie Beziehungen zwischen starren
Körpern (Koordinatensystemen),
Uhren und elektromagnetischen
Prozessen betreffen. Die nicht genügende
Berücksichtigung
dieses Umstandes ist die Wurzel der Schwierigkeiten, mit
denen die Elektrodynamik bewegter Körper gegenwärtig zu
kämpfen
hat.
I. Kinematischer Teil.
§ 1. Definition der Gleichzeitigkeit.
Es liege ein Koordinatensystem vor, in welchem die
Newtonschen mechanischen
Gleichungen gelten. Wir nennen
dies Koordinatensystem zur sprachlichen
Unterscheidung von
später einzuführenden Koordinatensystemen und zur Präzi-
sierung der Vorstellung das ,,ruhende System“.
Ruht ein materieller Punkt relativ zu diesem Koordinaten-
system, so kann
seine Lage relativ zu letzterem durch starre
Maßstäbe unter Benutzung der
Methoden der euklidischen
Geometrie bestimmt und in kartesischen Koordinaten
aus-
gedrückt werden.
Woolen wir die Bewegung eines materiellen Punktes be-
schreiben, so geben
wir die Werte seiner Koordinaten in
Funktion der Zeit. Es ist nun wohl im Auge
zu behalten,
daß eine derartige mathematische Beschreibung erst dann
einen
physikalischen Sinn hat, wenn man sich vorher darüber
klar geworden ist, was hier
unter ,,Zeit“ verstanden wird
Wir haben zu berücksichtigen, daß alle unsere Urteile, in
welchen die Zeit eine
Rolle spielt, immer Urteile über gleich-
zeitige Ereignisse sind. Wenn ich z. B.
sage: ,,Jener Zug
kommt hier um 7 Uhr an,“ so heißt dies etwa: ,,Das Zeigen
des
kleinen Zeigers meiner Uhr auf 7 und das Ankommen des
Zuges sind gleichzeitige
Ereignisse.“1)
Es könnte scheinen, daß alle die Definition der ,,Zeit“ be-
treffenden
Schwierigkeiten dadurch überwunden werden könnten,
daß ich an Stelle der ,,Zeit“
die ,,Stellung des kleinen Zeigers
meiner Uhr“ setze. Eine solche Definition genügt
in der Tat,
wenn es sich darum handelt, eine Zeit zu definieren ausschließ-
lich für
den Ort, an welchem sich die Uhr eben befindet; die
Definition genügt aber nicht
mehr, sobald es sich darum handelt,
an verschiedenen Orten stattfindende
Ereignisreihen miteinander
zeitlich zu verknüpfen, oder -- was auf dasselbe
hinausläuft --
Ereignisse zeitlich zu werten, welche in von der Uhr entfernten
Orten stattfinden.
Wir könnten uns allerdings damit begnügen, die Ereignisse
dadurch zeitlich zu
werten, daß ein samt der Uhr im Koordinaten-
ursprung befindlicher Beobachter
jedem von einem zu wertenden
Ereignis Zeugnis gebenden, durch den leeren
Raum zu ihm ge-
langenden Lichtzeichen die entsprechende Uhrzeigerstellung zu-
ordnet. Eine solche Zuordnung bringt aber den Übelstand mit
sich, daß sie vom
Standpunkte des mit der Uhr versehenen
Beobachters nicht unabhängig ist, wie
wir durch die Erfahrung
wissen. Zu einer weit praktischeren Festsetzung gelangen
wir
durch folgende Betrachtung.
Befindet sich im Punkte A des Raumes eine Uhr, so kann
ein in A befindlicher
Beobachter die Ereignisse in der un-
mittelbaren Umgebung von A zeitlich werten
durch Aufsuchen
der mit diesen Ereignissen gleichzeitigen Uhrzeigerstellungen.
Befindet sich auch im Punkte B des Raumes eine Uhr -- wir
wollen hinzufügen,
,,eine Uhr von genau derselben Beschaffen-
heit wie die in A befindliche“ -- so ist
auch eine zeitliche
Wertung der Ereignisse in der unmittelbaren Umgebung von
----------
1) Die Ungenauigkeit, welche in dem Begriffe der Gleichzeitigkeit
zweier
Ereignisse an (annähernd) demselben Orte steckt und gleichfalls
durch
eine Abstraktion überbrückt werden muß, soll hier nicht erörtert
werden.
B durch einen in B befindlichen Beobachter möglich. Es ist
aber ohne weitere
Festsetzung nicht möglich, ein Ereignis in
A mit einem Ereignis in B zeitlich
zu vergleichen; wir haben
bisher nur eine ,,A-Zeit“ und eine ,,B-Zeit“,
aber keine für A
und B gemeinsame ,,Zeit“ definiert. Die letztere Zeit
kann
nun definiert werden, indem man durch Definition festsetzt, daß
die ,,Zeit“, welche das Licht braucht, um von A nach B zu
gelangen,
gleich ist der ,,Zeit“, welche es braucht, um von B
nach A zu gelangen. Es
gehe nämlich ein Lichtstrahl zur
,,A-Zeit“ tA von A nach B ab, werde
zur ,,B-Zeit“ tB in B
gegen A zu reflektiert und gelange zur ,,A-Zeit“
t'A nach A
zurück. Die beiden Uhren laufen definitionsgemäß synchron,
wenn
Wir nehmen an, daß diese Definition des Synchronismus
in widerspruchsfreier
Weise möglich sei, und zwar für beliebig
viele Punkte, daß also allgemein die
Beziehungen gelten:
1. Wenn die Uhr in B synchron mit der Uhr in A läuft,
so läuft die Uhr in A
synchron mit der Uhr in B.
2. Wenn die Uhr in A sowohl mit der Uhr in B als auch
mit der Uhr in C
synchron läuft, so laufen auch die Uhren in
B und C synchron relativ
zueinander.
Wir haben so unter Zuhilfenahme gewisser (gedachter)
physikalischer
Erfahrungen festgelegt, was unter synchron
laufenden, an verschiedenen Orten
befindlichen, ruhenden
Uhren zu verstehen ist und damit offenbar eine Definition
von ,,gleichzeitig“ und ,,Zeit“ gewonnen. Die ,,Zeit“ eines
Ereignisses ist
die mit dem Ereignis gleichzeitige Angabe
einer am Orte des Ereignisses
befindlichen, ruhenden Uhr,
welche mit einer bestimmten, ruhenden Uhr,
und zwar für
alle Zeitbestimmungen mit der nämlichen Uhr, synchron
läuft.
