Hans Reichenbach an Moritz Schlick
Dr. HANS REICHENBACH
STUTTGART-OSTHEIM
TECKSTRASSE 7515. 10. 24.
Lieber Herr Schlick,
diesmal habe ich das böse Gewissen wegen Nicht-Schreibens.
Nun habe ich Ihnen seit Längenfeld noch garnicht geschrieben.
Ich bin gleich als ich zurückkam so sehr ins Arbeiten gekommen,
dass ich zu garnichts anderm kam.
In der Zeitschriftsache bin ich etwas vorangekommen.
Der Leiter von Vieweg war kürzlich auf der Durchreise bei mir,
und wir haben Näheres verabredet. Danach will Vieweg mit
wesentlich kleineren Beträgen zufrieden sein als aus jenem
Brief hervorging. Es genügt, wenn ich 1500-1700 M auftreibe.
Ich schreibe jetzt tüchtig herum, von Bosel habe ich noch keine
Antwort, habe aber auch erst kürzlich an ihn geschrieben. Sollten
Sie Gelegenheit haben, mit ihm Fühlung zu bekommen, so wäre
ich Ihnen sehr dankbar; auch wäre es schön, wenn Sie noch jemand
finden.
Ausserdem will Vieweg eine Interessentenliste; d.h.
Namen von Leuten, die ev. abonnieren würden. Natürlich
dann eine Probenummer erhalten. Ich will nun diese Namen
durch Umfragen zusammenbringen. Könnten Sie nicht Ihre
tüchtige Assistentin daran setzen, Namen zu sammeln?
Dass die Monographien herauskommen, ist ja an
sich sehr erfreulich. Ich sehe nur daraus, wie sehr ablehnend
sich Springer zu mir verhält; hat er mir doch den Plan der
Beihefte, der ungefähr auf dasselbe hinauskam, von vornherein
abgeschlagen. Es wäre viel vorteilhafter, wenn die beiden
Unternehmungen zusammenarbeiten würden, anstatt,
wie es nun kommt, in eine gewisse Konkurrenz zu treten!
Aber ich sehe keinen andern Weg mehr; dass die Monographien
die Zs. entbehrlich machen, glauben Sie doch wohl auch
nicht?
Ich will ganz gern auch mal etwas für die
Monographien schreiben, kann aber vorerst nichts versprechen.
Die Kausalitätsarbeit
dem müsste ich vorher immer Vieweg fragen, ob er nicht
eine derartige Schrift von mir nehmen will; ich bin Vieweg,
Was Sie über Cassirer schreiben, hat mir viel Spass
gemacht. Ich glaube, ich muss ihn aber doch noch um seine
Mitwirkung in der Zs. angehen, er ist immerhin der beste,
weitaus beste Repräsentant der historischen Schule.
Dass Sie mit Einstein über mich gesprochen haben,
ist sehr freundlich von Ihnen. Ich habe nur leider wenig
Hoffnung, dass er mal was für mich zuwege bringt. Ich habe ihm
schon vor 2-3 Jahren einmal meine Lage ganz offen
geschildert, und er hat mir Ähnliches gesagt. Ich sagte ihm
damals, dass ich ganz gern ins Ausland ginge. Aber es ist niemals
auch nur das geringste daraus geworden. Es scheint, dass
Einstein wenig Talente in dieser Richtung hat!!
Ich habe in den letzten Wochen die Probleme, Längenfeld.
über die ich mit Ihnen in L.
und bin jetzt zu einer Lösung des Problems Vergangenheit -
Zukunft gekommen, die mir sehr zufriedenstellend erscheint.
Dabei gibt es dann nur noch Wahrscheinlichkeit. Aber das
glauben Sie bestimmt nicht früher, als bis Sie meine
ausführliche Arbeit
Ich bin mit herzlichen Grüssen an
Ihre verehrte Gattin und Ihre beiden Kinder
Ihr
Hans Reichenbach
Können Sie mir meine Kausalitätsarbeit
schicken?