Hans Reichenbach an Moritz Schlick
Dr. HANS REICHENBACH
STUTTGART-OSTHEIM
TECKSTRASSE 7519. 6. 24
Lieber Herr Schlick,
ich komme erst heute dazu, Ihren Moritz Schlick an Hans Reichenbach, Taormina, 3. Mai 1924.
freundlichen Brief aus Sizilien
weil ich in den letzten Monaten durch allerhand
Nebenerwerb sehr stark in Anspruch genommen war.
Leider muss das vorerst auch so bleiben, so dass ich
zum Arbeiten überhaupt nicht mehr komme. Ich
verfolge trotzdem den Zs. Plan weiter, wenn ich auch
einfach nicht mehr soviel Energie darauf verwenden
kann wie im Anfang. Die Schwierigkeiten sind jetzt
sehr gross. Mit Springer habe ich seit damals
nicht mehr korrespondiert. Ich betrachte seinen
an mich, und habe mich seitdem anderweitig
bemüht. Mit Vieweg habe ich ausführlich
korrespondiert, u. erhielt einliegendes Angebot.
Danach will er es wohl machen, fordert aber
sehr weitgehende pekuniäre Garantien. Sollte
die Zs. im ersten Jahr z.B. nur 400 Abonnenten
haben, so wären 3600.- M aufzubringen.
Der Gegenwert würde allerdings in Form von
entsprechend vielen Bänden der Zs. sichergestellt, aber auch unter
diesen Umständen wird es schwer sein, die
Summe zu erhalten. Dabei nimmt dann
Vieweg selbst noch das Risiko der letzten 300
Abonnenten auf sich, d.h. 5400.- M, die erst
gedeckt wären, wenn 900 Abonnenten da sind.
Woher soll man diese Gelder bekommen?
Ich habe bisher von privater Seite ganze 500.- M in
Aussicht. Die Notgemeinschaft wird kaum etwas
beitragen wollen. Ich habe das dort schon für
meine Axiomatik versucht; bekam aber trotz
Einsteins Fürsprache kein Geld. Jetzt für den Zs. Plan
wird die philos. Kommission der Notgemeinschaft
(H. Maier!) kaum etwas übrig haben.
Jetzt gibt es nur 2 Wege: entweder einen
Verlag zu finden, der es ohne Geld macht, oder aber
die von Vieweg geforderte Risiko-Garantie
aufzubringen. Haben Sie vielleicht die Möglichkeit,
in Wien Gelder zu bekommen? Etwa von der
dortigen Akademie? Oder von privater Seite?
Ich würde ev. auch noch nach Geld suchen, und
so bekäme man den Betrag vielleicht zusammen.
Wenn ich Sie im Herbst wieder einmal
treffen könnte, würde ich mich sehr freuen.
Ich beabsichtige, wenn ich es irgend kann, mit
meiner Frau im September in die Berge zu gehen,
möglichst an einen der italienischen Seen.
Freilich ist das vorerst noch ein Zukunftsplan.
Nach Neapel wäre ich beinahe gegangen,
konnte es aber nicht einrichten, da meine
Frau gerade in diesen Tagen ein Töchterchen
bekam. Es war gewiss sehr schön in Neapel?
Werden Sie im Sept. nach Innsbruck gehen?
Ich bin mit den besten Grüssen Ihr
Hans Reichenbach
Cassirer war inzwischen hier zu einem Vortrag. Er sagte mir,
dass die Nachricht betr. Berlin nicht richtig sei; Berlin
bleibt unbesetzt.
Darf ich Sie bitten, mir einliegenden
Vieweg-Brief bald zurückzuschicken?