Wir setzen noch der Erfahrung gemäß fest, daß die
Größe
eine universelle Konstante (die Lichtgeschwindigkeit im leeren
Raume)
sei.
Wesentlich ist, daß wir die Zeit mittels im ruhenden System
ruhender Uhren definiert haben; wir nennen die eben definierte
Zeit wegen dieser
Zugehörigkeit zum ruhenden System ,,die
Zeit des ruhenden Systems“.
§ 2. Über die Relativität von Längen und Zeiten.
Die folgenden Überlegungen stützen sich auf das Relativitäts-
prinzip und auf
das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindig-
keit, welche beiden Prinzipien wir
folgendermaßen definieren.
1. Die Gesetze, nach denen sich die Zustände der physi-
kalischen Systeme
ändern, sind unabhängig davon, auf welches
von zwei relativ zueinander in
gleichförmiger Translations-
bewegung befindlichen Koordinatensystemen diese
Zustands-
änderungen bezogen werden.
2. Jeder Lichtstrahl bewegt sich im ,,ruhenden“ Koordi-
natensystem
mit der bestimmten Geschwindigkeit V , unabhängig
davon, ob dieser
Lichtstrahl von einem ruhenden oder be-
wegten Körper emittiert ist. Hierbei
ist
wobei ,,Zeitdauer“ im Sinne der Definition des § 1 auf-
zufassen ist.
Es sei ein ruhender starrer Stab gegeben; derselbe be-
sitze, mit einem
ebenfalls ruhenden Maßstabe gemessen, die
Länge l. Wir denken uns nun die
Stabachse in die X-Achse
des ruhenden Koordinatensystems gelegt und dem
Stabe hierauf
eine gleichförmige Paralleltranslationsbewegung (Geschwindig-
keit
v) längs der X-Achse im Sinne der wachsenden x erteilt.
Wir fragen nun nach der
Länge des bewegten Stabes, welche
wir uns durch folgende zwei Operationen
ermittelt denken:
a) Der Beobachter bewegt sich samt dem vorher genannten
Maßstabe mit dem
auszumessenden Stabe und mißt direkt
durch Anlegen des Maßstabes die Länge
des Stabes, ebenso,
wie wenn sich auszumessender Stab, Beobachter und Maßstab
in Ruhe befänden.
b) Der Beobachter ermittelt mittels im ruhenden Systeme
aufgestellter, gemäß
§ 1 synchroner, ruhender Uhren, in welchen
Punkten des ruhenden Systems sich
Anfang und Ende des
auszumessenden Stabes zu einer bestimmten Zeit t
befinden.
Die Entfernung dieser beiden Punkte, gemessen mit dem
schon benutzten, in
diesem Falle ruhenden Maßstabe ist
ebenfalls eine Länge, welche man als ,,Länge
des Stabes“
bezeichnen kann.
Nach dem Relativitätsprinzip muß die bei der Operation a)
zu findende Länge,
welche wir ,,die Länge des Stabes im be-
wegten System“ nennen wollen, gleich
der Länge l des ruhen-
den Stabes sein.
Die bei der Operation b) zu findende Länge, welche wir
,,die Länge des
(bewegten) Stabes im ruhenden System“
nennen wollen, werden wir unter
Zugrundelegung unserer
beiden Prinzipien bestimmen und finden, daß sie von l
ver-
schieden ist.
Die allgemein gebrauchte Kinematik nimmt stillschweigend
an, daß die durch
die beiden erwähnten Operationen bestimmten
Längen einander genau gleich
seien, oder mit anderen Worten,
daß ein bewegter starrer Körper in der
Zeitepoche t in geo-
metrischer Beziehung vollständig durch denselben Körper,
wenn
er in bestimmter Lage ruht, ersetzbar sei.
Wir denken uns ferner an den beiden Stabenden (A und B)
Uhren angebracht,
welche mit den Uhren des ruhenden Systems
synchron sind, d. h. deren Angaben
jeweilen der ,,Zeit des
ruhenden Systems“ an den Orten, an welchen sie sich
gerade
befinden, entsprechen; diese Uhren sind also ,,synchron im
ruhenden
System“.
Wir denken uns ferner, daß sich bei jeder Uhr ein mit
ihr bewegter
Beobachter befinde, und daß diese Beobachter
auf die beiden Uhren das
im § 1 aufgestellte Kriterium für
den synchronen Gang zweier Uhren
anwenden. Zur Zeit1)
t
A gehe ein Lichtstrahl von A aus, werde zur Zeit
tB in B
reflektiert und gelange zur Zeit t'A nach A zurück. Unter Be-
rücksichtigung des Prinzipes von der Konstanz der Licht-
geschwindigkeit finden
wir:
----------
1) ,,Zeit“ bedeutet hier ,,Zeit des ruhenden Systems“ und zugleich
,,Zeigerstellung der bewegten Uhr, welche sich an dem Orte, von dem
die Rede ist,
befindet“.
und
wobei rAB die Länge des bewegten Stabes -- im ruhenden System
gemessen --
bedeutet. Mit dem bewegten Stabe bewegte Be-
obachter würden also
die beiden Uhren nicht synchron gehend
finden, während im ruhenden
System befindliche Beobachter
die Uhren als synchron laufend erklären
würden.
Wir sehen also, daß wir dem Begriffe der Gleichzeitigkeit
keine absolute
Bedeutung beimessen dürfen, sondern daß zwei
Ereignisse, welche, von einem
Koordinatensystem aus betrachtet,
gleichzeitig sind, von einem relativ zu diesem
System bewegten
System aus betrachtet, nicht mehr als gleichzeitige Ereignisse
aufzufassen sind.
§ 3. Theorie der Koordinaten- und Zeittransformation
von dem ruhenden
auf ein relativ zu diesem in gleichförmiger
Translationsbewegung
befindliches System.
Seien im ,,ruhenden“ Raume zwei Koordinatensysteme,
d. h. zwei
Systeme von je drei von einem Punkte ausgehenden,
aufeinander senkrechten
starren materiellen Linien, gegeben.
