8. Zur Theorie des statischen Gravitationsfeldes;
von A. Einstein.

--------

In einer jüngst erschienenen Arbeit habe ich aus einer
Hypothese, die ich als Äquivalenzprinzip bezeichnet habe, die
Bewegungsgleichungen eines in einem solchen Felde bewegten
materiellen Punktes abgeleitet. Im folgenden soll exakt ab-
geleitet werden, welchen Einfluß ein statisches Schwerefeld auf
die elektromagnetischen und thermischen Vorgänge nach dem
Äquivalenzprinzip hat. Die erste dieser beiden Fragen habe
ich schon früher in erster Näherung behandelt. Zuletzt wird
die Differentialgleichung für das statische Gravitationsfeld selbst
abgeleitet.

§ 1. Ableitung der elektromagnetischen Gleichungen
unter Berücksichtigung des (statischen) Gravitationsfeldes.

Der Weg, den wir hier einschlagen, ist genau derselbe,
welcher uns in der früheren Arbeit die Bewegungsgleichungen
des materiellen Punktes geliefert hat. Wir suchen nämlich
die elektromagnetischen Gleichungen, welche relativ zu einem
(im Bornschen Sinne) gleichförmig beschleunigten System
K(x, y, z, t) gelten, und nehmen nach der Äquivalenzhypothese
an, daß diese Gleichungen auch im statischen Schwerefeld
gelten. Um die in bezug auf K gültigen Gleichungen zu
finden, gehen wir aus von den bekannten Gleichungen, welche
in bezug auf ein unbeschleunigtes System  sum (q, j, z, t) gelten.
Wählen wir in letzterem die Zeiteinheit so, daß die Licht-
geschwindigkeit gleich 1 wird, so haben diese Gleichungen für
das Vakuum die bekannte Form:

    ''   @-G'      '  '
   vr +  @ t  = rot H  ,
            0 = div'H',
{
         @-H'-       '  '
          @ t =  - rot G  ,
            r'= div'G'.
(1)

Die Zeichen für die in diesen Gleichungen auftretenden
Skalare, Vektoren und Operatoren sind gestrichelt, um ihre
Zugehörigkeit zum System  sum anzudeuten. Diese Gleichungen
sind auf das gleichförmig beschleunigte System K zu trans-
formieren nach Gleichungen, die für genügend kleine t und
bei geeigneter Wahl der Koordinatenachsen und Anfangs-
punkte für die Zeiten sich in der Form schreiben lassen:

  q = x + a-ct2 ,
           2
{ j = y ,

  z = z ,
  t = c t,
(2)

wobei

c = c0 + a x .

Auch die Feldvektoren G' und H' wollen wir aufs beschleunigte
System K transformieren. Dies tun wir auf Grund der Fest-
setzung, daß die auf K bezogenen Feldvektoren G, H identisch
sein sollen mit den Feldvektoren G', H' desjenigen un-
beschleunigten Systems  sum , in bezug auf welches das System K
gerade die Geschwindigkeit Null hat. Für t = t = 0 aus dieser
Festsetzung unmittelbar:

      '
G =  G ,
H  = H'.

Analoges setzen wir für die elektrische Dichte fest, so daß
für t = t = 0

r = r'

ist. Nun bemerken wir, daß es genügt, wenn wir die den
Gleichungen (1) entsprechenden transformierten Gleichungen
für t = t = 0 aufstellen, da ja diese Gleichungen für jedes t
die nämlichen sein müssen. Für t = t = 0 gilt nach (2)

-@- = -@- ,  -@- = -@- ,  @--=  -@-.
@ q   @ x    @ j   @ y    @ z   @ z

Aus dem bisher Gesagten folgt schon, daß die rechten Seiten
von (1) durch Weglassung der Striche ungeändert bleiben,
ebenso die linken Seiten der zweiten und vierten der Glei-
chungen (1). Einiges Nachdenken erfordert nur die Umformung
der linken Seiten der ersten und dritten der Gleichungen (1).

