A. Prinzipielle Erw ägungen zum Postulat der Relativit ät.

§ 1. Bemerkungen zu der speziellen Relativit ätstheorie.

Der speziellen Relativitätstheorie liegt folgendes Postulat zugrunde, welchem auch durch die Galilei-Newtonsche Mechanik Genüge geleistet wird: Wird ein Koordinatensystem K so gewählt, daß in bezug auf dasselbe die physikalischen Ge- setze in ihrer einfachsten Form gelten, so gelten dieselben Gesetze auch in bezug auf jedes andere Koordinatens ystem K ' , das relativ zu K in gleichförmiger Translationsbewegung be- griffen ist. Dieses Postulat nennen wir ,,spezielles Relativitäts- prinzip“. Durch das Wort ,,speziell“ soll angedeutet werden, daß das Prinzip auf den Fall beschränkt ist, daß K ' eine gleich- f örmige Translationsbewegung gegen K ausführt, daß sich aber die Gleichwertigkeit von K ' und K nicht auf den Fall ungleichf örmiger Bewegung von K ' gegen K erstreckt.

Die spezielle Relativitätstheorie weicht also von der klas- sischen Mechanik nicht durch das Relativitätspostulat ab, sondern allein durch das Postulat von der Konstanz der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit, aus welchem im Verein mit dem speziellen Relativitätsprinzip die Relativität der Gleich- zeitigkeit sowie die Lorentztransformation und die mit dieser verknüpften Gesetze über das Verhalten bewegter starrer Körper und Uhren in bekannter Weise folgen.

Die Modifikation, welche die Theorie von Raum und Zeit durch die spezielle Relativitätstheorie erfahren hat, ist zwar eine tiefgehende; aber ein wichtiger Punkt blieb unangetastet. Auch gemäß der speziellen Relativitätstheorie sind nämlich die Sätze der Geometrie unmittelbar als die Gesetze über die möglichen relativen Lagen (ruhender) fester Körper zu deuten, allgemeiner die Sätze der Kinematik als Sätze, welche das Verhalten von Meßkörpern und Uhren beschreiben. Zwei hervorgehobenen materiellen Punkten eines ruhenden (starren) Körpers entspricht hierbei stets eine Strecke von ganz be- stimmter Länge, unabhängig von Ort und Orientierung des Körpers sowie von der Zeit; zwei hervorgehobenen Zeiger- stellungen einer relativ zum (berechtigten) Bezugssystem ruhen- den Uhr entspricht stets eine Zeitstrecke von bestimmter Länge, unabhängig von Ort und Zeit. Es wird sich bald zeigen, daß die allgemeine Relativitätstheorie an dieser einfachen physika- lischen Deutung von Raum und Zeit nicht festhalten kann.