Die X-Achsen beider Systeme mögen
zusammenfallen, ihre
Y - und Z-Achsen bezüglich parallel sein. Jedem
Systeme sei
ein starrer Maßstab und eine Anzahl Uhren beigegeben, und
es
seien beide Maßstäbe sowie alle Uhren beider Systeme
einander genau
gleich.
Es werde nun dem Anfangspunkte des einen der beiden
Systeme (k) eine
(konstante) Geschwindigkeit v in Richtung
der wachsenden x des anderen,
ruhenden Systems (K) erteilt,
welche sich auch den Koordinatenachsen, dem
betreffenden
Maßstabe sowie den Uhren mitteilen möge. Jeder Zeit t des
ruhenden
Systems K entspricht dann eine bestimmte Lage der
Achsen des bewegten
Systems und wir sind aus Symmetrie-
gründen befugt anzunehmen, daß die
Bewegung von k so be-
schaffen sein kann, daß die Achsen des bewegten Systems
zur
Zeit t (es ist mit ,,t“ immer eine Zeit des ruhenden Systems
bezeichnet) den
Achsen des ruhenden Systems parallel seien.
Wir denken uns nun den Raum sowohl vom ruhenden
System K aus mittels
des ruhenden Maßstabes als auch vom
bewegten System k mittels des mit ihm bewegten Maßstabes
ausgemessen und so
die Koordinaten x, y, z bez. , , er-
mittelt. Es werde ferner mittels der im
ruhenden System be-
findlichen ruhenden Uhren durch Lichtsignale in der in § 1
angegebenen Weise die Zeit t des ruhenden Systems für alle
Punkte des letzteren
bestimmt, in denen sich Uhren befinden;
ebenso werde die Zeit des bewegten
Systems für alle Punkte
des bewegten Systems, in welchen sich relativ zu
letzterem
ruhende Uhren befinden, bestimmt durch Anwendung der in
§ 1
genannten Methode der Lichtsignale zwischen den Punkten,
in denen sich die
letzteren Uhren befinden.
Zu jedem Wertsystem x, y , z , t, welches Ort und Zeit
eines Ereignisses im
ruhenden System vollkommen bestimmt,
gehört ein jenes Ereignis relativ
zum System k festlegendes
Wertsystem , , , , und es ist nun die
Aufgabe zu lösen,
das diese Größen verknüpfende Gleichungssystem zu
finden.
Zunächst ist klar, daß die Gleichungen linear sein müssen
wegen der
Homogenitätseigenschaften, welche wir Raum und
Zeit beilegen.
Setzen wir x' = x - v t, so ist klar, daß einem im System k
ruhenden Punkte
ein bestimmtes, von der Zeit unabhängiges
Wertsystem x', y , z zukommt. Wir
bestimmen zuerst t als
Funktion von x', y , z und t. Zu diesem Zwecke haben wir
in Gleichungen auszudrücken, daß nichts anderes ist als
der Inbegriff der
Angaben von im System k ruhenden Uhren,
welche nach der im § 1 gegebenen
Regel synchron gemacht
worden sind.
Vom Anfangspunkt des Systems k aus werde ein Licht-
strahl zur Zeit 0
längs der X-Achse nach x' gesandt und von
dort zur Zeit 1 nach dem
Koordinatenursprung reflektiert,
wo er zur Zeit 2 anlange; so muß dann
sein:
oder, indem man die Argumente der Funktion beifügt und
das Prinzip der
Konstanz der Lichtgeschwindigkeit im ruhen-
den Systeme anwendet:
Hieraus folgt, wenn man x' unendlich klein wählt:
oder
Es ist zu bemerken, daß wir statt des Koordinatenursprunges
jeden anderen
Punkt als Ausgangspunkt des Lichtstrahles
hätten wählen können und es gilt
deshalb die eben erhaltene
Gleichung für alle Werte von x', y, z.
Eine analoge Überlegung -- auf die H- und Z-Achse an-
gewandt --
liefert, wenn man beachtet, daß sich das Licht
längs dieser Achsen vom
ruhenden System aus betrachtet
stets mit der Geschwindigkeit
fortpflanzt:
Aus diesen Gleichungen folgt, da eine lineare Funktion ist:
wobei a eine vorläufig unbekannte Funktion (v) ist und der
Kürze halber
angenommen ist, daß im Anfangspunkte von k
für = 0 t = 0 sei.
Mit Hilfe dieses Resultates ist es leicht, die Größen , ,
zu ermitteln, indem
man durch Gleichungen ausdrückt, daß
sich das Licht (wie das Prinzip der
Konstanz der Licht-
geschwindigkeit in Verbindung mit dem Relativitätsprinzip
verlangt) auch im bewegten System gemessen mit der Ge-
schwindigkeit V
fortpflanzt. Für einen zur Zeit = 0 in
Richtung der wachsenden ausgesandten
Lichtstrahl gilt:
oder
Nun bewegt sich aber der Lichtstrahl relativ zum Anfangs-
punkt von k im ruhenden System gemessen mit der Ge-
schwindigkeit V - v, so
daß gilt:
Setzen wir diesen Wert von t in die Gleichung für ein, so
erhalten wir:
Auf analoge Weise finden wir durch Betrachtung von längs
den beiden anderen
Achsen bewegte Lichtstrahlen:
wobei
also
und
Setzen wir für x' seinen Wert ein, so erhalten wir:
wobei
und eine vorläufig unbekannte Funktion von v ist. Macht
man über die
Anfangslage des bewegten Systems und über
den Nullpunkt von keinerlei
Voraussetzung, so ist auf den
rechten Seiten dieser Gleichungen je eine additive
Konstante
zuzufügen.
Wir haben nun zu beweisen, daß jeder Lichtstrahl sich,
im bewegten System
gemessen, mit der Geschwindigkeit V
fortpflanzt, falls dies, wie wir angenommen
haben, im ruhenden
System der Fall ist; denn wir haben den Beweis dafür noch
nicht geliefert, daß das
Prinzip der Konstanz der Licht-
geschwindigkeit mit dem Relativitätsprinzip
vereinbar sei.
Zur Zeit t = = 0 werde von dem zu dieser Zeit gemein-
samen
Koordinatenursprung beider Systeme aus eine Kugelwelle
ausgesandt, welche sich
im System K mit der Geschwindigkeit V
ausbreitet. Ist (x, y, z) ein eben von
dieser Welle ergriffener
Punkt, so ist also
Diese Gleichung transformieren wir mit Hilfe unserer Trans-
formationsgleichungen
und erhalten nach einfacher Rechnung:
Die betrachtete Welle ist also auch im bewegten System
betrachtet eine
Kugelwelle von der Ausbreitungsgeschwindig-
keit V. Hiermit ist gezeigt, daß
unsere beiden Grundprinzipien
miteinander vereinbar sind.
In den entwickelten Transformationsgleichungen tritt noch
eine unbekannte
Funktion von v auf, welche wir nun be-
stimmen wollen.
Wir führen zu diesem Zwecke noch ein drittes Koordinaten-
system K' ein,
welches relativ zum System k derart in Parallel-
translationsbewegung parallel
zur -Achse begriffen sei, daß
sich dessen Koordinatenursprung mit der
Geschwindigkeit -- v
auf der -Achse bewege. Zur Zeit t = 0 mögen alle drei
Koordinatenanfangspunkte zusammenfallen und es sei für
t = x = y = z = 0 die
Zeit t' des Systems K' gleich Null. Wir
nennen x', y', z' die Koordinaten, im
System K' gemessen, und
erhalten durch zweimalige Anwendung unserer
Transformations-
gleichungen:
Da die Beziehungen zwischen x', y', z' und x, y, z die Zeit t
nicht enthalten,
so ruhen die Systeme K und K' gegeneinander,
und es ist klar, daß die Transformation von K auf K' die
identische Transformation
sein muß. Es ist also:
Wir fragen nun nach der Bedeutung von (v). Wir fassen
das Stück der
H-Achse des Systems k ins Auge, das zwischen
= 0, = 0, = 0 und
= 0, = l, = 0 gelegen ist. Dieses
Stück der H-Achse ist ein relativ zum
System K mit der Ge-
schwindigkeit v senkrecht zu seiner Achse bewegter Stab,
dessen Enden in K die Koordinaten besitzen:
und
Die Länge des Stabes, in K gemessen, ist also l (v); damit
ist die Bedeutung
der Funktion gegeben. Aus Symmetrie-
gründen ist nun einleuchtend, daß die
im ruhenden System
gemessene Länge eines bestimmten Stabes, welcher senkrecht
zu seiner Achse bewegt ist, nur von der Geschwindigkeit, nicht
aber von der
Richtung und dem Sinne der Bewegung abhängig
sein kann. Es ändert sich also
die im ruhenden System ge-
messene Länge des bewegten Stabes nicht, wenn v
mit -v
vertauscht wird. Hieraus folgt:
oder
Aus dieser und der vorhin gefundenen Relation folgt, daß
(v) = 1 sein muß, so
daß die gefundenen Transformations-
gleichungen übergehen in:
wobei
§ 4. Physikalische Bedeutung der erhaltenen Gleichungen,
bewegte starre
Körper und bewegte Uhren betreffend.
Wir betrachten eine starre Kugel1) vom Radius R, welche
relativ zum
bewegten System k ruht, und deren Mittelpunkt
im Koordinatenursprung von k
liegt. Die Gleichung der Ober-
fläche dieser relativ zum System K mit der
Geschwindigkeit v
bewegten Kugel ist:
Die Gleichung dieser Oberfläche ist in x, y, z ausgedrückt zur
Zeit t = 0:
Ein starrer Körper, welcher in ruhendem Zustande ausgemessen
die Gestalt einer
Kugel hat, hat also in bewegtem Zustande --
vom ruhenden System aus
betrachtet -- die Gestalt eines
Rotationsellipsoides mit den Achsen
Während also die Y - und Z-Dimension der Kugel (also
auch jedes starren
Körpers von beliebiger Gestalt) durch die Be-
wegung nicht modifiziert
erscheinen, erscheint die X-Dimension
im Verhältnis 1 : verkürzt,
also um so stärker, je
größer v ist. Für v = V schrumpfen alle bewegten Objekte
--
vom ,,ruhenden“ System aus betrachtet -- in flächenhafte
Gebilde zusammen.
Für Überlichtgeschwindigkeiten werden
unsere Überlegungen sinnlos; wir werden
übrigens in den
folgenden Betrachtungen finden, daß die Lichtgeschwindigkeit
in
unserer Theorie physikalisch die Rolle der unendlich großen
Geschwindigkeiten
spielt.
Es ist klar, daß die gleichen Resultate von im ,,ruhenden“
System ruhenden
Körpern gelten, welche von einem gleich-
förmig bewegten System aus betrachtet
werden. --
Wir denken uns ferner eine der Uhren, welche relativ
zum ruhenden System
ruhend die Zeit t, relativ zum bewegten
----------
1) Das heißt einen Körper, welcher ruhend untersucht Kugelgestalt
besitzt.
System ruhend die Zeit anzugeben befähigt sind, im Koordi-
natenursprung von
k gelegen und so gerichtet, daß sie die
Zeit angibt. Wie schnell geht diese Uhr,
vom ruhenden
System aus betrachtet?
Zwischen die Größen x, t und , welche sich auf den Ort
dieser Uhr beziehen,
gelten offenbar die Gleichungen:
und
Es ist also
woraus folgt, daß die Angabe der Uhr (im ruhenden System
betrachtet) pro
Sekunde um Sek. oder -- bis
auf Größen vierter und höherer
Ordnung um 1
2(v V )2 Sek.
zurückbleibt.
Hieraus ergibt sich folgende eigentümliche Konsequenz.
Sind in den Punkten A
und B von K ruhende, im ruhenden
System betrachtet, synchron gehende Uhren
vorhanden, und
bewegt man die Uhr in A mit der Geschwindigkeit v auf der
Verbindungslinie nach B, so gehen nach Ankunft dieser Uhr
in B die beiden
Uhren nicht mehr synchron, sondern die von A
nach B bewegte Uhr geht
gegenüber der von Anfang an in B
befindlichen um 1
2 tv2 V 2 Sek. (bis auf
Größen vierter und
höherer Ordnung) nach, wenn t die Zeit ist, welche die Uhr
von A nach B braucht.