Zunächst folgt aus (2), daß für einen bewegten Punkt zur
Zeit t = 0 gilt:

  d x = d q,

{ d y = d j,
  d z = d z ,
        1
   dt = --d t ,
        c
(2a)

woraus unmittelbar folgt, daß

       '        '  1-                d-x
v = cv   oder  v =  c v , wenn  vx = d t  usw.

gesetzt wird. Wir bezeichnen ferner mit dG die Änderung,
welche G in einer unendlich kurzen Zeit in einem System-
punkt von K erfährt, mit d'G' die entsprechende Änderung,
welche G' in dem momentan koinzidierenden Punkte von  sum
in der entsprechenden Zeit erfährt. Im Anfang der unend-
lich kleinen Zeitstrecke dt bzw. dt sei t = t = 0 zu dieser
Zeit ist G = G'. Diese letztere Gleichung gilt aber am Ende
von dt bzw. dt aus zwei Gründen nicht mehr genau. Erstens
fällt nämlich am Ende von dt der Systempunkt von K nicht
mehr mit dem von  sum zusammen; hiervon kann jedoch Abstand
genommen werden, da diese Verrückung unendlich klein zweiter
Ordnung ist. Zweitens aber erlangt während der betrachteten
unendlich kleinen Zeit der Systempunkt von K eine Geschwindig-
keit g dt in Richtung der q-Achse; man hat also, um G am
Ende von dt zu erhalten, das elektromagnetische Feld auf
ein beschleunigungsfreies System zu beziehen, welches gegen-
über  sum im Sinne der positiven q-Achse mit der Geschwindig-
keit g dt bewegt ist. Dabei transformiert sich das elektro-
magnetische Feld in bekannter Weise. Mit Rücksicht auf die
angedeuteten Überlegungen erhält man:

dG  = d'G'+  [gH'] dt ,

oder mit Rücksicht auf die letzte der Gleichungen (2a):

    '
@-G-    1-@ G-  1-
 @ t =  c @ t - c [gH] .

Nun erhält man aber aus den Gleichungen (2)

      a   1 d c
|g |=  --= ----- ,
      c   c d x

also, weil c von y und z unabhängig ist,

    1
g = --gradc .
    c

Man erhält also endlich

@-G'    1@-G-   1-
 @ t =  c @ t = c [grad c, H]

und auf ganz analoge Weise

@ H'-  1-@-H-   1-
@ t  = c  @ t + c [grad c, G] .

Berücksichtigt man nun noch, daß nach den Regeln der
Vektorrechnung

c rot H + [grad c, H] =  rot(c H)

ist, und daß die analoge Gleichung für rot (c G) besteht, so
erhält man mit Rücksicht auf die Resultate der bereits an-
gegebenen Überlegungen aus den Gleichungen (1) die folgenden
auf das System K bezüglichen:

  v r + @ G-= rot(cH)  ,
        @ t
          0 =  div H  ,
{
        @-H- = - rot(c G) ,
         @ t
          r =  div G  .
(1a)

Die physikalische Bedeutung der in diesen Gleichungen
auftretenden Größen ist dabei eine vollkommen bestimmte.
x, y, z werden durch am starren System K angelegte Maßstäbe
gemessen. t ist die Zeit im System K, welche durch ver-
schieden beschaffene, in den Systempunkten von K ruhend
angeordnete Uhren gemessen wird; t ist durch die Festsetzungen
definiert, daß die Lichtgeschwindigkeit in K nicht von der Zeit
und nicht von der Richtung abhängen soll. v ist die mit der
Zeit t gemessene Geschwindigkeit der Elektrizität. r ist die
Dichte der Elektrizität, gemessen in Einheiten folgender Art:
In einem nicht beschleunigten System sollen zwei solche Einheiten
im Abstand 1 cm aufeinander die Kraft 1 aufeinander ausüben,
wobei die Kraft 1 diejenige ist, welche einem Gramm die Be-
schleunigung 1 erteilt, falls man als Zeiteinheit die Zeit wählt,
welche das Licht braucht, um 1 cm zu durchlaufen (Lichtzeit).
Der Feldvektor G hat folgende Bedeutung. Hat man eine

Federwage so graduiert, daß sie in dem nicht mitbeschleunigten1)
System  sum die Kraft unter Zugrundelegung der Licht--Zeit-
einheit mißt, und befestigt man am Angriffspunkt dieser Feder-
wage die Einheit der Elektrizität, so mißt diese Federwage
direkt die Feldintensität |G|. Analog gestaltet sich die
Definition von H. --

Nach dem Äquivalenzprinzip hat man die Gleichungen (1a)
als die elektromagnetischen Grundgleichungen in einem statischen
Schwerefelde anzusehen. Sie sind insofern als exakt anzusehen,
als sie mit gleicher Annäherung gelten sollen, wie sehr auch
das Gravitationspotential mit dem Orte variieren möge. Hin-
gegen könnten sie aus dem Grunde unexakt sein, weil das
elektromagnetische Feld das Gravitationsfeld derart beeinflussen
könnte, daß letzteres kein statisches Feld mehr ist. Sie er-
lauben ferner, auch in den Fällen, in denen sie genau gelten,
nicht, den Einfluß zu berechnen, welchen das elektromagnetische
Feld auf das statische Gravitationsfeld (c) ausübt.

§ 2. Bemerkungen über den Inhalt der abgeleiteten Gleichungen.

Ich will die im letzten Paragraph bei der anschaulichen
Interpretation der Feldvektoren eingeführte Federwage nach
einem mündlichen Vorschlag P. Ehrenfests als ,,Taschen“-
Federwage bezeichnen. Es sollen überhaupt mit der Be-
zeichnung ,,Taschen“ solche physikalische Einrichtungen be-
zeichnet werden, welche an Orte verschiedenen Gravitations-
potentials gebracht gedacht werden, und deren Angaben stets
benuzt werden, an einem Orte von wie großem c sie sich auch
gerade befinden mögen. 2) So kann man die Uhr, welche die
,,Lichtzeit“ angibt, als ,,Taschenuhr“- bezeichnen, die mit der
Elektrizitätseinheit im Angriffspunkte versehene Federwage
als ,,Taschenfeldmesser“ usw.

Aus der früheren Arbeit geht nun hervor, daß die Angabe
einer ,,Taschenfederwage“ nicht direkt die von ihr ausgeübte
----------

1) Natürlich ist dasjenige System  sum gemeint, welches in dem be-
treffenden Augenblick keine Relativgeschwindigkeit in bezug auf K hat.

2) Mit der Bezeichnung ,,Taschen“ soll angedeutet werden, daß die
Dinge transportiert werden können, nicht nur an einem Orte benutzt
werden.

Kraft mißt. Letztere ist vieimehr der mit c multiplizierten
Angabe der Taschenfederwage gleichzusetzen. Hieraus ergibt
sich unmittelbar, daß die auf die in K ruhende Elektrizitäts-
einheit ausgeübte ponderomotorische Kraft nicht gleich G,
sondern gleich c.G zu setzen ist. Entsprechendes gilt für
den Feldvektor H.

Da nach der dritten der Gleichungen (1a) in einem
statischen elektrischen Felde rot (c G) = 0 ist, das Linienintegral
des Vektors c G über eine geschlossene Kurve also verschwindet,
sieht man, daß es unmöglich ist, durch Führen einer Elektri-
zitätsmenge über eine geschlossene Bahn unbegrenzt Arbeit
zu erhalten.

Wir stellen nun Coulombs Gesetz für einen Raum von
konstantem c auf. Aus der letzten der Gleichungen (1a) folgt,
daß das Feld einer Punktladung e durch |G | = --e---
4p r2 gegeben
ist, falls man mit n den Abstand von der Punktladung be-
zeichnet. Befindet sich in diesem Falle eine zweite elektrische
Masse e', so ist die auf sie ausgeübte Kraft gleich ce'|G | oder
gleich c-e-e'-
4 pr2, also wie nach der früheren Arbeit jede Kraft
eines beliebigen ,,Taschensystems“ in bestimmtem Zustande
proportional c. Mit diesem Resultat hängt das Folgende eng
zusammen. Wir bringen von zwei genau gleichen Konden-
satoren C und C' mit den Belegungen a, b bzw. a' b' den einen
an einen Ort vom Gravitationspotential c, den anderen an einen
Ort vom Gravitationspotential c'. a sei mit a', b mit b' leitend
verbunden. Laden wir die Kondensatoren, so ist wegen rot (c G) = 0
die Ladung beider Kondensatoren nicht dieselbe; es ist viel-
mehr cG = c'G' und wegen r = div G auch ce = c'e', wenn
man mit e bzw. e' die Ladungen der beiden Kondensatoren
bezeichnet.

Aus dem für das Coulombsche Gesetz gefundenen Aus-
druck geht hervor, daß wir nicht 12 (G2 + H2),, sondern den
Ausdruck c/ 2 (G2 + H2) der Dichte der elektromagnetischen
Energie gleichzusetzen haben. Wir werden also die dem
Energieprinzip entsprechende Gleichung dadurch erhalten, daß
wir die erste der Gleichungen (1a) skalar mit c G, die dritte
skalar mit cH multiplizieren und beide addieren, und hierauf

über einen beliebigen geschlossenen Raum integrieren. Es er-
gibt sich so in bekannter Weise:

 integral                 {  integral                 }     integral 
               -d-     c-  2     2
   v cG r dt + d t     2 (G  + H  )d t  =    [c G, c H ]n ds ,
(3)

falls man mit dt das Raumelement, mit ds das Element der
Begrenzungsfläche, mit n deren nach innen gerichtete Normale
bezeichnet. Das Energieprinzip ist also erfüllt, wobei der
Vektor c2[G, H] dem Energiestrom gleich ist.

Wir leiten nun den Impulssatz ab, indem wir die erste
der Gleichungen (1a) vektoriell mit H, die dritte derselben mit
-G multiplizieren und addieren. Setzen wir als Ausdruck
der Maxwellschen Spannungen

Xx  = c(Gx2  + Hx2 -  12 G2 - 12 H2),   Xy = c (Gx Gy + Hx Hy)  ,
                   X   = c (G  G  + H  H  )
                     z       x   z    x  z

usw., so erhalten wir:

   r(cG   + [v, H]  ) + d--[G, H]
{       x         x(   dt       x        )
                    @ Xx    @ Xy    @ Xx     1    2    2  @ c
                =   ----- + -----+  -----  - --(G  + H  )--- ,
                     @ x     @ y     @ z     2           @ x
(4)

sowie die hieraus durch zyklische Vertauschung entstehenden
Gleichungen. In dieser Gleichung drückt das erste Glied die
X-Komponente der Impulsgröße aus, welche durch die elek-
trischen Massen pro Zeiteinheit und Volumeinheit an die
ponderabeln Massen des Systems abgegeben wird. Der Aus-
druck der ponderomotorischen Kraft ist also bis auf den
Faktor c der von H. A. Lorentz angegebene. Das zweite
Glied der linken Seite drückt den Zuwachs der Volumeinheit
an elektromagnetischem Impuls aus. Verschwinden die räum-
lichen Differentialquotienten von c, d. h. ist kein Schwerefeld
vorhanden, so wird die der linken Seite entsprechende Zu-
nahme des Impulses der Volumeinheit durch die elektro-
magnetischen Spannungen bewirkt, wie in der Elektrodynamik
ohne Berücksichtigung des Schwerefeldes. Für den Fall aber,
daß ein Gravitationsfeld vorhanden ist, ergibt sich aus dem
letzten Gliede der rechten Seite, daß dieses für das elektro-
magnetische Feld als Impulsquelle anzusehen ist. Die elektro-
magnetische Feldenergie empfängt aus dem Schwerefeld einen
Impuls, genau wie eine ponderable ruhende Masse; denn in

der früheren Arbeit ergab es sich, daß das Gravitationsfeld
auf die ruhende Masse m pro Zeiteinheit den Impuls m grad c
überträgt. Es ergibt sich also z. B., daß die Hohlraumstrahlung
eine ihrer trägen Masse genau entsprechende schwere Masse
besitzt; dies Resultat ist in den Gleichungen (1a) und dem
Ausdruck für die auf die Elektrizitätsmengen wirkenden pon-
deromotorischen Kräfte bereits enthalten, da die zuletzt an-
geschriebene Impulsgleichung eine Folge der Gleichungen (1a)
ist. Zu bemerken ist, daß die Größe 1 2 (G2 + H2), nicht die
eigentliche Energiedichte c/ 2 (G2 + H2), für die Schwere des
elektromagnetischen Feldes maßgebend, d. h. einer räumlichen
Dichte unbewegter träger Masse äquivalent ist. Dies ist auch
zu erwarten; denn der Ausdruck 1 2 (G2 + H2) ist die Energie-
dichte, wie sie von einem mit ,,Tascheninstrumenten“ messenden
Beobachter erscheint. Diese Größe ist es also, welche der
trägen Masse nach der von uns benutzten Definition für letz-
tere analog ist.

Es geht aus diesen Überlegungen hervor, daß das elektro-
magnetische Feld auch umgekehrt eine Rückwirkung auf das
Gravitationsfeld besitzt, dessen Ausdruck für den statischen
Fall sich nach den angegebenen Überlegungen ohne weiteres
ergibt, da die Raumfunktion 1 2 (G2 + H2) einer gleich großen
Dichte unbewegter ponderabler Masse äquivalent ist. Hierauf
soll aber an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
Ebensowenig will ich mich hier mit dem in den Gleichungen (1a)
enthaltenen Gesetze der Krümmung der Lichtstrahlen im
Schwerefelde befassen, weil dieses in erster Annäherung bereits
in der voriges Jahr über den Gegenstand erschienenen Ab-
handlung angegeben ist.

§ 3. Thermische Größen und Gravitationsfeld.

An zwei voneinander entfernten Orten mit den Licht-
geschwindigkeiten c1 bzw. c2 seien zwei Wärmebehälter W1
bzw. W2 angeordnet. Dieselben sollen insofern gleiche Tem-
peraturen besitzen, als ein und dasselbe Thermometer (,,Taschen-
thermometer“), mit ihnen nacheinander in Berührung gebracht,
in beiden Fällen die nämliche Temperatur (,,Taschenthermo-
meter“-Temperatur) T* haben sollen. Unter ,,Temperatur“ (T)
schlechtweg sei jene Temperatur verstanden, wie sie durch

Carnotsche Kreisprozesse definiert wird. Wir fragen nach
der Beziehung, die zwischen den Temperaturen der Wärme-
behälter W1 und W2 besteht.

