9. Eine Theorie der Grundlagen der Thermo- dynamik; von A. Einstein.

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In einer neulich erschienenen Arbeit habe ich gezeigt, daß die Sätze vom Temperaturgleichgewicht und der Entropie- begriff mit Hülfe der kinetischen Theorie der Wärme her- geleitet werden können. Es drängt sich nun naturgemäß die Frage auf, ob die kinetische Theorie auch wirklich notwendig ist, um jene Fundamente der Wärmetheorie herleiten zu können, oder ob vielleicht bereits Voraussetzungen allgemeinerer Art dazu genügen können. Daß dieses letztere der Fall ist, und durch welche Art von Überlegungen man zum Ziele gelangen kann, soll in dieser Abhandlung gezeigt werden.

§ 1. Über eine allgemeine mathematische Darstellung der Vor- gänge in isolierten physikalischen Systemen.

Der Zustand irgend eines von uns betrachteten physi- kalischen Systems sei eindeutig bestimmt durch sehr viele ( n ) skalare Größen p 1 , p 2 ... p n , welche wir Zustandsvariabeln nennen. Die Änderung des Systems in einem Zeitelement dt ist dann durch die Änderungen dp 1 , dp 2 ... dp n bestimmt, welche die Zustandsvariabeln in jenem Zeitelement erleiden.

Das System sei isoliert, d. h. das betrachtete System stehe mit anderen Systemen nicht in Wechselwirkung. Es ist dann klar, daß der Zustand des Systems in einem bestimmten Zeit- moment in eindeutiger Weise die Veränderung des Systems im nächsten Zeitelement dt , d. h. die Größen dp 1 , dp 2 ... dp n bestimmt. Diese Aussage ist gleichbedeutend mit einem System von Gleichungen von der Form:

(1)

wobei die eindeutige Funktionen ihrer Argumente sind.

Für ein solches System von linearen Differentialgleichungen existiert im allgemeinen keine Integralgleichung von der Form