5. Folgerungen aus den Capillarit ätserscheinungen; von Albert Einstein.

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Bezeichnen wir mit diejenige Menge mechanischer Arbeit, welche wir der Flüssigkeit zuführen müssen, um die freie Ober- fläche um die Einheit zu vergrössern, so ist nicht etwa die gesamte Energiezunahme des Systems, wie folgender Kreis- process lehrt. Sei eine bestimmte Flüssigkeitsmenge vorliegend von der (absoluten) Temperatur T 1 und der Oberfläche O 1 . Wir vermehren nun isothermisch die Oberfläche O 1 auf O 2 , erhöhen die Temperatur auf T 2 (bei constanter Oberfläche), vermindern dann die Oberfläche auf O 1 und kühlen dann die Flüssigkeit wieder auf T 1 ab. Nimmt man nun an, dass dem Körper ausser der ihm vermöge seiner specifischen Wärme zukommen- den keine andere Wärmemenge zugeführt wird, so ist bei dem Kreisprocess die Summe der dem Körper zugeführten Wärme gleich der Summe der ihm entnommenen. Es muss also nach dem Princip von der Erhaltung der Energie auch die Summe der zugeführten mechanischen Arbeiten gleich Null sein.

Es gilt also die Gleichung:

Dies widerspricht aber der Erfahrung.

Es bleibt also nichts anderes übrig als anzunehmen, dass mit der Aenderung der Oberfläche auch ein Austausch der Wärme verbunden sei, und dass der Oberfläche eine eigene specifische Wärme zukomme. Bezeichnen wir also mit U die Energie, mit S die Entropie der Oberflächeneinheit der Flüssig- keit, mit s die specifische Wärme der Oberfläche, mit w 0 die zur Bildung der Oberflächeneinheit erforderliche Wärme in mechanischem Maass, so sind die Grössen:

und

vollständige Differentiale. Es gelten also die Gleichungen: