Stuttgart,
den. 17. Okt. 20
Wiederholdstr. 13
Sehr verehrter Herr Schlick,
ich danke Ihnen recht herzlich für Hans Reichenbach, Relativitätstheorie und Erkenntnis apriori. Berlin: Springer 1920.
Ihren Brief, denn Ihre Zustimmung zu
meiner Arbeit
Ich habe Ihre Schriften stets sehr gern gelesen,
denn ich bewundere darin die grosse Nüchtern-
heit der Überlegung und die Bestimmtheit
der Begriffsbildung. In einer Zeit, wo die
Philosophie so darnieder liegt, dass sie ihr
Unvermögen gewöhnlich nur durch die Dunkelheit
des sprachlichen Ausdrucks zu verhüllen vermag,
scheinen mir Ihre Schriften zu den wenigen zu
gehören, aus denen heraus die wissenschaftliche
Philosophie neu erwachsen wird. Wenn ich Ihren
Untersuchungen in einigen Punkten widersprechen
musste, so liegt das vielleicht z.T. in einer
Denn wenn es Ihnen darauf ankam, Kant
zu widerlegen, so war es mehr meine Absicht,
ihn vor den Kantianern zu retten. Immerhin
habe ich den Eindruck, dass unsere Differenzen
wesentliche Punkte berühren und um so
wertvoller wird es mir sein, wenn Sie mir
gelegentlich Ihre Antwort ausführlich
mitteilen würden. Denn ich glaube wie Sie,
dass die Philosophie es mit Erkenntnissen zu
tun hat, über die man wie in der Physik
durch wissenschaftliche Untersuchung zu einer
Aufklärung und Einigung kommen kann -
und dass die Zeit der „Standpunkte" vorüber
sein sollte.
Ich muss mich noch entschuldigen, dass ich Gezá Révész, Psychologe (geb. 9. Dezember 1878 in Siófok, gest. 19. August 1955 in Amsterdam).
Ihnen erst jetzt antworte; aber ich war durch
14 Tagen ans Bett gefesselt. Auch muss
ich noch hinzufügen, dass ich mich gern
für Herrn Prof. Révész
Ich glaube, dass hier ein Bedürfnis
für Berufspsychologie besteht, es ist auch schon
ähnliches geäussert worden. Ich habe auch
schon Herrn Dr. Lipmann vor einigen Wochen
in diesem Sinne geantwortet.
Ich bin mit erg. Gruss
Ihr
H. Reichenbach.
Ich würde Herrn Prof. Révész raten, nicht zu
lange zu warten, da ihm sonst andere hier
zuvorkommen könnten.
[Handschriftliche Bemerkung von Schlick:]
In Ihrem Bestreben, Kant zu retten, haben Sie
ihn m.E. zu günstig interpretiert.