Wir denken uns folgenden Kreisprozeß. Mit einem Körper
von der Taschentemperatur T* werde dem Behälter W 1 die
Taschenwärmemenge Q* entzogen, der Körper hierauf zum
Behälter W2 bewegt. Dann wird vom Körper dieselbe Taschen-
wärmemenge Q* auf den Wärmebehälter W 2 bei der Taschen-
temperatur T* übertragen und endlich der Körper wieder zum
Behälter W 1 zurückbewegt.

Nach den Ergebnissen der früheren Arbeit ist dabei die
den Behältern in Wahrheit entzogene bzw. zugeführte Wärme

        *
Q1  = Q  c1,
Q2  = Q* c2.

Die bekannte Relation

Q1    Q2
---=  ---
T1    T2

liefert also sofort

c1   T1-
c =  T  .
 2    2

Haben also zwei Wärmebehälter -- mit Taschenthermometern
gemessen -- gleiche Temperatur T*, so verhalten sich ihre
wahren (thermodynamischen) Temperaturen wie die Licht-
geschwindigkeiten der betreffenden Orte. Man kann dies auch
so ausdrücken: Man erhält die wahre Temperatur, indem man
die Angabe eines Taschenthermometers mit c multipliziert:

        *
T  = cT  .

Hieraus folgt andererseits, daß zwei Wärmebehälter,
welche sich an Orten verschiedenen Gravitationspotentials be-
finden und in wärmeleitender Verbindung stehen, nicht die-
selben Taschentemperaturen annehmen, sondern daß letztere
beim Temperaturgleichgewicht sich umgekehrt verhalten wie
die Lichtgeschwindigkeiten.

Dagegen ist die Entropie eines Körpers nur von seinem
mit Tascheninstrumenten gemessenen Zustande, nicht aber von
dem Gravitationspotential abhängig. Es folgt dies einmal
daraus, daß der Körper ohne Änderung seines mit Taschen-
instrumenten gemessenen Zustandes ohne Zufuhr von Wärme

nach einer Stelle von anderem Gravitationspotential gebracht
werden kann, andererseits aus den soeben gefundenen Relationen.
Denn es ist für zwei gleichbeschaffene Körper, die an ver-
schiedenen Orten -- mit Tascheninstrumenten gemessen --
dieselben Änderungen erfahren:

Q1-   Q*-   Q2-
T1  = T * =  T2 .

§ 4. Differentialgleichung des statischen Gravitationsfeldes.

In der ersten Arbeit wurde aus der letzten der Glei-
chungen (2)

c = c0 + ax

auf dem Wege der Verallgemeinerung für das statische Gravi-
tationsfeld die Gleichung

D  c = 0
(3)

für den materiefreien Raum, und die Gleichung

D c = k cs
(3a)

für den mit Materie erfüllten Raum abgeleitet. Es zeigt sich
aber, daß die Gleichung (3a) zusammen mit unserem in der
früheren Abhandlung gefundenen Ausdruck für die Kraft F,
welche auf die in der Volumeinheit befindliche ponderable
Materie s wirkt, zu einem Widerspruch führt. Ruht die
Materie, so soll nämlich gelten

F =  - sgrad c
(4)

Bilden wir das Integral

 integral 

   F d t

über einen Raum, für welchen im Unendlichen c konstant ist,
so verlangt das Prinzip der Gleichheit von actio und reactio,
daß dieses Integral verschwinde. Anderenfalls würde sich die
Gesamtheit der in dem betrachteten Raume befindlichen
Massen, die wir auf einem starren, masselosen Gerüste uns
befestigt denken wollen, sich in Bewegung zu setzen streben.
Es ist aber nach (4) und (3a)

 integral             integral                    integral 
                               1-   D-c-
   F d t = -    sgrad c dt = - k     c  grad cdt ,

und man beweist von dem letzten dieser Integrale leicht, daß
es im allgemeinen nicht verschwindet.

Wir sind also zu einem recht bedenklichen Resultat ge-
langt, das geeignet ist, Zweifel an der Zulässigkeit der ganzen
hier entwickelten Theorie zu erzeugen. Sicherlich deutet dieses
Resultat auf eine tief liegende Lücke des Fundamentes unserer
beiden Untersuchungen hin; denn es dürfte kaum gelingen,
aus dem für c für das gleichförmig beschleunigte System ge-
fundenen Ausdruck c0 + ax eine andere in Betracht zu ziehende
Gleichung als Gleichung (3) zu entnehmen, welche ihrerseits
die Gleichung (3a) mit Notwendigkeit nach sich zieht.