Man sieht sofort, daß dies Resultat auch dann noch gilt,
wenn die Uhr in einer
beliebigen polygonalen Linie sich von A
nach B bewegt, und zwar auch dann,
wenn die Punkte A
und B zusammenfallen.
Nimmt man an, daß das für eine polygonale Linie be-
wiesene Resultat auch
für eine stetig gekrümmte Kurve gelte,
so erhält man den Satz: Befinden sich in A
zwei synchron
gehende Uhren und bewegt man die eine derselben auf einer
geschlossenen Kurve mit konstanter Geschwindigkeit, bis sie
wieder nach A
zurückkommt, was t Sek. dauern möge, so geht
die letztere Uhr bei ihrer Ankunft
in A gegenüber der un-
bewegt gebliebenen um 1
2 t (v V )2 Sek. nach. Man schließt
daraus, daß eine am
Erdäquator befindliche Unruhuhr um einen
sehr kleinen Betrag langsamer laufen
muß als eine genau
gleich beschaffene, sonst gleichen Bedingungen unterworfene,
an einem Erdpole befindliche Uhr.
§ 5. Additionstheorem der Geschwindigkeiten.
In dem längs der X-Achse des Systems K mit der Ge-
schwindigkeit v
bewegten System k bewege sich ein Punkt
gemäß den Gleichungen:
wobei w und w Konstanten bedeuten.
Gesucht ist die Bewegung des Punktes relativ zum System K.
Führt man in
die Bewegungsgleichungen des Punktes mit Hilfe
der in § 3 entwickelten
Transformationsgleichungen die Größen
x, y, z, t ein, so erhält man:
Das Gesetz vom Parallelogramm der Geschwindigkeiten gilt
also nach unserer
Theorie nur in erster Annäherung. Wir
setzen:
und
ist dann als der Winkel zwischen den Geschwindigkeiten v
und w anzusehen.
Nach einfacher Rechnung ergibt sich:
Es ist bemerkenswert, daß v und w in symmetrischer Weise
in den Ausdruck für
die resultierende Geschwindigkeit ein-
gehen. Hat auch w die Richtung der
X-Achse (-Achse), so
erhalten wir:
Aus dieser Gleichung folgt, daß aus der Zusammensetzung
zweier Geschwindigkeiten,
welche kleiner sind als V , stets eine
Geschwindigkeit kleiner als V resultiert. Setzt
man nämlich
v = V - x, w = V - , wobei x und positiv und kleiner als V
seien, so ist:
Es folgt ferner, daß die Lichtgeschwindigkeit V durch
Zusammensetzung mit
einer ,,Unterlichtgeschwindigkeit“ nicht
geändert werden kann. Man erhält für
diesen Fall:
Wir hätten die Formel für U für den Fall, daß v und w
gleiche Richtung besitzen,
auch durch Zusammensetzen zweier
Transformationen gemäß § 3 erhalten
können. Führen wir
neben den in § 3 figurierenden Systemen K und k noch ein
drittes, zu k in Parallelbewegung begriffenes Koordinaten-
system k' ein, dessen
Anfangspunkt sich auf der -Achse mit
der Geschwindigkeit w bewegt, so erhalten
wir zwischen den
Größen x, y, z, t und den entsprechenden Größen von k' Glei-
chungen, welche sich von den in § 3 gefundenen nur dadurch
unterscheiden, daß
an Stelle von ,,v“ die Größe
tritt; man sieht daraus, daß solche Paralleltransformationen --
wie dies sein muß
-- eine Gruppe bilden.
Wir haben nun die für uns notwendigen Sätze der unseren
zwei Prinzipien
entsprechenden Kinematik hergeleitet und gehen
dazu über, deren Anwendung in
der Elektrodynamik zu zeigen.
II. Eektrodynamischer Teil.
§ 6. Transformation der Maxwell-Hertzschen Gleichungen für
den leeren
Raum. Über die Natur der bei Bewegung in einem
Magnetfeld auftretenden
elektromotorischen Kräfte.
Die Maxwell-Hertzschen Gleichungen für den leeren
Raum mögen gültig sein
für das ruhende System K, so daß
gelten möge:
wobei (X, Y, Z) den Vektor der elektrischen, (L, M, N) den der
magnetischen
Kraft bedeutet.
Wenden wir auf diese Gleichungen die in § 3 entwickelte
Transformation an,
indem wir die elektromagnetischen Vor-
gänge auf das dort eingeführte, mit der
Geschwindigkeit v
bewegte Koordinatensystem beziehen, so erhalten wir die
Gleichungen:
wobei
Das Relativitätsprinzip fordert nun, daß die Maxwell-
Hertzschen Gleichungen
für den leeren Raum auch im
System k gelten, wenn sie im System K gelten, d. h.
daß für
die im bewegten System k durch ihre ponderomotorischen
Wirkungen auf
elektrische bez. magnetische Massen definierten
Vektoren der elektrischen und
magnetischen Kraft
und des bewegten Systems k die
Gleichungen gelten:
Offenbar müssen nun die beiden für das System k ge-
fundenen
Gleichungssysteme genau dasselbe ausdrücken, da
beide Gleichungssysteme den
Maxwell-Hertzschen Gleichungen
für das System K äquivalent sind. Da die
Gleichungen beider
Systeme ferner bis auf die die Vektoren darstellenden Symbole
übereinstimmen, so folgt, daß die in den Gleichungssystemen
an entsprechenden
Stellen auftretenden Funktionen bis auf
einen für alle Funktionen des einen
Gleichungssystems ge-
meinsamen, von , , und unabhängigen, eventuell von
v
abhängigen Faktor (v) übereinstimmen müssen. Es gelten
also die
Beziehungen:
Bildet man nun die Umkehrung dieses Gleichungssystems,
erstens durch
Auflösen der soeben erhaltenen Gleichungen,
zweitens durch Anwendung
der Gleichungen auf die inverse
Transformation (von k auf K), welche
durch die Geschwindig-
keit -v charakterisiert ist, so folgt, indem man
berücksichtigt,
daß die beiden so erhaltenen Gleichungssysteme identisch sein
müssen:
Ferner folgt aus Symmetriegründen1)
es ist also
und unsere Gleichungen nehmen die Form an:
Zur Interpretation dieser Gleichungen bemerken wir folgendes.
