§ 2. Über die Gr ünde, welche eine Erweiterung des Relativit äts- postulates nahelegen.

Der klassischen Mechanik und nicht minder der speziellen Relativitätstheorie haftet ein erkenntnistheoretischer Mangel an, der vielleicht zum ersten Male von E. Mach klar hervor- gehoben wurde. Wir erläutern ihn am folgenden Beispiel. Zwei flüssige Körper von gleicher Größe und Art schweben frei im Raume in so großer Entfernung voneinander (und von allen übrigen Massen), daß nur diejenigen Gravitationskräfte berücksichtigt werden müssen, welche die Teile eines dieser Körper aufeinander ausüben. Die Entfernung der Körper voneinander sei unveränderlich. Relative Bewegungen der Teile eines der Körper gegeneinander sollen nicht auftreten. Aber jede Masse soll -- von einem relativ zu der anderen Masse ruhenden Beobachter aus beurteilt -- um die Verbindungslinie der Massen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotieren (es ist dies eine konstatierbare Relativbewegung beider Massen). Nun denken wir uns die Oberflächen beider Körper ( S 1 und S 2 ) mit Hilfe (relativ ruhender) Maßstäbe ausgemessen; es ergebe sich, daß die Oberfläche von S 1 eine Kugel, die von S 2 ein Rotationsellipsoid sei.

Wir fragen nun: Aus welchem Grunde verhalten sich die Körper S 1 und S 2 verschieden? Eine Antwort auf diese Frage kann nur dann als erkenntnistheoretisch befriedigend 1 ) an- erkannt werden, wenn die als Grund angegebene Sache eine beobachtbare Erfahrungstatsache ist; denn das Kausalitäts- gesetz hat nur dann den Sinn einer Aussage über die Er- fahrungswelt, wenn als Ursachen und Wirkungen letzten Endes nur beobachtbare Tatsachen auftreten.

Die Newtonsche Mechanik gibt auf diese Frage keine befriedigende Antwort. Sie sagt nämlich folgendes. Die Ge- setze der Mechanik gelten wohl für einen Raum R 1 , gegen welchen der Körper S 1 in Ruhe ist, nicht aber gegenüber einem Raume R 2 , gegen welchen S 2 in Ruhe ist. Der berechtigte Galileische Raum R 1 , der hierbei eingeführt wird, ist aber eine blo fingierte Ursache, keine beobachtbare Sache. Es ist also klar, daß die Newtonsche Mechanik der Forderung ----------

1) Eine derartige erkenntnistheoretisch befriedigende Antwort kann natürlich immer noch physikalisch unzutreffend sein, falls sie mit anderen Erfahrungen im Widerspruch ist.