Um diese Schwierigkeit zu lösen, wird man sich zunächst
mit Rücksicht auf die Resultate der alten Relativitätstheorie
bewogen fühlen, dem Spannungen unterworfenen Gerüst eine
schwere Masse zuzuschreiben, so daß zu den Kräften, die das
Gravitationsfeld auf die Massen von der Dichte s ausübt,
Kräfte hinzu kämen, die es auf Spannungen unterworfene
Gerüstteile ausübt. Die folgende Betrachtung führt aber zur
Verwerfung einer derartigen Hypothese.

In einem statischen Schwerefeld befinde sich ein Kasten
mit spiegelnden Wänden, in den Strahlung eingeschlossen sei,
deren mit ,,Tascheninstrumenten“ gemessene Energie E sei;
d. h. es sei

     1  integral 
E  = --   (G2  + H2) d t .
     2

Ist die Ausdehnung des Kastens klein genug, so ergibt sich
aus Gleichung (4) dieser Arbeit, daß die Summe der Kräfte,
welche die Strahlung auf die Kastenwände ausübt, den Wert

- E grad c

besitzt. Diese Kräftesumme muß gleich sein der Resultierenden
der Kräfte, welche das Schwerefeld auf das ganze System
(Kasten samt Strahlung) ausübt, wenn der Kasten masselos ist,
und wenn der Umstand, daß die Kastenwände infolge des
Strahlungsdruckes Spannungen unterworfen sind, nicht zur
Folge hat, daß das Schwerefeld auf die Kastenwände wirkt.
Wäre letzteres der Fall, so würde die Resultierende der von
dem Schwerefeld auf den Kasten (samt Inhalt) ausgeübten
Kräfte von dem Werte -E grad c verschieden sein, d. h. die
schwere Masse des Systems wäre von E verschieden.

Befindet sich andererseits unser Strahlungskasten in einem
Raum von konstantem c, so gelten für ihn die Resultate der

alten Relativitätstheorie. Speziell folgt dann, daß die träge
Masse des Systems gleich E ist.

Will man also an der Proportionalität von schwerer und
träger Masse solcher Gebilde, welche sich als materielle Punkte
auffassen lassen, festhalten, so muß man annehmen, daß die
schwere Masse unseres Systems ebenfalls gleich E sei. Dies
ist aber nach obiger Überlegung nur dann der Fall, wenn wir
Kräfte des Gravitationsfeldes auf Spannungen unterworfene,
masselose Wände nicht annehmen.

Eine ganz analoge Betrachtung läßt sich an die in der
früheren Arbeit gefundenen Bewegungsgleichungen materieller
Punkte anknüpfen. Man betrachte nämlich einen Kasten, in
dem materielle Punkte hin- und herfliegen, die an den Wänden
vollkommen elastisch abprallen (Modell eines einatomigen
Gases). Ganz wie im Falle des Strahlungskastens findet man,
daß die schwere und die träge Masse des ganzen Systems nur
in dem Falle gleich sind, wenn vom Schwerefeld auf in Span-
nungszuständen befindliche masselose Gerüste Kräfte nicht
ausgeübt werden.

Die in Gleichungen (3a) und (4) enthaltene Verletzung des
Reaktionsprinzips bleibt also bestehen. Der Ausdruck (4) für
die im Gravitationsfelde auf ruhende Massen wirkende Kraft
geht mit Notwendigkeit aus unseren Bewegungsgleichungen für
den materiellen Punkt hervor. Es liegt deshalb nahe, an dem
Zutreffen dieser Gleichungen zu zweifeln; daß letztere aber
schwerlich abzuändern sein dürften, geht aus folgender Über-
legung hervor.

Soll die Bewegungsgröße eines materiellen Punktes -- wie
es die alte Relativitätstheorie fordert -- in einem Raume von
konstantem c durch     m  ˙x
 V~ ------2--2
   1-  v /c dc gegeben sein, so darf sich der
Ausdruck der Bewegungsgröße im allgemeinen Falle von diesem
nur durch einen Faktor unterscheiden, der Funktion von c
allein ist.1) Dieser Faktor wird aus Dimensionsgründen eine
Potenz von c sein müssen (ca) Die Bewegungsgleichungen
müssen also von der Form sein

----------

1) Eigentlich müßte man noch zulassen, daß die Bewegungsgröße
auch von den räumlichen Ableitungen von c abhängt. Wir wollen aber
annehmen, daß dies nicht der Fall sei.