Es liegt eine
punktförmige Elektrizitätsmenge vor, welche im
ruhenden System K gemessen
von der Größe ,,eins“ sei, d. h.
im ruhenden System ruhend auf eine gleiche
Elektrizitätsmenge
im Abstand 1 cm die Kraft 1 Dyn ausübe. Nach dem
Relativitäts-
prinzip ist diese elektrische Masse auch im bewegten System
gemessen von der Größe ,,eins“. Ruht diese Elektrizitäts-
menge relativ zum
ruhenden System, so ist definitionsgemäß
der Vektor (X,Y,Z) gleich der auf sie
wirkenden Kraft. Ruht
die Elektrizitätsmenge gegenüber dem bewegten System
(wenig-
stens in dem betreffenden Augenblick), so ist die auf sie
wirkende, in dem
bewegten System gemessene Kraft gleich
dem Vektor (X', Y ', Z'). Die ersten drei
der obigen Gleichungen
lassen sich mithin auf folgende zwei Weisen in Worte
kleiden:
1. Ist ein punktförmiger elektrischer Einheitspol in einem
elektromagnetischen
Felde bewegt, so wirkt auf ihn außer der
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1) Ist z. B. X = Y = Z = L = M = 0 und N0, so ist aus Symmetrie-
gründen klar, daß bei Zeichenwechsel von v ohne Änderung des nume-
rischen
Wertes auch Y ' sein Vorzeichen ändern muß, ohne seinen nume-
rischen Wert zu
ändern.
elektrischen Kraft eine ,,elektromotorische Kraft“, welche unter
Vernachlässigung
von mit der zweiten und höheren Potenzen
von v V multiplizierten Gliedern
gleich ist dem mit der
Lichtgeschwindigkeit dividierten Vektorprodukt der
Bewegungs-
geschwindigkeit des Einheitspoles und der magnetischen Kraft.
(Alte
Ausdrucksweise.)
2. Ist ein punktförmiger elektrischer Einheitspol in einem
elektromagnetischen
Felde bewegt, so ist die auf ihn wirkende
Kraft gleich der an dem Orte des
Einheitspoles vorhandenen
elektrischen Kraft, welche man durch Transformation
des Feldes
auf ein relativ zum elektrischen Einheitspol ruhendes Koordi-
natensystem erhält. (Neue Ausdrucksweise.)
Analoges gilt über die ,,magnetomotorischen Kräfte“. Man
sieht, daß in der
entwickelten Theorie die elektromotorische
Kraft nur die Rolle eines Hilfsbegriffes
spielt, welcher seine
Einführung dem Umstande verdankt, daß die elektrischen und
magnetischen Kräfte keine von dem Bewegungszustande des
Koordinatensystems
unabhängige Existenz besitzen.
Es ist ferner klar, daß die in der Einleitung angeführte
Asymmetrie bei der
Betrachtung der durch Relativbewegung
eines Magneten und eines Leiters
erzeugten Ströme verschwindet.
Auch werden die Fragen nach dem ,,Sitz“
der elektrodynamischen
elektromotorischen Kräfte (Unipolarmaschinen)
gegenstandslos.
§ 7. Theorie des Doppelerschen Prinzips und der Aberration.
Im Systeme K befinde sich sehr ferne vom Koordinaten-
ursprung eine Quelle
elektrodynamischer Wellen, welche in
einem den Koordinatenursprung
enthaltenden Raumteil mit
genügender Annäherung durch die Gleichungen
dargestellt sei:
Hierbei sind (X0, Y 0, Z0) und (L0, M0, N0) die Vektoren, welche
die
Amplitude des Wellenzuges bestimmen, a,b,c die Richtungs-
kosinus der
Wellennormalen.
Wir fragen nach der Beschaffenheit dieser Wellen, wenn
dieselben von einem in
dem bewegten System k ruhenden
Beobachter untersucht werden. -- Durch Anwendung der in
§ 6 gefundenen
Transformationsgleichungen für die elektrischen
und magnetischen Kräfte und der
in § 3 gefundenen Trans-
formationsgleichungen für die Koordinaten und die Zeit
er-
halten wir unmittelbar:
wobei
gesetzt ist.
Aus der Gleichung für ' folgt: Ist ein Beobachter relativ
zu einer unendlich
fernen Lichtquelle von der Frequenz mit
der Geschwindigkeit v derart
bewegt, daß die Verbindungs-
linie ,,Lichtquelle--Beobachter“ mit der
auf ein relativ zur
Lichtquelle ruhendes Koordinatensystem bezogenen
Geschwindig-
keit des Beobachters den Winkel bildet, so ist die von
dem
Beobachter wahrgenommene Frequenz ' des Lichtes
durch die Gleichung
gegeben:
Dies ist das Doppelersche Prinzip für beliebige Geschwindig-
keiten. Für = 0 nimmt die Gleichung die übersichtliche
Form an:
Man sieht, daß -- im Gegensatz zu der üblichen Auffassung --
für v = -, =
ist.
Nennt man ' den Winkel zwischen Wellennormale (Strahl-
richtung) im
bewegten System und der Verbindungslinie ,,Licht-
quelle--Beobachter“, so
nimmt die Gleichung für a' die Form an:
Diese Gleichung drückt das Aberrationsgesetz in seiner all-
gemeinsten
Form aus. Ist = 2, so nimmt die Gleichung
die einfache Gestalt
an:
Wir haben nun noch die Amplitude der Wellen, wie
dieselbe im bewegten
System erscheint, zu suchen. Nennt
man A bez. A' die Amplitude der elektrischen
oder magne-
tischen Kraft im ruhenden bez. im bewegten System gemessen,
so
erhält man:
welche Gleichung für = 0 in die einfachere übergeht:
Es folgt aus den entwickelten Gleichungen, daß für einen
Beobachter, der sich
mit der Geschwindigkeit V einer Licht-
quelle näherte, diese Lichtquelle unendlich
intensiv erscheinen
müßte.
§ 8. Transformation der Energie der Lichtstrahlen. Theorie des
auf
vollkommene Spiegel ausgeübten Strahlungsdruckes.
