Dies ist um so merkwürdiger, als meine Formel natürlich auch aus dem Gesetz der übereinstimmenden Zustände gefolgert werden kann. Sollte sowohl meine wie Lindemanns Formel zutreffen, so müßte, wie durch Division beider Formeln folgt, M T s x von der Natur des Stoffes unabhängig sein, eine Be- ziehung, die übrigens auch direkt aus dem Gesetz der übereinstimmenden Zustände gefolgert werden kann. Unter Zugrundelegung der Grüneisenschen 1 ) Werte für die Kompressibilität der Metalle erhält man für diese Größe in- dessen Werte, die etwa zwischen 6 . 10 - 15 und 15 . 10 - 15 schwanken! Dies ist in Verbindung mit der Tatsache, daß sich das Gesetz der übereinstimmenden Zustände im Falle der Lindemannschen Formel so befriedigend bewährt, recht sonderbar. Wäre es nicht vielleicht möglich, daß in allen Be- stimmungen der kubischen Kompressibilität der Metalle noch systematische Fehler stecken? Die Kompression unter all- seitig gleichem Druck ist noch nicht zur Messung verwendet worden, wohl wegen der bedeutenden experimentellen Schwierig- keiten. Vielleicht würden derartige Messungen bei Deformation ohne Winkeldeformation zu beträchtlich anderen Werten von führen als die bisherigen Messungen. Vom theoretischen Standpunkt aus liegt dieser Verdacht wenigstens nahe.

§ 4. Bemerkungen über das thermische Leitvermögen von Isolatoren.

Das in § 1 gefundene Resultat läßt einen Versuch ge- rechtfertigt erscheinen, das thermische Leitvermögen fester, nicht metallisch leitender Substanzen angenähert zu berechnen. Es sei nämlich die mittlere kinetische Energie eines Atoms, dann gibt nach § 1 das Atom in der Zeit einer halben Schwingung im Mittel eine Energie von der Größe . an die umgebenden Atome ab, wobei ein Koeffizient von der Größenordnung Eins, aber kleiner als Eins ist. Denken wir uns die Atome in einem Gitter gelagert und betrachten wir ein Atom A , welches unmittelbar neben einer gedachten Ebene

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1) E. Grüneisen, Ann. d. Phys. 25. p. 848. 1900.