 d {   m ˙x ca  }
---   V~ -------   =  R x s +  R xa ,
dt          q2
       1 -  c2

falls man mit  R xs die x-Komponente der vom Schwerefelde
auf den Punkt ausgeübten Kraft, mit  R xa die x-Komponente
der Resultierenden der Kräfte anderen Ursprunges bezeichnet.
Es frägt sich nun, durch was für einen Ausdruck  R s gegeben
sein kann. Handelt es sich um einen Punkt, für den gerade
q = 0 ist, so wird die Kraft dem Vektor -m grad c propor-
tional sein müssen, wenn man nur annimmt, daß das statische
Schwerefeld durch c charakterisiert ist. Diese Kraft wird sich
von -m grad c nur durch einen Faktor unterscheiden können,
der von c allein abhängt; auch dieser Faktor wird aus Dimen-
sionsgründen eine Potenz von c sein müssen (cb). In dem
Falle, daß q/=0 ist, würde die Kraft auch noch von q ab-
hängen; und zwar muß die Abhängigkeit eine derartige sein,
daß die schwere Masse eines bewegte elastische materielle
Punkte enthaltenden Kastens von der Geschwindigkeit der
Bewegung der Punkte in gleicher Weise abhängt wie die
schwere Masse. Dies dürfte sich mit Rücksicht auf die Resul-
tate der alten Relativitätstheorie nur durch den Ansatz

                   b
 R s = --m V~ grad-c-.c .konst.
               q2
           1-  -2
               c

erzielen lassen. Setzt man  R xs demgemäß in die Bewegungs-
gleichungen ein, so kann man beweisen, daß  R xa +  R y a +  R z aż
sich nur dann als Differentialquotient nach der Zeit darstellen
läßt, wenn den Konstanten a und b solche Werte gegeben
werden, daß die in der früheren Arbeit angegebenen Be-
wegungsgleichuugen resultieren. Man wird also wohl an diesen
und an dem aus ihnen resultierenden Ausdruck (4) für die
Kraft festhalten müssen, wenn man nicht die ganze Theorie
(Bestimmtheit des statischen Gravitationsfeldes durch c) auf-
geben will.

Eine Beseitigung des genannten Widerspruches gegen das
Reaktionsprinzip scheint also nur dadurch möglich zu sein,
daß man die Gleichungen (3) und (3a) durch andere in c
homogene Gleichungen ersetzt, für welche das Reaktionsprinzip
bei Anwendung des Kraftansatzes (4) erfüllt ist. Zu diesem

Schritt entschließe ich mich deshalb schwer, weil ich mit ihm
den Boden des unbedingten Äquivalenzprinzips verlasse. Es
scheint, daß sich letzteres nur für unendlich kleine Felder
aufrecht erhalten läßt. Unsere Ableitungen der Gleichungen
der Bewegung des materiellen Punktes und der elektromagne-
tischen Gleichungen werden dadurch nicht illusorisch, weil sie
die Gleichungen (2) nur für unendlich kleine Räume anwenden.
Man kann diese Ableitungen z. B. auch an die allgemeineren
Gleichungen

         cdc-
q = x +  -dx-t2 ,
          2
j = y ,

z = z ,
t = c t

anknüpfen, wobei c eine beliebige Funktion von x ist. --

Durch passende Umformung des über einen beliebigen
Raum erstreckten Integrales

 integral 
   D-c-grad cd t
    c

überzeugt man sich leicht, daß dem Reaktionsprinzip genügt
wird, wenn wir unter Beibehaltung von (4) die Gleichung (3a)
durch die Gleichung

cD c - 1 (grad c)2 = k c2s ,
       2
(3b)

die sich auch in die Form

   ( V~ -)   k  V~ ----
D     c  = --  cs
           2
(3b)

bringen läßt, wobei s die Dichte der ponderabeln Materie bzw.
die Dichte der ponderabeln Materie vermehrt um die mit
Tascheninstrumenten gemessene Energiedichte bedeutet. Aus
diesen Gleichungen folgt

    Fx = -  s@-c =  @ Xx-+ @-Xy- + @-Xz-etc.,
             @ x    @ x     @ y     @ z
  wobei
{
    ck X  =  @-c-@ c - 1(grad c)2, c kX   = @-c @ c-,
         x   @ x@ x    2                y   @ x @ y
                                              @ c @ c
                                    c kXz  = --- ---
                                             @ x @ z
(5)

usw. gesetzt ist. Das Reaktionsprinzip ist also in der Tat
erfüllt. Das in Gleichung (3b) zur Befriedigung des Reaktions-

prinzipes hinzugesetzte Glied gewinnt unser Vertrauen durch
die folgenden Überlegungen.