Da A2 8 gleich der Lichtenergie pro Volumeneinheit
ist, so haben wir nach
dem Relativitätsprinzip A'2 8 als die
Lichtenergie im bewegten System zu
betrachten. Es wäre
daher A'2 A2 das Verhältnis der ,,bewegt gemessenen“ und
,,ruhend gemessenen“ Energie eines bestimmten Lichtkomplexes,
wenn das
Volumen eines Lichtkomplexes in K gemessen und
in k gemessen das gleiche
wäre. Dies ist jedoch nicht der
Fall. Sind a, b, c die Richtungskosinus der
Wellennormalen
des Lichtes im ruhenden System, so wandert durch die
Ober-
flächenelemente der mit Lichtgeschwindigkeit bewegten Kugel-
fläche
keine Energie hindurch; wir können daher sagen, daß diese
Fläche dauernd
denselben Lichtkomplex umschließt. Wir
fragen nach der Energiemenge, welche
diese Fläche im System k
betrachtet umschließt, d. h. nach der Energie des
Lichtkomplexes
relativ zum System k.
Die Kugelfläche ist -- im bewegten System betrachtet --
eine Ellipsoidfläche,
welche zur Zeit = 0 die Gleichung besitzt:
Nennt man S das Volumen der Kugel, S' dasjenige dieses
Ellipsoides, so ist, wie
eine einfache Rechnung zeigt:
Nennt man also E die im ruhenden System gemessene, E' die
im bewegten
System gemessene Lichtenergie, welche von der
betrachteten Fläche umschlossen
wird, so erhält man:
welche Formel für = 0 in die einfachere übergeht:
Es ist bemerkenswert, daß die Energie und die Frequenz
eines Lichtkomplexes
sich nach demselben Gesetze mit dem
Bewegungszustande des Beobachters
ändern.
Es sei nun die Koordinatenebene = 0 eine vollkommen
spiegelnde Fläche, an
welcher die im letzten Paragraph be-
trachteten ebenen Wellen reflektiert werden.
Wir fragen nach
dem auf die spiegelnde Fläche ausgeübten Lichtdruck
und
nach der Richtung, Frequenz und Intensität des Lichtes nach
der
Reflexion.
Das einfallende Licht sei durch die Größen A, cos,
(auf das System K
bezogen) definiert. Von k aus betrachtet
sind die entsprechenden Größen:
Für das reflektierte Licht erhalten wir, wenn wir den Vor-
gang auf das System k
beziehen:
Endlich erhält man durch Rücktransformieren aufs ruhende
System K für das
reflektierte Licht:
Die auf die Flächeneinheit des Spiegels pro Zeiteinheit
auftreffende (im
ruhenden System gemessene) Energie ist
offenbar A2 8 (V cos - v). Die von
der Flächeneinheit
des Spiegels in der Zeiteinheit sich entfernende Energie ist
A'''28 (-V cos ''' + v). Die Differenz dieser beiden Aus-
drücke ist nach dem
Energieprinzip die vom Lichtdrucke in
der Zeiteinheit geleistete Arbeit. Setzt man
die letztere gleich
dem Produkt P .v, wobei P der Lichtdruck ist, so erhält
man:
In erster Annäherung erhält man in Übereinstimmung mit der
Erfahrung und mit
anderen Theorien
Nach der hier benutzten Methode können alle Probleme
der Optik bewegter
Körper gelöst werden. Das Wesentliche
ist, daß die elektrische und magnetische
Kraft des Lichtes,
welches durch einen bewegten Körper beeinflußt wird, auf
ein
relativ zu dem Körper ruhendes Koordinatensystem trans-
formiert
werden. Dadurch wird jedes Problem der Optik be-
wegter Körper auf
eine Reihe von Problemen der Optik ruhender
Körper zurückgeführt.
§ 9. Transformation der Maxwell-Hertzschen Gleichungen
mit
Berücksichtigung der Konvektionsströme.
Wir gehen aus von den Gleichungen:
wobei
die 4 -fache Dichte der Elektrizität und (ux, uy, uz) den Ge-
schwindigkeitsvektor
der Elektrizität bedeutet. Denkt man
sich die elektrischen Massen unveränderlich
an kleine, starre
Körper (Ionen, Elektronen) gebunden, so sind diese Gleichungen
die elektromagnetische Grundlage der Lorentzschen Elektro-
dynamik und Optik
bewegter Körper.
Transformiert man diese Gleichungen, welche im System K
gelten mögen, mit
Hilfe der Transformationsgleichungen von
§ 3 und § 6 auf das System k, so erhält
man die Gleichungen:
wobei
Da -- wie aus dem Additionstheorem der Geschwindigkeiten
(§ 5) folgt --
der Vektor (u, u, u) nichts anderes ist als
die Geschwindigkeit der
elektrischen Massen im System k ge-
messen, so ist damit gezeigt, daß unter
Zugrundelegung unserer
kinematischen Prinzipien die elektrodynamische
Grundlage der
Lorentzschen Theorie der Elektrodynamik bewegter Körper
dem
Relativitätsprinzip entspricht.
Es möge noch kurz bemerkt werden, daß aus den ent-
wickelten Gleichungen
leicht der folgende wichtige Satz ge-
folgert werden kann: Bewegt sich ein
elektrisch geladener
Körper beliebig im Raume und ändert sich hierbei seine
Ladung nicht, von einem mit dem Körper bewegten Koordi-
natensystem aus
betrachtet, so bleibt seine Ladung auch --
von dem ,,ruhenden“ System K aus
betrachtet -- konstant.
§ 10. Dynamik des (langsam beschleunigten) Elektrons.
In einem elektromagnetischen Felde bewege sich ein punkt-
förmiges, mit einer
elektrischen Ladung versehenes Teilchen
(im folgenden ,,Elektron“ genannt),
über dessen Bewegungs-
gesetz wir nur folgendes annehmen:
Ruht das Elektron in einer bestimmten Epoche, so erfolgt
in dem nächsten
Zeitteilchen die Bewegung des Elektrons nach
den Gleichungen
wobei x, y, z die Koordinaten des Elektrons, die Masse
des Elektrons bedeutet,
sofern dasselbe langsam bewegt ist.
Es besitze nun zweitens das Elektron in einer gewissen
Zeitepoche die
Geschwindigkeit v . Wir suchen das Gesetz,
nach welchem sich das Elektron im
unmittelbar darauf folgen-
den Zeitteilchen bewegt.
Ohne die Allgemeinheit der Betrachtung zu beeinflussen,
können und wollen
wir annehmen, daß das Elektron in dem
Momente, wo wir es ins Auge fassen, sich
im Koordinaten-
sprung befinde und sich längs der X-Achse des Systems K mit
der
Geschwindigkeit v bewege. Es ist dann einleuchtend, daß
das Elektron im
genannten Momente (t = 0) relativ zu einem
längs der X - Achse mit der
konstanten Geschwindigkeit v
parallelbewegten Koordinatensystem k
ruht.
Aus der oben gemachten Voraussetzung in Verbindung
mit dem
Relativitätsprinzip ist klar, daß sich das Elektron in
der unmittelbar folgenden
Zeit (für kleine Werte von t) vom
System k aus betrachtet nach den Gleichungen
bewegt:
wobei die Zeichen , , , , X', Y ', Z' sich auf das System k
beziehen.
Setzen wir noch fest, daß für t = x = y = z = 0
= = = = 0 sein
soll, so gelten die Transformations-
gleichungen der §§ 3 und 6, so daß
gilt:
Mit Hilfe dieser Gleichungen transformieren wir die obigen
Bewegungsgleichungen
vom System k auf das System K und
erhalten:
| (A) |
Wir fragen nun in Anlehnung an die übliche Betrachtungs-
weise nach der
,,longitudinalen“ und ,,transversalen“ Masse
des bewegten Elektrons. Wir schreiben die Gleichungen (A)
in der Form
und bemerken zunächst, daß X', Y ', Z' die Komponenten
der auf das
Elektron wirkenden ponderomotorischen Kraft sind,
und zwar in einem in
diesem Moment mit dem Elektron mit
gleicher Geschwindigkeit wie dieses
bewegten System betrachtet.
(Diese Kraft könnte beispielsweise mit einer im
letzten System
ruhenden Federwage gemessen werden.) Wenn wir nun diese
Kraft schlechtweg ,,die auf das Elektron wirkende Kraft“
nennen und die
Gleichung
aufrechterhalten, und wenn wir ferner festsetzen, daß die Be-
schleunigungen im
ruhenden System K gemessen werden sollen,
so erhalten wir aus obigen
Gleichungen:
Natürlich würde man bei anderer Definition der Kraft
und der Beschleunigung
andere Zahlen für die Massen erhalten;
man ersieht daraus, daß man bei der
Vergleichung ver-
schiedener Theorien der Bewegung des Elektrons sehr vor-
sichtig verfahren muß.
Wir bemerken, daß diese Resultate über die Masse auch
für die ponderabeln
materiellen Punkte gilt; denn ein pon-
derabler materieller Punkt kann durch
Zufügen einer beliebig
kleinen elektrischen Ladung zu einem Elektron (in unserem
Sinne) gemacht werden.
Wir bestimmen die kinetische Energie des Elektrons.
Bewegt sich ein Elektron
vom Koordinatenursprung des Systems
K aus mit der Anfangsgeschwindigkeit 0
beständig auf der
X-Achse unter der Wirkung einer elektrostatischen Kraft X,
so ist klar, daß die
dem elektrostatischen Felde entzogene
Energie den Wert
X dx hat. Da das
Elektron langsam
beschleunigt sein soll und infolgedessen keine Energie in
Form
von Strahlung abgeben möge, so muß die dem elektrostatischen
Felde entzogene Energie gleich der Bewegungsenergie W des
Elektrons
gesetzt werden. Man erhält daher, indem man be-
achtet, daß während des
ganzen betrachteten Bewegungsvor-
ganges die erste der Gleichungen (A)
gilt:
W wird also für v = V unendlich groß. Überlicht-
geschwindigkeiten haben --
wie bei unseren früheren Resultaten
-- keine Existenzmöglichkeit.
Auch dieser Ausdruck für die kinetische Energie muß dem
oben angeführten
Argument zufolge ebenso für ponderable
Massen gelten.
Wir wollen nun die aus dem Gleichungssystem (A) resul-
tierenden, dem
Experimente zugänglichen Eigenschaften der
Bewegung des Elektrons
aufzählen.
1. Aus der zweiten Gleichung des Systems (A) folgt, daß
eine elektrische Kraft
Y und eine magnetische Kraft N dann
gleich stark ablenkend wirken auf ein mit
der Geschwindigkeit
v bewegtes Elektron, wenn Y = N.v V . Man ersieht also,
daß
die Ermittelung der Geschwindigkeit des Elektrons aus dem
Verhältnis der
magnetischen Ablenkbarkeit Am und der elek-
trischen Ablenkbarkeit Ae nach
unserer Theorie für beliebige
Geschwindigkeiten möglich ist durch Anwendung des
Gesetzes:
Diese Beziehung ist der Prüfung durch das Experiment
zugänglich, da die
Geschwindigkeit des Elektrons auch direkt,
z. B. mittels rasch oszillierender
elektrischer und magnetischer
Felder, gemessen werden kann.
2. Aus der Ableitung für die kinetische Energie des
Elektrons folgt, daß
zwischen der durchlaufenen Potential-
differenz und der erlangten Geschwindigkeit v des Elektrons
die Beziehung gelten
muß:
3. Wir berechnen den Krümmungsradius R der Bahn,
wenn eine senkrecht zur
Geschwindigkeit des Elektrons wirkende
magnetische Kraft N (als einzige
ablenkende Kraft) vorhanden
ist. Aus der zweiten der Gleichungen (A) erhalten
wir:
oder
Diese drei Beziehungen sind ein vollständiger Ausdruck
für die Gesetze,
nach denen sich gemäß vorliegender Theorie
das Elektron bewegen muß.
Zum Schlusse bemerke ich, daß mir beim Arbeiten an
dem hier behandelten
Probleme mein Freund und Kollege
M. Besso treu zur Seite stand und daß ich
demselben manche
wertvolle Anregung verdanke.
Bern, Juni 1905.
(Eingegangen 30. Juni 1905.)
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