Wenn jegliche Energiedichte (s c) eine (negative) Divergenz
der Kraftlinien der Gravitation erzeugt, so muß dies auch für
die Energiedichte der Gravitation selbst gelten. Schreibt man
(3b) in der Form

        {              2 }
               -1- grad-c-
D c = k   cs + 2 k   c      ,

so erkennt man also sogleich, daß das zweite Glied der Klam-
mer als die Energiedichte des Gravitationsfeldes aufzufassen
ist.1) Wir haben nur noch zu zeigen, daß auch nach dem
Energieprinzip dieses Glied die Dichte der Energie des Gra-
vitationsfeldes bedeutet.

Zu diesem Zweck denken wir uns eine im endlichen be-
findliche Raumbelegung ponderabler Massen (Dichte s), welche
durch eine unendlich ferne Fläche eingeschlossen sei; im Un-
endlichen strebe c, soweit es die Gleichung (3b) bzw. 3b’) zu-
läßt, einem konstanten Werte zu. Wir haben dann zu be-
weisen, daß für eine beliebige unendlich kleine Verschiebung
der Massen (d x, d y, d z) die dem System zuzuführende Arbeit
d A gleich sei der Vermehrung d E des über den ganzen Raum
erstreckten Integrales der totalen, in der Klammer der obigen
Gleichung angegebenen Energiedichte.

Vermöge (4) erhält man zunächst

      integral    (                         )
dA =    s   @-c dx + @-c dy + -@ c dz  dt
            @ x      @ y      @ z
                integral   (@  (s dx)          )     integral 
          =  -    c  ---------+  ... d t =    c ds d t .
                        @ x

Für die Berechnung von d E schicken wir voraus, daß

   {  integral      2     }      {    integral             }      {   integral            }
  d     grad--c dt   = d   4   grad2V ~ c d t =  d   4   grad2u d t
           c
     integral  [@ u  (@  u )      ]        {  integral      @ u       integral           }
=  8    --- d  ---   + ... d t = 8      du .---d s -    D ud u dt  .
        @ x    @ x                          @ n

Von diesen Integralen verschwindet das erste (Flächenintegral
über die unendlich ferne Fläche), weil mit wachsendem Radius-
vektor R die Größen d u und @ u/ @ n wie 1/ R bzw. wie 1/ R2
----------

1) Es sei hervorgehoben, daß diese -- wie bei Abraham -- einen
positiven Wert erhält.

zu null herabsinken. Das zweite Integral aber läßt sich ver-
möge der Feldgleichung (3 b') umformen, so daß man erhält

  {              }
     integral  grad2c               integral                    integral 
d      -------d t  =  - 4k    ud us d t = - 2 k   s dcd t .
         c

Unter Benutzung hiervon erhält man:

       integral 

dE =    (c ds + s dc - s dc) dt = d A .

Damit ist also bewiesen, daß -1
2k     2
grad--c
   c tatsächlich als die
Energiedichte des Gravitationsfeldes aufzufassen ist.

(Eingegangen 23. März 1912.)

----------

Nachtrag zur Korrektur.

Es ist bemerkenswert, daß die Bewegungsgleichungen des
materiellen Punktes im Schwerefeld

   {     x˙    }         @ c
-d-   V~ --c-----  =  -  V~ -@ x---+   R x-usw .
d t         q2              q2    m
        1 - -2          1 - -2
            c               c

eine sehr einfache Form annehmen, wenn man ihnen die Form
der Gleichungen von Lagrange gibt. Setzt man nämlich

           V~ -2----2-
H  = - m    c  - q ,

so lauten sie

    (     )
 d    @ H     @ H
---   ----  - ---- =  R x usw  .
d t   @ ˙x      @ x

Für den im statischen Gravitationsfeld ohne Einwirkung
äußerer Kräfte bewegten materiellen Punkt gilt demnach

  {  integral      }
d      H dt   = 0,

oder

 {  integral   V~ -------------------------}
d       c2 dt2-  dx2 - d y2-  dz2   = 0.

Auch hier zeigt sich -- wie dies für die gewöhnliche Rela-
tivitätstheorie von Planck dargetan wurde --, daß den Glei-
chungen der analytischen Mechanik eine über die Newtonsche
Mechanik weit hinausreichende Bedeutung zukommt. Die zu-
letzt hingeschriebene Hamiltonsche Gleichung läßt ahnen,
wie die Bewegungsgleichungen des materiellen Punktes im
dynamischen Gravitationsfelde gebaut sind.